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ZurückAm vergangenen Mittwoch hat die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2025 vorgestellt. Damit steht der Fahrplan für das erste Jahr des neuen Mandats fest. Es bestätigt sich, was die letzten Monate schon im Raum stand: Im Zentrum stehen die Steigerung der europäischen Wettbewerbsfähigkeit, die Erhöhung der Sicherheit und Wirtschaftswachstum. Die Union soll demnach “ambitionierter, unkomplizierter und schneller” werden. Den Anliegen der Arbeitnehmer:innen wird dabei kaum Rechnung getragen.
Das Arbeitsprogramm für 2025 umfasst 51 Initiativen - sowohl Vorschläge für Richtlinien bzw. Verordnungen als auch Ankündigungen, bei denen kein verbindlicher Rechtsakt geplant ist. Zusätzlich sollen 37 bestehende Initiativen evaluiert und ebenfalls 37 Initiativen zurückgezogen werden. Elf Initiativen haben Bürokratieabbau als Ziel. Den Fokus auf Bürokratieabbau und Rechtsvereinfachung betont die EU-Kommission zusätzlich in der Mitteilung „A simpler and faster Europe“, die gemeinsam mit dem Arbeitsprogramm 2025 präsentiert wurde.
Die im Arbeitsprogramm enthaltenen Initiativen sind sieben politischen Prioritäten zugeordnet: Nachhaltiger Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit, Verteidigung und Sicherheit, Soziales, Erhalt der Lebensqualität, Schutz der Demokratie, ein globales Europa und Zukunft der EU. Die meisten Maßnahmen fallen unter die Priorität „nachhaltiger Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit“. Im Hinblick auf den Bereich Soziales fällt auf, dass keine einzige legislative Initiative angekündigt wird. Damit zeigt die EU-Kommission klar, wo im Jahr 2025 ihre Prioritäten liegen.
Das Mantra der Wettbewerbsfähigkeit
Am 29. Jänner 2025 hat die EU-Kommission den sogenannten Kompass für Wettbewerbsfähigkeit vorgestellt, der Vorschläge zur Förderung von Innovation, Dekarbonisierung und Versorgungssicherheit enthält. Im Arbeitsprogramm für 2025 sind einige der Maßnahmen nun nochmals aufgelistet, unter anderem die Maßnahmen zum Bürokratieabbau. Dazu zählen insbesondere drei sogenannte Omnibus-Pakete. Diese Pakete sollen Berichtspflichten vereinfachen und die administrativen Lasten für Unternehmen um mindestens 25 Prozent senken, für Klein- und Mittelunternehmen sogar um 35 Prozent. Aus Sicht der AK besteht hier die Gefahr, dass wichtige Regelungen für Arbeitnehmer:innen und Konsument:innen verwässert werden.
Um die Innovationslücke zu schließen, sollen nicht zuletzt im digitalen Bereich mehr Investitionen in die Entwicklung neuer Technologien getätigt und Start-ups unterstützt werden. Die derzeit in Verhandlung befindliche Richtlinie zur KI-Haftung wird von der Kommission zurückgezogen, was auf Kritik von Verbraucher:innenschutzverbänden stößt.
Grüner Wandel im Einklang mit Wettbewerbsfähigkeit ist das Motto der neuen europäischen Industriepolitik, die mit dem Clean Industrial Deal auf den Weg gebracht werden soll. Er soll am 26. Februar 2025 zusammen mit dem Aktionsplan für leistbare Energie vorgestellt werden. In beiden Fällen wird mit Spannung erwartet, welche Maßnahmen sich konkret dahinter verbergen. Für die zweite Jahreshälfte werden der Investitionsplan für nachhaltigen Verkehr und die Bioökonomiestrategie angekündigt.
Wo bleiben die Arbeitnehmer:innen?
Die EU-Kommission kündigt für das vierte Quartal 2025 einen neuen Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte sowie einen Fahrplan für hochwertige Arbeitsplätze an. Bereits Anfang März wird der Vorschlag für eine „Union der Kompetenzen“ erwartet, mit der Ausbildung und notwendige Qualifikationen besser gefördert werden sollen. Keine dieser Initiativen ist jedoch ein verbindlicher Rechtsakt. Entgegen der Ankündigung, wonach in den ersten 100 Tagen ein Plan für leistbares Wohnen vorgelegt werde, ist ein solcher derzeit nicht enthalten. Auf Nachfrage wurde bei der Vorstellung des Arbeitsprogramms jedoch mitgeteilt, dass nicht alle geplanten Initiativen enthalten seien.
