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ZurückIn den kommenden Wochen entscheidet das Europäische Parlament, zunächst der Handelsausschuss und dann das Plenum aller Abgeordneten, über das geplante Handels- und Investitionsschutzabkommen der EU mit Vietnam. Bereits vorab warnen die Präsidentin der AK, Renate Anderl, und der Präsident des ÖGB, Wolfgang Katzian, in einem gemeinsamen Brief die EU-Abgeordneten vor den schwerwiegenden Folgen der geplanten Abkommen.
Wie bereits bei anderen Abkommen, wie CETA oder dem geplanten EU-MERCOSUR Abkommen, gibt es aus Sicht der AK mehrere essentielle Kritikpunkte. In der aktuellen Fassung verhindern die geplanten Abkommen eine faire Globalisierungspolitik und schränken den Handlungsspielraum der Mitgliedsstaaten bei wichtigen Fragen des öffentlichen Interesses ein.
Größte Gefahr droht Staaten durch das Investitionsschutzabkommen
Wie die bisher abgeschlossenen Freihandelsabkommen enthält auch das geplante Abkommen mit Vietnam höchst problematische Sonderprivilegien für Unternehmen. Diese können damit Staaten für ihre Gesetze, zB in wichtigen Bereichen wie Klimawandel und Umweltschutz, ArbeitnehmerInnen- und Gesundheitsschutz, in Millionenhöhe verklagen. Es entsteht ein intransparentes und teures paralleles Rechtssystem. Bisherige Fälle haben verdeutlicht, dass dieses Sonderklagerecht notwendige Regulierungen nicht nur nachträglich verwässert, sondern sogar vorab verhindert („regulatory chill“), weil Staaten den enormen Kosten der Schiedsverfahren zuvorkommen möchten. Gleichzeitig können diese Unternehmen aber nicht für die von ihnen verursachten Menschenrechtsverletzungen oder Umweltschäden zur Rechenschaft gezogen werden. Auch das Abkommen zwischen der EU und Vietnam fördert diese Entwicklung – zum Nachteil der Menschen und der Natur. Die AK fordert daher, dass diese Sonderklagerechte gestrichen werden.
Menschen- und Umweltrechte werden immer mehr aufgeweicht
Zusätzlich dazu ist auch hier das Nachhaltigkeitskapitel nicht sanktionierbar, denn es unterliegt nicht dem allgemeinen Streitbeilegungsverfahren des EU-Vietnamabkommens. Dies trifft vor allem Frauen im globalen Süden stark, die von schlechten Arbeitsbedingungen besonders negativ getroffen werden. Zudem hat Vietnam nur sechs der acht ILO-Kernarbeitsnormen ratifiziert. Sowohl die Pressefreiheit als auch die Gewerkschaftsarbeit steht in Vietnam massiv unter Druck. Die AK fordert daher einerseits durchsetzbare Nachhaltigkeitskapitel und andererseits, dass Vietnam vorab alle Kernarbeitsnormen ratifizieren muss. Verstöße gegen international anerkannte Arbeits- und Umweltstandards müssen mittels Handelssanktionen außerdem wirksam geahndet werden. Auch Unternehmen müssen hier aus Sicht der AK in die Pflicht genommen werden: Entlang ihrer Wertschöpfungskette müssen sie Menschenrechts-, Sozial- und Umweltstandards einhalten.
Grundsätzlich müssen vor allem Arbeits-, Umwelt- und KonsumentInnenschutzstandards aus einer allfälligen Regulierungskooperation zwischen der EU und Vietnam ausgeschlossen werden. Aus Sicht der AK ist zudem sicherzustellen, dass das Vorsorgeprinzip nach EU-Recht verbindlich verankert wird, um EU-BürgerInnen effektiv schützen zu können. Nach dem Vorsorgeprinzip ist nämlich bereits die Indikation der Gefahr ausreichend, damit Verbote verhängt werden können. Konkret heißt das, dass nicht die Betroffenen nachweisen müssen, dass es wissenschaftlich gesehen keine Gefahr für Menschen oder die Natur gibt, sondern die Unternehmen. Zudem müssen auch Dienstleistungen von öffentlichem Interesse, einschließlich öffentlicher Aufträge und Konzessionen, vollständig vom EU-Vietnam Handelsabkommen ausgeschlossen werden. Liberalisierungen durch die Hintertür von essentiellen Leistungen der Daseinsvorsorge dürfen durch das EU-Vietnamabkommen nicht gefördert werden.
Wie geht es weiter?
Zunächst wird der Handelsausschuss des Europäischen Parlaments am 21. Jänner über die vorliegenden Abkommen zwischen der EU und Vietnam abstimmen. Im Februar wird diese Entscheidung im Plenum des Europäischen Parlaments diskutiert und endgültig abgestimmt. Ratifiziert das Europäische Parlament das Handelsabkommen, kann es relativ schnell in Kraft treten. Für das Investitionsschutzabkommen müssen die Mitgliedsstaaten ihre Zustimmung erteilen. Ratifiziert das Europäische Parlament die Abkommen nicht, muss die Europäische Kommission nachbessern.
Weiterführende Informationen:
PräsidentInnenbrief AK-ÖGB zum Vietnam Handels- und Investitionsschutzabkommen
AK EUROPA Positionspapier zum MIC
AK EUROPA: EU-Handelspolitik: Erwartungen für die neue Legislaturperiode