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ZurückMit viel Eigenlob feierte Bundeskanzler Sebastian Kurz am 15. Januar 2019 im Europäischen Parlament die gerade erst abgeschlossene österreichische Ratspräsidentschaft. Da jedoch in den vorab definierten Zielen und Prioritäten die Rechte der europäischen ArbeitnehmerInnen kaum Platz fanden, brauchte es lautstarken Zuruf von außen, um in den letzten Wochen des österreichischen Vorsitzes noch Fortschritte bei wichtigen Dossiers zu erzielen.
Zu Beginn der Ratspräsidentschaft lagen mehr als 200 offene Gesetzesvorschläge vor. Da es selbstverständlich nicht möglich ist, alle in einem Halbjahr zu einem Abschluss zu bringen, definierte die österreichische Regierung vorab ihre Prioritäten und die im Fokus stehenden Politikfelder. Unter dem Motto „Ein Europa, das schützt“ fiel die Wahl dabei auf die drei Schwerpunkte: Migration, Wettbewerbsfähigkeit und Nachbarschaftspolitik am Westbalkan.
Die Arbeiterkammer hatte vorab in einem Memorandum für ein soziales Europa zentrale Bausteine definiert, die für eine erfolgreiche EU-Ratspräsidentschaft 2018 aus Sicht der ArbeitnehmerInnen essentiell sind. Dennoch finden sich wichtige Gesetzesvorschläge, die in Brüssel bereits auf dem Tisch lagen und zur Verbesserung der sozialen Rechte für alle Europäerinnen und Europäer wesentlich sind, in den Prioritäten nicht wider. Hierzu zählt vor allem der Vorschlag einer Europäischen Arbeitsbehörde, die die nationalen Behörden unterstützen soll, grenzüberschreitendes Lohn- und Sozialdumping zu vermeiden und damit Missbrauch und Betrug zu bekämpfen. Weiters zählen dazu auch die Richtlinie zur Work-Life-Balance, die die Vereinbarkeit von Beruf und Familie, erstmals auch in Zusammenhang mit der Pflege von Angehörigen, zu ermöglichen versucht, oder die Richtlinie für transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen, die gerade durch eine breite Definition des Begriffs „ArbeitnehmerIn“ schlagartig Tausende Menschen in Europa in atypischen Beschäftigungsverhältnissen mehr Rechtsicherheit und Verbesserungen ihrer Rechte in der Arbeitswelt gewähren würde.
Nachdem diese Dossiers für den österreichischen Ratsvorsitz keine Priorität hatten und es in der Absage des avisierten Ministerrates für soziale Angelegenheiten im Oktober gipfelte, wuchs kontinuierlich der Druck auf die Ratspräsidentschaft, endlich soziale Themen auch auf die Tagesordnung zu setzen. Anfang Oktober mahnte sogar der Kommissionspräsident Jean Claude Juncker Bundeskanzler Kurz, sich der Arbeitsbehörde anzunehmen. Dass es dann trotz des verspäteten Starts noch zu einer Einigung zwischen den Mitgliedstaaten im Rat kam, ist der unermüdlichen Arbeit und des enormen Kraftaktes der zuständigen BeamtInnen zu verdanken.
Ob die verbleibende Zeit noch reicht, um den letzten Schritt der europäischen Gesetzgebung, nämlich die Trilogverhandlungen zwischen Rat, Kommission und Parlament vor den EU Wahlen abzuschließen, bleibt jedoch offen. Hätte die Österreichische Regierung von Beginn an einen sozialen Schwerpunkt gesetzt, wäre mehr Zeit für die Verhandlung der Dossiers geblieben und auch weitere Abschlüsse wären möglich gewesen. Die Chance ein Europa, dass die sozialen Rechte der Menschen schützt, mitzugestalten hat die Österreichische Regierung jedenfalls vertan.
Dementsprechend fällt auch das Resümee von Evelyn Regner (S&D) zur Aussprache des Bundeskanzlers im EU-Parlament am 15. Jänner 2019 aus: "Ein Europa, das schützt, braucht mehr als Zäune und Grenzschutz. Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass sie die EU auch sozial schützt“. Während sich die Grünen, linken und sozialdemokratischen Fraktionen auch die fehlenden Errungenschaften im Sozialbereich kritisieren, war die Kritik über das Verhalten in Bezug auf den Migrationspakt parteiübergreifend. Den UNO-Migrationspakt zunächst mitzuverhandeln und ihn zu loben, um ihn dann symbolträchtig als Land mit dem Ratsvorsitz nicht zu unterzeichnen, stieß bei vielen Mitgliedern des EU-Parlaments auf Unverständnis und Ärger. Kommissionspräsident Juncker meinte, er hätte sich gewünscht, die Ratspräsidentschaft und Österreich wären hier „in die richtige Richtung gegangen, statt negative Signale auszusenden“. So wird von der dritten Ratspräsidentschaft Österreichs wohl in erster Linie in Erinnerung bleiben, was nicht passiert ist.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Memorandum für ein soziales Europa
AK EUROPA: Gewerkschaftspräsidenten stellen der Ratspräsidentschaft ein schlechtes Zeugnis aus