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Mit der vorläufigen Anwendung geht das Freihandelsabkommens zwischen der EU und Kanada am 21. September in die letzte Etappe. Währenddessen wird in Brüssel bereits über die Architektur von zukünftigen Abkommen debattiert. Eine Schwerpunktsetzung auf Sozial- und Umweltstandards, sowie eine grundlegende Überarbeitung der in den Verträgen verankerten Investitionsschiedsgerichte, wird dabei ausgespart.

 

Kommende Woche, am 21. September tritt das umstrittene Freihandelsabkommen CETA vorläufig in Kraft. Um vollumfänglich implementiert werden zu können, ist jedoch die Zustimmung aller nationalen Parlamente der EU-Mitgliedsstaaten notwendig. Diese finale Phase wird voraussichtlich alles andere als ruhig verlaufen. Am 06. September übermittelte die belgische Regierung eine Anfrage für ein Gutachten zur Vereinbarkeit des Investment Court Systems (ICS) mit den europäischen Verträgen an den EuGH. Die neue Investitionsgerichtsbarkeit war im Laufe der CETA-Verhandlungen ein äußerst streitbarer Punkt, weil sie sich nicht grundlegend von alten Investitionsschutzverfahren unterscheidet. Die Skepsis ist berechtigt: Ausländische InvestorInnen werden bevorzugt, weil sie durch das ICS den ordentlichen Rechtsweg umgehen können. Außerdem werden ICS-RichterInnen nach Anzahl beziehungsweise Dauer der Verfahren bezahlt, was einen Interessenkonflikt schafft.

 

Ebenfalls vergangene Woche wurde der Bericht einer - von der französischen Regierung beauftragten - ExpertInnengruppe zu CETA veröffentlicht. Die Erkenntnisse der Untersuchung über mögliche Auswirkungen des Vertrages unterstreichen die Befürchtungen der KritikerInnen. Die ExpertInnen kommen zu dem Schluss, dass Investitionsschiedsgerichte kein notwendiger Teil des Vertrages hätten sein müssen, die Regulierungskooperation durchaus zur Absenkung von Produktqualitäts-, Sozial- und Umweltstandards führen, sowie die Festschreibung des Vorsorgeprinzips nicht garantiert werden kann.

 

Das vorläufige Inkrafttreten CETAs fällt mit der generellen Diskussion über die zukünftige Ausgestaltung der EU-Handelsabkommen zusammen. Spätestens seit dem EuGH-Urteil zum Freihandelsabkommen mit Singapur ist klar, dass Verträge dieser Art nur mit Zustimmung der nationalen Parlamente endgültig ratifiziert werden können. Das Urteil charakterisiert demnach jene Freihandelsabkommen, die über ein Investitionsschutzkapitel verfügen, als sogenannte gemischte Abkommen. Eine Ratifizierung kann also nicht alleine auf EU-Ebene entschieden werden. Dies stellt jedoch für die Pläne der Kommission, in Zukunft Handelsverträge schneller abschließen zu können, ein Hindernis dar. Laut Kommission gibt es zwei Möglichkeiten: zum einen könnten die Verträge in zwei Teile gespalten werden („Split Agreement“). Hierbei beinhalten die Abkommen zunächst nur jene Kapitel, die ausschließlich auf EU-Ebene zu ratifizieren sind. Zu einem späteren Zeitpunkt können Inhalte, die die Zustimmung der nationalen Parlamente aller Mitgliedsstaaten benötigen, verhandelt und ratifiziert werden. Zum anderen könnte als eine weitere Option zur Beschleunigung des Ratifizierungsprozesses, die Übertragung der Entscheidungsbefugnis der nationalen Parlamente auf die EU-Ebene angedacht werden. Die jeweiligen Parlamente müssten zu Beginn der Handelsverhandlungen darüber entscheiden, ob sie ihr Entscheidungsmandat zu Punkten, wie z.B. den scharf kritisierten Investitionsschiedsgerichten, auf die Kommission übertragen.

 

Gerade in Hinblick auf die Diskussion, wie man als Europäische Union die Globalisierung erfolgreich meistern sollte, bedeuteten möglichst rasche Abschlüsse von Freihandelsverträgen für die Kommission einen wesentlichen Vorteil. Aus Sicht der ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen ist dies jedoch äußerst kritisch zu sehen. So besteht einerseits die Gefahr, weitreichende Verträge im Schnelldurchlauf mit unzureichender demokratischer Legitimierung abzusegnen, ohne einen ausreichenden Diskurs über negative Auswirkungen der Abkommen zu führen und auf diese einzuwirken. Andererseits ist eine Debatte über die „künftige Architektur“ von Abkommen, die zwar auf eine schnelle Durchsetzung abzielt, jedoch eine Verbesserung von Sozial- und Arbeitsstandards ausspart, bzw. nach wie vor privilegierte Klagsrechte für InvestorInnen vorsieht, stark verkürzt.

 

Kommissionspräsident Juncker wies in seiner Rede zur Lage der Union nochmals auf die Bedeutung des Freihandels in einer globalisierten Welt hin. Seines Erachtens nach könnten gerade europäische Standards im Sozial- und Umweltbereich mit Handelsabkommen in die Welt exportiert werden. Die bisherigen EU Handelsabkommen, die Nachhaltigkeitskapitel enthalten – beispielsweise jenes mit Südkorea – zeichnen jedoch ein ganz anderes Bild.

 

Ebenfalls zu abzuwarten bleibt, wie die Mitgliedsstaaten mit der von Juncker angekündigten erhöhten Transparenz verfahren werden: So sollen sämtliche Kommissionsvorschläge von Verhandlungsmandaten veröffentlicht werden – bei CETA wurde das lange Zeit verhindert. Die AK hat bereits in der Vergangenheit immer wieder die fehlende Transparenz bei den Verhandlungen zu Freihandelsabkommen kritisiert.

 

Handelskommissarin Malmström präsentierte unterdessen ein Paket an Vorschlägen für die zukünftige Ausrichtung der EU-Handelspolitik. Während aktuelle Verhandlungen zu Handelsverträgen rasch zu einem Abschluss geführt werden sollten, starten die Verhandlungen mit Australien und Neuseeland, deren Verhandlungsmandate diese Woche veröffentlicht wurden. Im Unterschied zu anderen Freihandelsabkommen der neuen Generation, werden die Verträge mit beiden Staaten zunächst kein Investitionsschutzkapitel beinhalten, und sind daher sogenannte „split agreements“. Dadurch hat die EU die alleinige Kompetenz zur Ratifikation der Verträge. Der Investitionsschutz in beiden Freihandelsabkommen wird voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt, unter Berücksichtigung der Entscheidungsbefugnisse der nationalen Parlamente der Mitgliedsstaaten, verhandelt. Darüber hinaus hält die Kommission unter Malmström nach wie vor an der Etablierung eines sogenannten Multilateral Investment Courts (MIC) fest. Dieser Gerichtshof soll über Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und InvestorInnen, die die Zuständigkeit des MICS in bilateralen Handelsabkommen vereinbart haben, entscheiden.

 

Weiterführende Informationen:

AK-Studie: Making Sense of CETA

AK EUROPA: Reflexionspapier der Kommission: Globalisierung meistern

AK EUROPA: Internationale Handelsabkommen – Keine Verschnaufpause in Sicht

AK-Positionspapier: Multilaterale Reform der Investitionsschiedsgerichtsbarkeit

AK-Broschüre: Keine Sonderklagerechte für Konzerne