Unter der Überschrift „Unsere Demokratie schützen und unsere Werte wahren“ werden nicht legislative Maßnahmen zur Demokratieförderung, zur Stärkung von Frauenrechten, Bekämpfung von Diskriminierung und zu LGBTIQ-Rechten angekündigt. Gleichzeitig kündigt die Kommission an, ihren Vorschlag für eine horizontale Antidiskriminierungsrichtlinie zurückzuziehen. Unter der Überschrift „Unsere Lebensqualität erhalten“ werden die bereits für 19. Februar 2025 erwartete Vision für Landwirtschaft und Ernährung und darüber hinaus die Europäische Wasser-Resilienz-Strategie und die Überarbeitung des europäischen Klimagesetzes genannt.
Die EGB-Generalsekretärin Esther Lynch fasst die Schwachpunkte des Programms so zusammen: „Zu einer Zeit, in der 100.000 Arbeitsplatzverluste in unserer Industrie angekündigt wurden und die Menschen immer noch mit den Lebenshaltungskosten zu kämpfen haben, werden die Arbeitnehmer:innen einfach nicht verstehen, warum dieser Plan keine Gesetzgebung zum Schutz ihrer Arbeitsplätze, zur Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen oder zur Erhöhung ihrer Löhne enthält.“
Das zweite große Thema des Arbeitsprogramms: Sicherheit und Verteidigung
Mit Verweis auf die geopolitischen Spannungen betont die EU-Kommission die Wichtigkeit von Investitionen in die Verteidigungsindustrie. Zu diesem Zweck soll es eine breit angelegte Konsultation über die Schaffung eines entsprechenden Unionsrahmens geben, außerdem wird eine enge Zusammenarbeit mit der NATO angekündigt. Man will sich künftig besser auf Krisen vorbereiten und deshalb präventive Krisenvorsorgestrategien entwickeln. Eine interne Sicherheitsstrategie wird durch einen umfassenden Aktionsplan zur Stärkung der Fähigkeiten zur Abwehr und Reaktion auf Bedrohungen ergänzt. Gleichzeitig will die EU-Kommission das außenpolitische Gewicht Europas stärken und geopolitische Partnerschaften festigen. Die Unterstützung der Ukraine steht ganz oben auf der Agenda, aber auch die Zusammenarbeit mit dem Nahen Osten und Nordafrika sowie die Vertiefung der Beziehungen zwischen der EU und Indien. Die für das vierte Quartal angekündigte Migrations- und Asylstrategie konzentriert sich auf die Stärkung der EU-Grenzen und die Beschleunigung von Abschiebungen.
Viele offene Fragen zur Finanzierung
Wie all diese Pläne finanziert werden sollen, ist hier wohl die Gretchen-Frage. Nachdem Draghi in seinem Bericht eine Investitionslücke in der EU von 700 bis 800 Milliarden Euro pro Jahr identifiziert hat, will die EU-Kommission diese nun durch eine europäische Kapitalmarktunion schließen. Draghi hat jedoch darauf hingewiesen, dass es zusätzlich dringend benötigte öffentliche Finanzierungsmodelle geben muss und solche Summen nicht allein durch Privatinvestitionen gedeckt werden können. Der mehrjährige Finanzrahmen der EU ab 2028 soll an die neuen EU-Prioritäten angepasst werden.
Weiterführende Informationen
EU-Kommission: Arbeitsprogramm der Kommission für 2025
AK EUROPA: Die Erklärung von Budapest. Wettbewerbsfähigkeit bleibt im Mittelpunkt
AK EUROPA: Politische Leitlinien für die nächste EU-Kommission 2024 – 2029. Die richtigen Antworten auf aktuelle Herausforderungen?
AK EUROPA: Strategische Agenda 2024-2029. Unausgewogene Prioritäten