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ZurückDie europäische Handelskommissarin Cecilia Malmström wird voraussichtlich am 1. Dezember ihr Amt an den Iren Phil Hogan übergeben. Ihr ist es zu verdanken, dass die Auswirkungen des EU-Außenhandels auf Frauen stärker beleuchtet wurden. Nun liegt es aber am neuen Kommissar, die bestehenden Ungleichheiten auch tatsächlich zu bekämpfen.
Der internationale Handel mit Gütern und Dienstleistungen betrifft uns alle, sowohl im privaten Bereich als auch in der Arbeitswelt. Umso erstaunlicher ist es, dass weniger als die Hälfte der europäischen Arbeitsplätze, die vom Handel abhängen, von Frauen besetzt sind. Gemäß einer aktuellen Studie der Europäischen Kommission sind es genau 38 %. Insgesamt ist also im Handelsbereich der Frauenanteil um acht Prozentpunkte geringer als im Durchschnitt zur Gesamterwerbstätigkeit in den untersuchten Ländern. Gesamt arbeiten laut EK über 13,5 Millionen Frauen in der EU in Jobs, die vom EU-Außenhandel abhängig sind.
Die europäische Handelspolitik und ihre Auswirkungen werden dennoch oft als genderneutral verstanden, doch der positive oder negative Einfluss, den der internationale Handel auf Männer und Frauen in unterschiedlicher Weise hat, hängt in erster Linie davon ab, in welchen Sektoren sie arbeiten. Die Hauptarbeitsbereiche von weiblichen Beschäftigten in Europa mit Bezug zu EU-Außenhandel sind in der Administration, unterstützende Dienstleistungen und im Großhandel. Zwar ist die Anzahl der niedrigqualifizierten zugunsten von höher qualifizierten Arbeitsplätzen zurückgegangen, doch befinden sich immer noch Zwei Drittel der weiblichen Beschäftigten im mittel- und niedrigqualifizierten Bereich. Auch die Studie der Europäischen Kommission bestätigt, dass der Zugang zu hochqualifizierten Jobs für Frauen schwieriger ist als für Männer. Im Vergleich zu Frauen in anderen Sektoren verdienen europäische Frauen im Handel zwar 13 % mehr Gehalt, aber im Vergleich zu ihren männlichen Kollegen immer noch um 4 % weniger. Der gender pay gap besteht somit auch hier, selbst wenn er kleiner ist als in anderen Sektoren.
Frauen im globalen Süden werden laut dem Europäischen Gewerkschaftsinstitut sogar überproportional negativ getroffen: Handelsabkommen führen in Niedriglohnländern gerade in Exportbranchen, die wenig Qualifikationen erfordern, vielfach zu einer Feminisierung der Beschäftigung, die allzu oft mit weniger Gehalt, längerer Arbeitszeit und Ausbeutung verbunden ist. In Bangladesch sind zum Beispiel 80 % der TextilarbeiterInnen weiblich, sehr jung und ohne gewerkschaftliche Unterstützung – und damit ungeschützt gegenüber den gefährlichen Arbeitsbedingungen. Gleichzeitig werden in technischeren Herstellungsstufen mit besseren Bedingungen und Gehältern die Anzahl der Frauen geringer. Das Europäische Parlament hatte sich bereits 2017 der Thematik der „geschlechterblinden“ Handelsabkommen gewidmet und einen verstärkten Fokus auf die Geschlechterperspektive verlangt. In den aktuellen Verhandlungen zwischen der EU und Chile über ein Handelsabkommen wurde dies aufgegriffen und ein spezifischer Abschnitt zur Förderung der Gleichstellung im Nachhaltigkeitskapitel inkludiert. Doch hier verweist die Internationale Arbeitsorganisation (International Labour Organisation ILO) darauf, dass selbst wenn die Zahl der Jobs steigt, dies noch lange nicht heißt, dass diese durch die Handelsabkommen entstehen oder gar angemessene Bedingungen und Löhne mit sich bringen.
Aus Sicht der AK ist kritisch zu sehen, dass viele der Bemühungen der EU Kommission nicht auf Arbeiterinnen und weibliche Angestellte, also den Großteil der betroffenen Frauen abzielen, sondern der Fokus auf Unternehmerinnen legt. So wurde bei der im September 2019 stattgefundenen „Trade for her“ Veranstaltung der Generaldirektion Handel mehrmals betont, dass Klein- und Mittelunternehmen durch Handelsverträge gestärkt werden müssten, denn dadurch würden auch Unternehmerinnen im Handel gestärkt werden. Vollkommen ausgeblendet wurde dabei die Lebensrealität von Nicht-Geschäftsführerinnen von KMUs, obwohl diese den Großteil des Frauenanteils von 38 % im EU-Außenhandel ausmachen. Die Lebensrealität der Mehrheit der Frauen in Europa und im globalen Süden in Handelsabkommen auszublenden führt zu signifikanten negativen Effekten für Frauen: schlechte Arbeitsbedingungen, Ausbeutung, fehlende Sicherheitsstandards und Gesundheitsschädigungen genauso wie unfaire Gehälter, fehlende Aufstiegsmöglichkeiten und steigende Ungleichheit innerhalb von Ländern und Branchen.
Es bleibt also noch viel zu tun, um die europäische Handelspolitik für Frauen in Europa gleichberechtigt zu gestalten und noch mehr, um Frauen in den Partnerländern gleiche Chancen zu geben. Es ist zu hoffen, dass der künftige Handelskommissar Phil Hogan dies vorantreiben wird. In seinem Hearing hatte er zumindest bekräftigt, sich der Gleichstellung im und durch Handel widmen zu wollen.
Weitere Informationen
AK EUROPA: Warum Handelsabkommen zukünftig die Geschlechterdimension mitberücksichtigen sollen
FEMM-Ausschuss des EU-Parlaments: Gender Equality in Trade Agreements
ETUI: The impact of trade and investment agreements on decent work and sustainable development
EU-Kommission: Female Participation in EU exporting activities: Jobs and Wages
EU Parlament: The EU trade policy: from gender-blind to gender-sensitive?