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ZurückIn der Mitteilung zum sogenannten Wettbewerbsfähigkeitskompass gibt die EU-Kommission einen Ausblick auf Maßnahmen, die die Wettbewerbsfähigkeit der EU stärken sollen. Damit die Kompassnadel den richtigen Weg weist, müssen laut AK die Menschen jedoch stärker ins Zentrum rücken. Die AK plädiert daher für eine High-Road Strategie mit einer Förderung von Qualifikation und Innovation, gezielter Industriepolitik, Zukunftsinvestitionen und hohen Schutzstandards für Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen.
In den letzten Jahren wurde die EU von Krisen überschattet, deren Ursache sowohl innerhalb als auch zu einem erheblichen Teil außerhalb der Union liegen. Geopolitische Spannungen und Kriege, der Klimawandel und Naturkatastrophen, schwere Handelskonflikte, knapper werdende Rohstoffe und zunehmende Abhängigkeiten von Drittstaaten stellen auch für die wirtschaftliche Entwicklung der EU erhebliche Herausforderungen dar. Die EU-Kommission stellt die Wettbewerbsfähigkeit der Union daher aktuell ins Zentrum der EU-Politik. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen hatte Mario Draghi bereits vor den EU-Wahlen damit beauftragt, in diesem Sinn eine Zukunftsvision für Europa zu skizzieren. Dieser legte im September seinen Bericht zur Sicherung der EU-Wettbewerbsfähigkeit vor, der dann die Grundlage der EU-politischen Debatte bildete. Die Wettbewerbsfähigkeit stand auch im Fokus der im November 2024 von den Regierungsspitzen verabschiedeten Budapester Erklärung und prägte das Arbeitsprogramm der Kommission, wo auch die im Jänner 2025 veröffentlichte Mitteilung „Ein Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der EU“ angekündigt wurde.
Arbeiterkammer fordert „High-Road Strategie“
Die AK hat zu dieser Mitteilung in ihrem Positionspapier umfassend Stellung genommen und damit auch die Perspektive der Arbeitnehmer:innen auf das Thema hervorgehoben. Zwar sieht die AK die Wirtschaft der EU ebenfalls unter Druck. Sie unterstreicht jedoch, dass vor allem eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Wirtschaftspolitik der Schlüssel zur Förderung der EU-Wettbewerbsfähigkeit ist. Anstatt einer preislichen Wettbewerbsfähigkeit mit noch mehr Druck auf Löhne und arbeitsrechtliche Schutzstandards, beruht die langfristige Stärke von Volkswirtschaften vielmehr auf einer High-Road Strategie mit hoher Produktivität, Innovationskraft, modernen und klimafitten öffentlichen Infrastrukturen, Rechts- und Planungssicherheit für Beschäftigte und Unternehmen, einer umfassenden Daseinsvorsorge und hohen Bildungsstandards. Das Vertrauen in robuste Sozialstaaten, gute Arbeit und hohe Realeinkommen, eine intakte Umwelt sowie eine funktionierende Sozialpartnerschaft bilden dabei nicht nur die Basis für das Wohlergehen der Menschen in Europa und sozialen Frieden, sondern auch für eine robuste und stabile wirtschaftliche Entwicklung.
Die Menschen in den Mittelpunkt stellen: Fördern statt Druck auf Schutzstandards
Zu Recht sieht die EU-Kommission die Menschen als Grundlage von Europas Wettbewerbsfähigkeit. In diesem Sinn fordert die AK eine gezielte Unterstützung der Arbeitnehmer:innen auf mehreren Ebenen. Der Just Transition Fonds der EU soll erheblich aufgestockt und der Europäische Sozialfonds gestärkt werden, um die Entwicklung von Kompetenzen, Innovation und damit gute Arbeit zu fördern und prekäre Arbeitsbedingungen zurückzudrängen. Eine zentrale Rolle spielt auch die Europäische Säule sozialer Rechte, die konsequent umgesetzt und im Zuge des für das 4. Quartal 2025 angekündigten Aktionsplans weiterentwickelt werden muss. Schutzstandards für Beschäftigte und Konsument:innen müssen gesichert und weiter ausgebaut werden. Keineswegs dürfen sie einer Deregulierungsagenda geopfert werden. Die AK lehnt gegenläufige Maßnahmen wie den Nachhaltigkeits-Omnibus und die Einführung eines 28. Regimes (zusätzlich oder anstelle der 27 nationalen Rechtsordnungen) entschieden ab. Auch das geplante Koordinierungsinstrument für Wettbewerbsfähigkeit in Kombination mit einem eigenen Fonds wird von der AK nicht unterstützt. Bestehende Strukturen würden damit verdoppelt und die Schwerpunktsetzung der EU-Politik droht sich unter Außerachtlassung von etwa für Arbeitnehmer:innen wichtigen Themen zu verschieben.
