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ZurückAm 8. November 2024 verabschiedete der informelle Europäische Rat in Budapest die sogenannte Budapester Erklärung, eine politische Willensbekundung zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Der Fokus liegt auf Innovation, Produktivität und Wirtschaftswachstum. Angesprochen werden auch andere strategische Ziele wie Energiesouveränität, Klimaneutralität, Kreislaufwirtschaft und die soziale Agenda. Inhaltlich knüpft die Budapester Erklärung damit an die Strategische Agenda des Europäischen Rates an und nimmt Bezug auf die Berichte von Mario Draghi und Enrico Letta.
Die Budapester Erklärung kann als Antwort des Europäischen Rates auf die Berichte von Letta und Draghi verstanden werden. Doch auch wenn diese beiden Berichte in der Erklärung gepriesen werden, haben es nur wenige der ambitionierten Inhalte in die finale Fassung geschafft. Der Text orientiert sich inhaltlich an der Strategischen Agenda des Europäischen Rates und enthält viele Bekenntnisse, jedoch wenig Konkretes – vor allem im sozialen Bereich.
Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum
Das zentrale Element der Budapester Erklärung ist die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit Europas. Die Bandbreite der angesprochenen Themen ist groß. Vielfach werden bestehende Ziele oder Ambitionen aufgelistet, ohne den Weg zu ihrer Erreichung näher zu beleuchten. Im Vordergrund stehen die Vertiefung des Binnenmarkts, die neue Spar- und Investitionsunion und die Entwicklung einer neuen europäischen Industriepolitik, um industrielle Erneuerung zu gewährleisten. Die industrielle Basis soll aber auch gestärkt werden, um die Verteidigungsbereitschaft und -fähigkeit zu verbessern. Bei Forschung und Innovation soll Europa an der Weltspitze platziert werden, die Arbeit an der von Enrico Letta vorgeschlagenen "fünften Binnenmarktfreiheit“ für Forschung, Innovation und Bildung wird unterstützt. Erneut wird auch die zügige Vorlage von Vorschlägen zur Verringerung der Berichtspflichten von Unternehmen um mindestens 25% gefordert - eine pauschale Forderung, die die AK sehr kritisch betrachtet.
Gemeinsam mit diesen Kernfeldern der wirtschaftlichen Modernisierungsstrategie werden auch wesentliche strategische Ziele der ökologischen Transformation, des digitalen Wandels und der Europäischen Säule sozialer Rechte bestätigt. Eine echte Energieunion soll zu Energiesouveränität und bis 2050 zur Klimaneutralität, der avisierte Rechtsakt über die Kreislaufwirtschaft zur Schaffung einer ressourceneffizienteren Wirtschaft und eines Marktes für Sekundärrohstoffe beitragen. Die Chancen der Datenwirtschaft sollen besser genutzt werden, die Privatsphäre und Sicherheit dabei aber gewährleistet sein. Und man will in der gesamten Union hochwertige Arbeitsplätze schaffen und danach streben, den sozialen Dialog zu stärken und Ungleichheiten abzubauen. Die Handels- und Agrarpolitik sollen im Zeichen von Nachhaltigkeit und Resilienz stehen. Unter der Überschrift „Zukunftsfähige Finanzierung“ findet sich jedoch ein vager Minimalkompromiss.
Finanzierung erneut ungewiss
Zum Thema Finanzierung bietet die Budapester Erklärung wenig bahnbrechende Ansätze. Erwähnt werden der kommende mehrjährige Finanzrahmen (MFR), die vielbeschworene Kapitalmarktunion (CMU) und die Einbindung der Europäischen Investitionsbank (EIB) – alles bekannte und bereits angekündigte Initiativen. Die im Entwurf bereits vage gehaltenen Bestrebungen zur Erschließung neuer Eigenmittel wurden in der Endversion nochmals abgeschwächt. Stattdessen werden erneut der Aufbau einer Spar- und Investitionsunion, sowie die Vollendung der CMU und der Bankenunion postuliert. Das ambitionierte Ziel der Vollendung der CMU bis 2026 scheint sich allerdings politisch schwierig zu gestalten. Wesentliche Reformen, die dafür notwendig wären, werden seit Jahren erfolglos diskutiert.
An der angenommenen Endversion der Budapester Erklärung ist klar erkennbar, dass es sich um einen abgespeckten Kompromissvorschlag handelt. Auf den letzten Metern wurden konkrete Ziele abgeschwächt. So wurde das Investitionsziel für Forschung und Entwicklung von 4% des BIPs auf 3% gesenkt und 2027 als Ziel für die Vollendung der Energieunion gänzlich gestrichen. Insgesamt scheint in den Verhandlungen viel an Ambition verloren gegangen zu sein. Wo im Entwurf noch vom Ziel die Rede war, weltweit führend in der Kreislaufwirtschaft zu werden, findet sich in der Endfassung nur der Verweis auf den angekündigten Circular Economy Act. Auch eine von der AK geforderte Harmonisierung in Steuerfragen hat es nicht in die endgültige Erklärung geschafft.
Soziale Investitionen nicht erwähnt
Die AK begrüßt, dass aktiver Industriepolitik ein hoher Stellenwert beigemessen wird. Auch das Ziel, hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen, sowie das Bekenntnis zur Stärkung des sozialen Dialogs, der Chancengleichheit und der Verringerung von Ungleichheiten werden ausdrücklich unterstützt. Was jedoch fehlt, ist ein klares Bild davon, welche Rolle Arbeitnehmer:innen in der Gestaltung eines wettbewerbsfähigen Europas einnehmen können. Denn der grüne Umbau von Europas Wirtschaft kann nur dann gelingen, wenn die Arbeitnehmer:innen ausreichend eingebunden werden. Aspekte eines gerechten Übergangs werden jedoch kaum thematisiert, der Begriff Just Transition kommt in der Erklärung überhaupt nicht vor. Die Budapester Erklärung betont die Notwendigkeit von Investitionen, für die sowohl öffentliche als auch private Finanzmittel mobilisiert werden sollen. Mit Ausnahme von Investitionen in Kompetenzen werden jedoch soziale Investitionen, etwa in Pflege oder Kinderbetreuung, nicht erwähnt. Aus Sicht der AK sind diese essenziell, nicht zuletzt, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und Talente in Europa zu erschließen.
Weiterführende Information
Europäischer Rat: Die Budapester Erklärung
AK EUROPA: Strategische Agenda 2024-2029. Unausgewogene Prioritäten
AK EUROPA: Der Draghi-Bericht. Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum der EU Politik
AKEUROPA: Politische Leitlinien für die nächste EU-Kommission 2024 – 2029. Die richtigen Antworten auf aktuelle Herausforderungen?
AK EUROPA: Der Draghi-Bericht. Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum der EU Politik
AK EUROPA: „Weit mehr als ein Markt“. Niemand zurücklassen im Binnenmarkt
EU-Kommission: ESDE-Bericht (nur Englisch)