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Die Kommission gibt ein straffes Tempo für bereits begonnene sowie zukünftige Handelsabkommen vor. Manche sollen, wenn es nach der Kommission geht, noch in diesem Jahr abgeschlossen werden – viel Raum also für zivilgesellschaftliche Beteiligung.

 

Das Freihandelsabkommen mit Japan steht kurz vor dem Abschluss; Abkommen mit Mexiko und den Mercosur-Staaten sollen noch in diesem Jahr finalisiert werden. Verhandlungen mit Indonesien, Tunesien, den Philippinen und Myanmar werden weiter forciert; mit Malaysia hofft man die derzeit pausierten Gespräche bald wieder aufzunehmen; für Australien, Neuseeland und Chile bereitet die Kommission momentan ein Verhandlungsmandat vor, dass vom Rat beschlossen werden soll und für das nicht unumstrittene Abkommen mit der Türkei wartet die Kommission ebenfalls auf eine Entscheidung des Rats über ein Verhandlungsmandat. Auch das im Februar vom Europaparlament abgesegnete Abkommen mit Kanada (CETA) tritt wohl bald vorläufig in Kraft, nachdem es nun von den kanadischen Institutionen abgesegnet wurde. Die Kommission wollte hier jedoch noch kein genaueres Datum nennen, die letzten, zur Anwendung notwendigen, Texte würden im Moment ausgetauscht und fertig gestellt.

 

Trump und seine noch immer sehr unklare Außenhandelspolitik schaffen derzeit günstige Rahmenbedingungen für die EU, um Abkommen mit anderen Ländern voranzutreiben – auch als Zeichen gegen Protektionismus, wie die Kommission nicht müde wird zu betonen. In einer globalisierten und offenen Welt brauche es „freien und fairen Handel“, der auf den internationalen Rahmenbedingungen der WTO aufbaue, sagte EU-Handelskommissarin Malmström beim Zivilgesellschaftlichen Dialog und im Handelsausschuss des Europaparlaments, die beide diese Woche stattfanden.

 

Doch wie fair ist der Außenhandel der EU wirklich? Diese Frage stellt sich nicht nur angesichts fehlender Sanktionsmöglichkeiten für Verstöße gegen Arbeits- und Umweltstandards immer wieder. Eine Studie der Universität Warwick zeigt zudem auch, dass Nachhaltigkeitskapitel bei den Verhandlungen häufig nur eine untergeordnete Rolle spielen. Darüber hinaus sind die vorgesehenen zivilgesellschaftlichen Beteiligungsstrukturen (sogenannte Domestic Advisory Groups und biregionale Civil Society Foren) zur Überwachung von Arbeitsstandards in Partnerländern oft mit zu wenigen Ressourcen ausgestattet sind, finden nur unregelmäßig statt, haben wenig Einflussmöglichkeiten und Beteiligte sind sich ihrer Rolle teilweise nicht bewusst.

 

Auch auf EU-Ebene ist die Einbindung der Zivilgesellschaft ein zweischneidiges Schwert. Einerseits finden VertreterInnen unterschiedlicher Interessensgruppen Gehör und können so immer wieder auf die fehlende und mit Sanktionen zu belegende Verankerung von umfassenden und adäquaten Sozial- und Umweltstandards hinweisen und deren Umsetzung fordern. Kritik an Investitionsschiedsgerichten, die InvestorInnen privilegierte Rechte gegenüber Staaten und Zivilgesellschaft einräumen, kann auch geäußert werden. Andererseits jedoch, bieten die Treffen zwischen Zivilgesellschaft und Kommission auch Raum für die Interessen einzelner Industrien, deren Anmerkungen und Kritik im Vergleich zu Anregungen der VertreterInnen von ArbeiterInnen und Umwelt deutlich häufiger zu Wort kommen, wie LobbyControl beim Zivilgesellschaftlichen Dialog am 29. Mai anmerkte. WirtschaftslobbyistInnen genießen generell noch immer einen besseren Zugang zur Kommission.

 

Zu hoffen bleibt daher, dass das von Malmstöm noch für dieses Jahr angekündigte Diskussionspapier zu den Nachhaltigkeitskapiteln eine kritische Evaluierung vornimmt, und auch Sanktionen für Nichteinhaltung von Arbeits- und Sozialstandards sowie durchsetzungsfähige zivilgesellschaftliche Beteiligungsstrukturen etabliert. Gerade vor dem Hintergrund des am 16. Mai veröffentlichten Urteils des EuGHs über die Kompetenzen der EU im Bereich Handel, das (überraschenderweise) ebenfalls die Nachhaltigkeitskapitel in vollem Umfang enthält, müssen die Entwicklungen genau verfolgt werden. Auch die aktuell im Europaparlament diskutierten Berichtsentwürfe zu Wertschöpfungsketten und deren Auswirkungen sowie zur umfassenderen Berücksichtigung der Geschlechterdimension von Handelsabkommen können, sollten sie ihre ehrgeizigen Ziele erreichen, ein wichtiges Zeichen für regulierten Freihandel setzen. Nur so kann ein Schritt hin zu einer aktiven Gestaltung der Globalisierung und einen tatsächlich fairen Handel stattfinden.

 

Weiterführende Informationen:

Übersicht über die derzeitigen Handelsverhandlungen der Kommission

Lobbying in Brüssel – die Übermacht der Konzerne