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ZurückDiese Woche wurde im Ausschuss der Rechte der Frau und Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) des Europäischen Parlaments ein Bericht angenommen, der eine EU-weite Strategie zur Beendigung und Vermeidung des geschlechtsspezifischen Rentengefälles fordert. Und eine solche ist dringend notwendig, wie ein tieferer Blick in den Gender Pension Gap zeigt.
Der Gender Pay Gap wird alljährlich mindestens dreimal zum Thema gemacht – anlässlich der zwei Equal Pay Days, also zum einen dem Tag, gerechnet vom Jahresanfang, bis zu dem Frauen gratis gearbeitet hätten, und zum anderen an jenem Tag, ab dem sie bis Jahresende hin gratis arbeiten würden, wenn sie in der Zwischenzeit gleich viel verdient hätten, wie Männer. Und natürlich zum Weltfrauentag am 8. März. Weit weniger oft wird hingegen die ungleiche Höhe der Pensionen thematisiert, der so genannte Gender Pension Gap.
Im EU-Schnitt weisen die Pensionen von Männern und Frauen weit größere Unterschiede als den Gender Pay Gap auf, der in seiner größten berechenbaren Form, also sektorenunspezifisch und nicht nach Voll- und Teilzeit unterscheidend, für Österreich 21.7 % (2015) beträgt. Durchschnittlich weichen die Pensionsgehälter in der EU zwischen Männern und Frauen um 38 % ab. Mit einem Wert von 39 % liegt Österreich hinter Deutschland (mit 45 %), Luxemburg, den Niederlanden und dem Vereinigten Königreich auf Platz fünf der höchsten genderspezifischen Unterschiede. Diese Diskrepanzen in den Pensionen sind symptomatisch dafür, dass Frauen in Österreich, wie auch in der gesamten EU nie den gleichen Lohn für gleiche Arbeit erhalten haben, und dafür, dass Ungleichbehandlung nicht mit dem Ausstieg aus dem Erwerbsleben aufhört. Wie kommt es also dazu, dass Frauen und Männer so grob voneinander abweichende Pensionen beziehen?
Das Pensionssystem vieler europäischer Staaten basiert nach wie vor auf dem Modell des ‚männlichen Alleinverdieners', der ohne Unterbrechungen seiner Erwerbsbiographie vom jungen Alter an arbeitet. Genau das ist aber für immer weniger Menschen der Fall. Frauen, die heute in Pension sind, waren noch stärker mit einem gesellschaftlichen Modell konfrontiert, in dem sie in finanzieller Abhängigkeit ihres Ehemannes gedacht wurden. Ihre Erwerbsarbeit wurde nur als optionales Zusatzgehalt verstanden, das im Falle von Kindererziehungspflichten oder anderer Pflegetätigkeiten hintenanzustellen war. Auf Grund von Einkommensdiskriminierung haben sie zudem weniger für diese Tätigkeiten verdient, und längere Abwesenheiten vom Erwerbsleben auf Grund von Betreuungspflichten erschwerten den Wiedereinstieg. Diese lückenhaften und kurzen Erwerbsbiografien schlagen sich in deutlich niedrigeren Pensionsbezügen nieder – in fast allen EU-Ländern sind Frauen einer signifikant höheren Armutsgefährdung ausgesetzt. EU-weit sind etwa 15% der pensionsbeziehenden Frauen und 11% der pensionsbeziehenden Männer armutsgefährdet, auf Ebene einzelner Mitgliedsstaaten wie Estland, Lettland oder Bulgarien vergrößert sich dieser prozentuelle Unterschied auf über 10%. Politische Maßnahmen spielen hier eine sehr klare Rolle, und unterschiedliche Pensionsmodelle von früher zeigen sich heute in der altersspezifischen Unterschiedlichkeit der Gender Pension Gaps.
Auch wenn Frauen heute viel eher und auch länger am Berufsleben teilnehmen, gehört Teilzeitarbeit für viele Frauen, gerade für Frauen mit Betreuungspflichten, zur Erwerbsbiographie. Teilzeitbeschäftigungen schlagen sich dabei in niedrigeren Bezügen während der Beschäftigungszeit und geringeren Einzahlungen in das Sozialsystem nieder. Die ungleiche Aufteilung von Haus- und Fürsorgearbeit führt dazu, dass nach wie vor Frauen – nicht aber Männer – durch Familiengründung erwerbsbiographische Nachteile erleiden. Zudem sind Frauen in Führungspositionen immer noch unterrepräsentiert und in schlecht bezahlten und gesellschaftlich gering bewerteten Berufen im Pflege, Gesundheits-, und Bildungsbereich als Arbeitnehmerinnen überrepräsentiert: Bereiche, die im Rahmen der Austeritätspolitischen Sparmaßnahmen die meisten Kürzungen hinnehmen mussten.
All das gilt es in der nun geforderten EU-Strategie für die Beseitigung derartiger Ungleichheiten zu bedenken. Noch fehlen aber konkrete Maßnahmen, wie dies geschehen soll. Aus Perspektive der Arbeitskammer ist es jedenfalls wichtig, dass keine sofortige und alleinige Anhebung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters für Frauen eingeführt wird, denn eine Verlängerung der erforderlichen Dienstzeiten erschwert Frauen noch mehr, diese angesichts anhaltender struktureller Barrieren zu erreichen. Auch darf die Verlagerung auf private Pensionssysteme nicht vorangetrieben werden, denn ungleiches Einkommen verhindert gleiche Einzahlungen und gleiche Bedingungen für Männer und Frauen. Es braucht tiefgreifende Reformen, welche diese Barrieren entlang der gesamten Erwerbsbiographie aus den Weg räumen, Kinderbetreuungsplätze zur Verfügung stellen, die gläserne Decke sprengen und auch eine partnerschaftliche Teilung der Betreuungspflichten fordern. Bis dahin kann auf individueller Ebene die Broschüre der AK und der AK-Pensionsrechner zur Hilfe genommen werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Frauentag am 8. März - und die 364 Tage danach?
AK EUROPA: Gleicher Lohn für gleiche Arbeit - wir wollen keine 70 Jahre mehr warten!
Blog Arbeit-Wirtschaft: Anhebung vom Frauenpensionsalter als Scheindiskussion