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ZurückMit dem 1. Januar 2019 hat die österreichische Ratspräsidentschaft die Fackel an die rumänische Regierung weitergereicht. Nach „einem Europa, das schützt“ will man nun die „Kohäsion als gemeinsamen europäischen Wert“ hervorkehren. Dieser allerersten rumänischen Präsidentschaft bleibt aber nur bis Mai Zeit, sich um die vielen drängenden Probleme der Europäischen Union zu kümmern.
Die rumänische Ratspräsidentschaft stellt die Kohäsionspolitik, Wettbewerb und Digitalisierung in den Mittelpunkt ihrer Amtszeit. Für eine nachhaltige und faire Entwicklung für alle BürgerInnen und Mitgliedsstaaten soll gesorgt sein. Dies soll durch einen erhöhten Wettbewerb, sozialen Fortschritt, die Förderung der Digitalisierung und der Schließung von Lücken in der Entwicklung von Mitgliedsstaaten erreicht werden. Zusätzlich soll Europa als globaler Akteur gestärkt werden. Wie die österreichische Ratspräsidentschaft schreibt sich auch die rumänische Ratspräsidentschaft ein „sicheres Europa“ auf die Fahnen. Ob damit auch die sozialen Sicherungsnetze Europas gemeint sind, bleibt aber offen. Dennoch sollen auch Fragen der Solidarität und der Kampf gegen Diskriminierung sowie die Einbeziehung europäischer BürgerInnen eine Rolle spielen.
Im Bereich Sozialpolitik betont die rumänische Ratspräsidentschaft die Mobilität der ArbeitnehmerInnen als Triebkraft für den Wettbewerb im europäischen Binnenmarkt. Insgesamt erscheinen die Vorhaben der rumänischen Ratspräsidentschaft im Bereich Soziales leider viel zu wenig ambitioniert: Lediglich bei der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) hält Rumänien als Ziel fest, die Verhandlungen zum Abschluss zu bringen. Zwei weitere wichtige Dossiers (Richtlinie über faire und transparente Arbeitsbedingungen, 3. Tranche zur Revision der Karzinogene-RL), welche ebenfalls bereits im Trilog-Stadium verhandelt werden, sollten aus Sicht der AK ebenfalls unbedingt noch vor den EP-Wahlen zum Abschluss gebracht werden: Diese Dossiers werden im Präsidentschaftsprogramm gar nicht erwähnt bzw. sollen nur „weiterverhandelt“ werden. Auch die Verordnung 883 zur Koordinierung der sozialen Sicherungssysteme möchte Rumänien nicht abschließen, sondern nur weiterverhandeln und ein Prozedere für die Implementierung entwickeln.
Als eines ihrer prioritären Ziele versucht die Ratspräsidentschaft, gleiche Chancen am Arbeitsmarkt für Frauen zu garantieren. Dies will man u.a. durch eine Verkleinerung des „gender pay gap“ erreichen. Maßnahmen – vor allem arbeitsmarktpolitische – zur Angleichung der Gehälter von Frauen und Männern soll dabei eine wesentliche Rolle spielen. Andererseits will man auch die Unternehmensgründung durch Frauen fördern. Aus ArbeitnehmerInnensicht ist hierbei wichtig, dass die Diskussionen um die „work-life-balance“-Richtlinie zu einem Abschluss kommt. Zum Thema Work-Life Balance und Fragen der Geschlechtergerechtigkeit in der Arbeitswelt will die Ratspräsidentschaft Akzente setzen und kündigt einige wichtige Veranstaltungen an.
In Steuerfragen zeigt sich das Programm, ähnlich wie in der Sozialpolitik, wenig ambitioniert. Auf einer knappen Seite spricht man sich für die Modernisierung des Mehrwertssteuersystems - besonders beim Onlinehandel – aus. Bei der Gemeinsamen Konsolidierten Körperschaftssteuerbemessungsgrundlage will man hingegen lediglich konstruktive Debatten führen. In Sachen Digitalsteuer soll die bisherige Lösung der österreichischen Ratspräsidentschaft aufgegriffen werden, die nur eine Besteuerung von Werbeerträgen vorsieht, anstatt zu versuchen, den Kommissionsvorschlag zur Besteuerung der Gesamteinnahmen noch durch den Rat zu bringen.
Innerhalb des Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) der EU stellt für die rumänische Ratspräsidentschaft nur die Gemeinsame Agrarpolitik und Kohässionspolitik eine wesentliche Priorität dar, die anderen Initiativen werden nur als weiterzuverhandeln vermerkt. Allgemein ist man dabei vom Ziel abgekommen, den MFR bis zum Ende der Legislativperiode im Mai 2019 fertig zu verhandeln.
Aus ArbeitnehmerInnensicht fällt auf, dass die rumänische Ratspräsidentschaft sich selbst nur sehr niedrige Ziele steckt: Weder in Steuerfragen noch bei sozialpolitischen Dossiers drängt man auf Abschlüsse. Auch der „New Deal for Consumers“ soll laut dem Programm der rumänischen Ratspräsidentschaft nur weiterverhandelt werden, wiederum kein Wort zum Abschluss. Hier ist das Parlament bereits in Vorlage getreten: Nach der positiven Abstimmung im Rechtsausschuss im Dezember zu Verbandsklagen hat diese Woche auch der Ausschuss für Binnenmarkt und VerbraucherInnenschutz über die sogenannte Omnibus-Richtlinie abgestimmt. Aus Sicht der AK bleibt zu hoffen, dass es bei der Europäischen Arbeitsbehörde, aber auch bei den anderen sozial- und verbraucherInnenpolitisch wichtigen Dossiers wesentliche Fortschritte und vielleicht einen Abschluss der Verhandlungen gibt. Zu wünschen wäre auch eine Festlegung beim Standort der Arbeitsbehörde – die AK hat sich für Wien als Heimat der ELA ausgesprochen.
Für die europäischen ArbeitnehmerInnen wäre ein weit ambitionierteres Programm zu wünschen gewesen. Viele Dossiers, welche unter österreichischer Ratspräsidentschaft liegen geblieben sind, harren weiterhin ihrer Abschlüsse und die Zeit drängt. Von 23. bis 26. Mai 2019 wird in Europa ein neues Parlament gewählt und im Anschluss daran wird sich die Kommission neu zusammensetzen. Es ist also jetzt die letzte Chance, einige drängendste Probleme der Europäischen Union anzugehen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Fazit zur österreichischen Ratspräsidentschaft
AK EUROPA: Memorandum für ein soziales Europa
Programme of the Romanian Presidency of the Council of the European Union