Strategische Industriepolitik und Zukunftsinvestitionen und deren faire Finanzierung
Die AK befürwortet eine aktive und strategische Industriepolitik durch eine entsprechende Ausrichtung der öffentlichen Auftragsvergabe und der staatlichen Förderungen und durch gezielte öffentliche Investitionen. Hierzu gehören Technologieklarheit und strategische Konditionalitäten, die sich auf die Schaffung eines europäischen Mehrwerts beziehen. Sozialpartner und insbesondere auch die Seite der Arbeitnehmer:innen sollen aktiv eingebunden werden. Mittels EU-weit koordinierter Investitionen in Schlüsselbereichen soll unter anderem auch die Versorgungssicherheit erhöht werden. Die AK unterstützt zudem die im Bericht von Mario Draghi vorgeschlagene Investitionsoffensive mit einem jährlichen Volumen von bis zu 800 Mrd. Euro. Die Kommission macht in ihrer Mitteilung jedoch keinerlei Angaben über den Umfang der geplanten Maßnahmen.
Unklar ist auch, wie die Pläne finanziert werden sollen. Die AK begegnet zudem einem eigenen Wettbewerbsfähigkeitsfonds mit Skepsis, der zu Lasten anderer wichtiger Ziele mit europäischem Mehrwert zu gehen droht. Der nun diskutierte Verteidigungsfonds und weitere Pläne zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben dürfen nicht auf Kosten sozial- und beschäftigungspolitischer sowie gesellschaftspolitischer Ziele gehen. Die Pläne, private Investitionen mittels der Schaffung einer Spar- und Investitionsunion zu fördern, die letztlich auf der Vertiefung der Kapitalmärkte und der Bankenunion beruht, dürfen nicht die Finanzstabilität gefährden. Eine Aufblähung von Verbriefungen ist ebenso zu vermeiden wie eine forcierte Privatisierung von Pensionssystemen.
Weiterführende Schritte: Energie, Digitalisierung und Normung
Ein schnellerer Ausbau der erneuerbaren Energien und der Stromnetze ist essentiell. Beim digitalen Übergang müssen Arbeitnehmer:innenanliegen besser berücksichtigt werden. Digitale Kompetenzen müssen gefördert und die KI-Infrastruktur ausgebaut werden. Angesichts des steigenden Energieverbrauchs digitaler Infrastruktur ist eine Verknüpfung mit Energie- und Klimapolitik unbedingt erforderlich. Die Bedeutung von Normung im internationalen Handel erkennt die AK an, nationale und EU-Schutzgesetze dürfen dadurch jedoch keinesfalls ausgehebelt werden.
Ausblick
Der Wettbewerbsfähigkeitskompass bietet eine programmatische Übersicht über die geplanten Maßnahmen zur Erhöhung der EU-Wettbewerbsfähigkeit. Der Kompass weist aber erhebliche Lücken auf. Er sollte keinesfalls auf einen Irrweg führen, der bestehende Schutzstandards für Arbeitnehmer:innen, Konsument:innen und die Gesellschaft gefährdet. Gerade in Anbetracht der multiplen Krisen, mit denen sich die EU seit längerer Zeit konfrontiert sieht, muss der Faktor Mensch im Mittelpunkt stehen.
Weiterführende Information:
EU-Kommission: Ein EU-Kompass, um wieder wettbewerbsfähig zu werden
EU-Kommission: Factsheet – Competitiveness Compass
AK EUROPA: Das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2025. Wo bleiben die Arbeitnehmer:innen?
AK EUROPA: Das Ringen der EU um Wettbewerbsfähigkeit. Ein Interview mit Andrew Watt, Generaldirektor des Europäischen Gewerkschaftsinstituts