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ZurückAls Ende April 2017 die Europäische Kommission die Europäische Säule sozialer Rechte vorstellte, war die Richtlinie zur Work-Life-Balance die einzige legislative Maßnahme in einem sonst sehr unverbindlichen Paket. Zum Richtlinienvorschlag, welcher Rechtssicherheit für Eltern und pflegende Angehörige schaffen soll, gab es diese Woche eine öffentliche Anhörung im Beschäftigungsausschuss des EP.
Konkret soll die Richtlinie sowohl für eine höhere Beteiligung der Väter bei der Kinderbetreuung als auch für positive Effekte für Frauen am Arbeitsmarkt sorgen. Der Vorschlag der Kommission sieht vor, dass ein Rechtsanspruch für Väter auf einen „Papamonat“ im Ausmaß von mindestens zehn Tagen sowie ein Anspruch auf Karenz von mindestens vier Monaten besteht, der nicht auf die Partnerin/den Partner übertragen werden kann. Außerdem soll sichergestellt werden, dass der Einkommensersatz mindestens genauso hoch ist wie das Krankengeld im jeweiligen Land. Erstmals sieht die Richtlinie auch eine Freistellung für pflegende Angehörige von fünf Tagen bei Erkrankung eines direkten Verwandten vor. Der Vorschlag räumt Eltern von Kindern bis zwölf Jahren und pflegenden Angehörigen außerdem das Recht ein, flexible Arbeitsregelungen zu beantragen.
Nachdem sich der Rat eher zurückhaltend über die Länge des Elternurlaubs und das Alter der Kinder, bis zu dem die Inanspruchnahme möglich sein sollte, gezeigt hat, beschäftigten sich nun erstmals der Frauen- und der Beschäftigungsausschuss im Europäische Parlament mit der „Work-Life Balance“. Der Richtlinienvorschlag wurde in beiden Ausschüssen über fast alle Fraktionsgrenzen hinweg sehr positiv aufgenommen: Aufgrund der Tatsache, dass Frauen europaweit auf dem Arbeitsmarkt unterrepräsentiert sind und dass bezahlte und unbezahlte Arbeit, Kinderbetreuung und Pflege abhängiger Angehöriger sehr ungleich zwischen den Geschlechtern verteilt sind, erkennen die Abgeordneten der beiden Ausschüsse die Dringlichkeit für gesetzliche Regelungen an, die die Männerbeteiligung europaweit erhöhen und so zu einer Mentalitätsänderung beitragen. Um dieses Ziel zu erreichen, da sind sich die Abgeordneten mit den ExpertInnen bei der Anhörung einig, ist es unumgänglich, dass ein gewisser Anteil des Elternurlaubs nicht übertragbar ist. Des Weiteren muss eine gewisse Höhe der Entschädigung (Lohnfortzahlung) gewährleistet sein – denn für viele Familien ist ein Verzicht auf das Gehalt des Vaters finanziell schlicht nicht möglich. Sehr kritisch wurde hingegen gesehen, dass AlleinerzieherInnen um diese für den zweiten Elternteil reservierten Monate umfallen würden.
Um eine Attraktivierung der Väterkarenz zu gewährleisten, müssten damit ein gut ausgebauter Kündigungsschutz, ein Diskriminierungsverbot sowie eine Garantie für die Rückkehr an den vorherigen Arbeitsplatz einhergehen, wurde von ExpertInnenseite vorgebracht. Besonders jene Aspekte wurden vom Arnold der Boer, Vertreter der Klein- und Mittelbetriebe, stark kritisiert. Die Richtlinie müsse die Belastungen für KMUs zuverlässig begrenzen. Vor allem die vorgesehenen flexiblen Arbeitsarrangements würden jene Betriebe vor ungeahnte Schwierigkeiten stellen.
Über die rein betriebliche Komponente hinaus wurde vom Europäischem Wirtschafts- und Sozialausschuss, der bei der Anhörung anwesend war, betont, dass künftig deutlich höhere Investitionen in die soziale Infrastruktur nötig wären – dafür sollten vermehrt Mittel aus den Europäischen Strukturfonds vorgesehen werden.
Die Vertreterinnen der S&D betonten darüber hinaus, dass ein wichtiger Aspekt über die konkrete Männerbeteiligung hinweg in der sozialen Konvergenz und Gleichstellung der Geschlechter am Arbeitsmarkt liege. Denn durch ungleiche Aufteilung der bezahlten und unbezahlten Arbeit entgingen den europäischen Volkswirtschaften bis zu 370 Mrd Euro – den Staaten in Form von Steuerentnahmen und den betroffenen Frauen nicht nur in Hinblick auf Lohn-, sondern auch auf künftige Pensionseinkünfte.
Auch die Arbeiterkammer begrüßt den Richtlinienvorschlag in ihrer Stellungnahme grundsätzlich, bspw den vorgesehenen bezahlten Vaterschaftsurlaub. Zehn Arbeitstage anlässlich der Geburt eines Kindes sind aber zu kurz, um die im Vorschlag beabsichtigten Ziele einer erhöhten Väterbeteiligung zu erreichen. Auch die Tatsache, dass ein individueller Anspruch auf bezahlte Elternzeit für beide Elternteile geschaffen und damit mehr Anreize für eine Väterbeteiligung gesetzt werden sollen, ist positiv zu bewerten. Gleichzeitig gibt es hier aber auch zu bedenken, dass der Vorschlag keine Rücksicht auf die Situation von Alleinerziehenden nimmt. Letztlich begrüßt die AK in ihrer Stellungnahme auch die vorgeschlagenen flexiblen Arbeitszeitregelungen für Eltern (mindestens bis zum 12. Lebensjahr des Kindes) und für pflegende Angehörige sowie das Recht auf Rückkehr zum ursprünglichen Arbeitsausmaß. Eine Ablehnungsmöglichkeit des Arbeitgebers bzw. der Arbeitgeberin wird allerdings kritisch gesehen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben für Eltern und pflegende Angehörige