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ZurückDurch die Vereinfachung von Rechtsvorschriften will die EU-Kommission die Wettbewerbsfähigkeit der EU steigern und Unternehmen entlasten. In diesem Sinn wurden am 26. Februar 2025 die sogenannten Omnibus-Pakete I und II präsentiert. Es handelt sich dabei um Vorschläge, die als Maßnahmen zur Entbürokratisierung dargestellt werden. Tatsächlich werden damit aber wichtige Errungenschaften für Arbeitnehmer:innen, Umwelt und Klima ausgehöhlt. Vor kurzem erst beschlossene Gesetze für mehr Nachhaltigkeit drohen ihre Wirkung zu verlieren.
Das Omnibus I Paket besteht aus drei Vorschlägen: Erstens ein Richtlinienvorschlag zur Verschiebung des Anwendungsbeginns der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD) sowie bestimmter Berichtspflichten in der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD), zweitens ein Richtlinienvorschlag mit inhaltlichen Änderungen der Lieferkettenrichtlinie und der Nachhaltigkeitsberichterstattung und drittens ein Verordnungsvorschlag zur Änderung der Verordnung über den CO2-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM). Der Omnibus II Vorschlag wurde am selben Tag präsentiert, betrifft aber ein anderes Thema, nämlich vor allem das InvestEU-Programm.
Kritik an den weitreichenden Änderungsvorschlägen
Die vorgeschlagenen Änderungen des „Nachhaltigkeits-Omnibus“ (Omnibus I Paket) sind weitreichend und höhlen hart erkämpfte Errungenschaften für Arbeitnehmer:innen, Umwelt und Klima aus. Hinzu kommt die dadurch verursachte Rechtsunsicherheit. Unternehmen, die als Vorreiter bereits begonnen haben, Berichtspflichten und Sorgfaltspflichten umzusetzen, werden bestraft, da ein Anreiz zum Abwarten gesetzt wird.
„Nach acht Jahren demokratischen Prozesses droht jetzt der Schnellschuss für Konzerne. Es ist keine Vereinfachung, wenn man Unternehmen das Recht gibt, wegzusehen. Es ist ein Rückschritt. Das Lieferkettengesetz ist kein bürokratisches Hindernis, es ist der Schutzschild gegen Ausbeutung und Umweltzerstörung“, kritisiert Wolfgang Katzian, Präsident des ÖGB und EGB.
Verschiebung des Anwendungsbeginns - „die Uhr anhalten“
Die EU-Kommission schlägt vor, die Umsetzungsfrist der Lieferkettenrichtlinie für die Mitgliedstaaten von Juli 2026 um ein Jahr nach hinten zu verschieben. Die ersten Unternehmen sollen erst ab 2028 die Sorgfaltspflichten für ihre Lieferkette erfüllen (bisher 2027). Bei der Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung ist die Umsetzungsfrist für die Mitgliedstaaten im Juli 2024 bereits abgelaufen. Die EU-Kommission schlägt hier eine Verschiebung der Berichterstattung vor. Die Berichtspflichten für Unternehmen, die derzeit in den Anwendungsbereich der CSRD fallen und ab 2026 oder 2027 Bericht erstatten müssten, sollen um zwei Jahre verschoben werden. Die EU-Kommission drängt darauf, dies möglichst rasch zu beschließen. Das EU-Parlament stimmt am 1. April bereits darüber ab, ob es ein beschleunigtes Verfahren anwenden wird.
Änderungen der Lieferkettenrichtlinie (CSDDD)
Die Lieferkettenrichtlinie verpflichtet Unternehmen, Nachhaltigkeitsrisiken und Menschenrechtsverletzungen entlang ihrer Lieferketten zu identifizieren und zu verringern. Diese soll nun stark abgeschwächt werden. Unternehmen sollen sich nur noch auf direkte Zulieferer konzentrieren, weitergehende Überprüfungen sollen wegfallen. Hinzu kommt, dass die Risikobewertung nicht wie bisher vorgesehen jährlich, sondern nur alle fünf Jahre durchgeführt werden soll. Die Mitgliedstaaten sollen keine ambitionierteren Gesetze als die CSDDD erlassen und die EU-weite Regelung zur zivilrechtlichen Haftung soll gestrichen werden. Stattdessen sollen die nationalen Haftungsregelungen gelten, was die Durchsetzung von Rechtsansprüchen für Geschädigte stark erschwert.
