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ZurückDie Verschärfung der geopolitischen Lage führt zu einem globalen Rüstungswettlauf. Auch die EU-Mitgliedstaaten bekennen sich jetzt dazu, ihre Verteidigungsbereitschaft insgesamt zu erhöhen. Im Zuge dessen legt die EU-Kommission nun den ReArm Europe Plan vor, in dem sich alles um die Stärkung der europäischen Sicherheit dreht.
Anfang März traf sich der Europäische Rat, bestehend aus den Staats- und Regierungschefs der Mitgliedstaaten, zu einer außerordentlichen Tagung zum Thema Verteidigung. In den Schlussfolgerungen wird einleitend festgehalten, „dass Europa souveräner werden muss, mehr Verantwortung für seine eigene Verteidigung übernehmen muss und besser gerüstet werden muss, um (…) zu handeln und unmittelbare und künftige Herausforderungen und Bedrohungen eigenständig zu bewältigen.“ Im Mittelpunkt steht die deutliche Erhöhung der Ausgaben für Europas Sicherheit und Verteidigung. Man einigte sich auch auf eine erste Liste vorrangiger Handlungsbereiche wie z.B. Luft- und Raketenabwehr und betonte, dass unter anderem die Bündelung der Nachfrage, die Harmonisierung der Anforderungen und die gemeinsame Beschaffung systematischer erfolgen müssen.
Bereits im Vorfeld des Treffens hatte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in einem Brief an die Mitgliedstaaten den ReArm Europe Plan vorgestellt, der sich umfassend mit dieser Thematik auseinandersetzt. Der entsprechende Gesetzesvorschlag soll noch im März, noch vor der regulären Tagung des Europäischen Rates, vorgelegt werden.
Säulen des ReArm Europe Plans
Der ReArm Europe Plan besteht aus fünf zentralen Elementen. Die erste Maßnahme erlaubt es den Mitgliedstaaten, ihre Verteidigungsausgaben kurzfristig zu erhöhen, indem sie die Ausnahmeklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts nutzen und sich somit nicht an die strengen EU-Haushaltsregeln halten müssen. Dadurch könnten laut Kommission in der EU bis zu 650 Milliarden Euro freigesetzt werden.
Auch soll ein neues EU-Instrument geschaffen werden, das bis zu 150 Milliarden Euro umfasst. Dieses Instrument soll den Mitgliedstaaten Kredite gewähren, die durch den EU-Haushalt abgesichert sind und explizit für die Beschaffung von Gütern europäischer Produzenten vorgesehen sind. Die Mitgliedstaaten können darüber hinaus freiwillig Geld aus dem Kohäsionsfonds für die Verteidigung verwenden. Außerdem könnte die STEP-Plattform genutzt werden, um Verteidigungstechnologien zu unterstützen. Die EU-Kommission will ebenso die Kapitalmarktunion bzw. die Spar- und Investitionsunion rasch vorantreiben und die Europäische Investitionsbank verstärkt heranziehen, um Investitionen in Verteidigung zu fördern.
Die Debatte im Europäischen Parlament
In der Plenarsitzung des EU-Parlaments am Dienstag betonte EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen, dass Frieden in Europa keine Selbstverständlichkeit mehr sei und die europäische Sicherheitsordnung in Gefahr sei. Europa müsse sich besser verteidigen, denn die Bedrohungen nähmen zu. Von der Leyen ist überzeugt, dass Europa die Größe und Wirtschaftskraft zur Abschreckung hat und nun auch der politische Wille vorhanden ist. In ihrer Rede betonte sie: „Die Zeit für Europa ist gekommen, wir müssen Worten Taten folgen lassen.”
Während dieser Sitzung äußerten einige Parlamentarier:innen jedoch Bedenken hinsichtlich der von der Kommissionspräsidentin angestrebten Anwendung von Artikel 122 AEUV für die Genehmigung von dem ReArm Europe Plan, wodurch das EU-Parlament vom demokratischen Entscheidungsprozess ausgeschlossen würde. Sie wiesen auch auf die demokratischen Defizite bei der exzessiven Nutzung solcher Notfallbestimmungen hin. Andere warnten davor, dass höhere Verteidigungsausgaben nicht zu Lasten der ökologischen und sozialen Transformation oder von Forschung und Entwicklung gehen dürften.
Defensive Ansätze und Prävention
Aufgrund der historischen Entwicklungen in Europa hat sich seit dem Zweiten Weltkrieg auch eine Tradition in den Bereichen humanitäre Hilfe und defensive Landesverteidigung etabliert, insbesondere in neutralen Ländern wie Österreich, Irland, Malta und Zypern, die keiner Militärallianz angehören. Hier kann es auch einen alternativen Weg zur klassischen Aufrüstung geben, indem statt auf offensive Waffen, auf den Einsatz von „Peace Tech“ und defensive Verteidigungsstrategien gesetzt wird. Dabei sollen moderne Technologien genutzt werden, um wichtige Infrastrukturen zu schützen, Konflikte frühzeitig zu erkennen oder zu verhindern sowie den Wiederaufbau nach Krisen zu unterstützen. Darüber hinaus können solche Technologien helfen, Ressourcen nachhaltiger zu bewirtschaften, Abrüstungsabkommen zu überwachen und den Katastrophenschutz zu stärken.
Unter dem Titel feministische Außenpolitik wird dafür plädiert, dass Sicherheit nicht nur militärisch definiert wird, sondern auch durch den Schutz vulnerabler Gruppen, Konfliktprävention und den Abbau struktureller Ungleichheiten erreicht werden kann. Es wird gefordert, dass Frauen und marginalisierte Gruppen stärker in Entscheidungsprozesse eingebunden werden, um die bestehenden Machtstrukturen kritisch zu hinterfragen und neu zu gestalten. Indem der Fokus auf Prävention, Dialog und Kooperation gelegt wird, bietet dieser Ansatz eine Alternative zu traditionelleren, oft einseitig auf militärische Lösungen ausgerichtete Strategien. So könnten langfristig nachhaltige und friedlichere Lösungsansätze entwickelt werden, die zu einer stabileren internationalen Ordnung beitragen.
Ausblick
Das Thema Verteidigung wird weiterhin ganz oben auf der Agenda der EU-Politik stehen. Von der Leyen kündigte für den 19. März ein Weißbuch zur Zukunft der europäischen Verteidigung an, in dem die EU-Kommission darlegen wird, in welche militärischen Fähigkeiten gemeinsam investiert werden soll. Auch ein Vorschlag für einen Verteidigungsomnibus soll demnächst vorgelegt werden.
Weiterführende Information:
Rat: Presseaussendung Sicherheit und Verteidigung
Rat: Die Verteidigung in Zahlen
A&W-Blog: Die zunehmende industrielle Militarisierung in Europa