Änderungen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD)
Die Richtlinie zur Nachhaltigkeitsberichterstattung verpflichtet Unternehmen, umfassendere und standardisierte Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen, um Transparenz über ökologische, soziale und Governance-Aspekte zu verbessern. Künftig sollen nur noch Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeiter:innen und einem Umsatz von über 50 Millionen Euro bzw. einer Bilanzsumme von über 25 Millionen Euro den Berichtspflichten der CSRD unterliegen. So wird die Anzahl der verpflichteten Unternehmen um etwa 80 % gesenkt. Unternehmen sollen nur noch begrenzt Informationen von ihren Zulieferern außerhalb des CSRD-Geltungsbereichs anfordern dürfen.
Änderungen im Hinblick auf die Taxonomie-Verordnung
Die Taxonomie-Verordnung legt fest, welche wirtschaftlichen Aktivitäten als umweltfreundlich gelten, damit Unternehmen und Investoren klar erkennen können, was nachhaltig ist. Hier soll nicht die Taxonomie-VO selbst abgeändert werden, die im Omnibus enthaltenen Änderungsvorschläge der CSRD betreffen jedoch auch die Taxonomie-Berichterstattung. Zudem schlägt die EU-Kommission Änderungen der delegierten Rechtsakte auf der Grundlage der Taxonomie-VO vor.
Änderung des CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM)
Der CO₂-Grenzausgleichsmechanismus (CBAM) beinhaltet eine CO₂-Abgabe auf bestimmte importierte Waren, um faire Wettbewerbsbedingungen zu schaffen und die Verlagerung von CO₂-Emissionen ins Ausland zu verhindern. Mit dem Omnibus wird eine Anpassung der Schwellenwerte vorgeschlagen. Importeure, die weniger als 50 Tonnen CO₂-Emissionen pro Jahr verursachen, sollen vom CBAM ausgenommen werden, wodurch etwa 182.000 Importeure nicht mehr unter diese Regelung fallen würden.
Eine wettbewerbsfähigere Union - oder doch nur ein Geschenk an Unternehmen?
Die EU-Kommission hat im Februar statt einer öffentlichen Konsultation eine geschlossene Veranstaltung mit multinationalen Unternehmen organisiert. Eingeladen waren 57 Unternehmen, zwei Gewerkschaften und zehn NGOs. Somit war bereits hier klar zu sehen, in wessen Interesse diese Änderungen sind. Die EU sollte eine Führungsrolle im Bereich der Nachhaltigkeit einnehmen und die Ziele des Green Deal aus der letzten Legislaturperiode weiterhin verfolgen. Die vorgeschlagenen Änderungen führen jedoch zu einer starken Verwässerung der Nachhaltigkeitsstandards. „Das ist keine Vereinfachung. Das ist Deregulierung. Die EU-Kommission behauptet, Bürokratie abbauen zu wollen, aber in Wirklichkeit höhlt sie Menschenrechtsvorschriften aus,“ kritisiert die stellvertretende EGB-Generalsekretärin Isabelle Schömann den Omnibus-Vorschlag.
Die nächsten Schritte
Die vorgeschlagenen Änderungen bedürfen der Zustimmung des EU-Parlaments und des Rates. Beide Co-Gesetzgeber können die Vorschläge der EU-Kommission auch abändern. Im Gegensatz zur letzten Periode, wo die vom Omnibus betroffenen Rechtsakte im EU-Parlament durch einen Zusammenschluss progressiver Kräfte beschlossen wurden, kann die EVP in dieser Periode auch mit den rechten Parteien eine Mehrheit bilden. Demensprechend ungewiss ist der Ausgang des Gesetzgebungsprozesses. Marion Lupin von der Europäischen Koalition für Unternehmensgerechtigkeit (ECCJ) wies in einer Veranstaltung darauf hin, dass die Änderung von soeben erst beschlossenen Rechtsakten Neuland und eine Reise ins Ungewisse sei.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Omnibus I. Vorschlag
AK/ÖBG: Presseaussendung zum Omnibus
EBG: Demonstration (nur Englisch)
EBG: Presseaussendung (nur Englisch)
Europäische Koalition für Unternehmergerechtigkeit: EU-Deregulierung (nur Englisch)
AK EUROPA: Offener Brief an Ursula von der Leyen