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ZurückAm 27. Jänner standen Exekutiv-Vizepräsident Valdis Dombrovskis, Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni sowie der Kommissar für Beschäftigung und Soziales, Nicolas Schmit, den Mitgliedern des Wirtschafts- und Währungsausschusses sowie des Beschäftigungsausschusses im Europäischen Parlament Rede und Antwort.
Anlass des Dialoges war das am 17.12.2019 vorgelegte Herbstpaket, das unter anderem aus der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum 2020 und dem Vorschlag für den Gemeinsamen Beschäftigungsbericht 2020 besteht. Das Herbstpaket markiert den Start des Zyklus des Europäischen Semesters – letzteres stand neben der Finanzierung des Europäischen Grünen Deals im Fokus des Dialogs. Aber auch die größeren Linien der wirtschaftspolitischen Ausrichtung der EU blieben nicht unbehandelt, etwa das Zusammenspiel zwischen grüner Wende, Wettbewerbsfähigkeit und sozialer Gerechtigkeit.
Eingangsstatements der Kommissare
Der Exekutive Vize-Präsident Dombrovskis hob zunächst das anhaltende Rekordhoch der Beschäftigungszahlen innerhalb der EU hervor, das, so räumte er ein, allerdings nicht alle Mitgliedsstaaten gleich erfasse. Wie auch in der Jährlichen Strategie für nachhaltiges Wachstum 2020 dargelegt, müsse das nachhaltige und inklusive Wachstumsmodell der EU auf vier Leitmotive fußen: Umwelt, Produktivität, Stabilität und Gerechtigkeit. Paolo Gentiloni, EU-Wirtschaftskommissar, stellte die Neuerungen im Europäischen Semester vor, etwa die Integration der Ziele für nachhaltige Entwicklung in das Europäische Semester und damit auch in die Länderspezifischen Empfehlungen. Gentiloni kritisierte die Haushaltsüberschüsse der Mitgliedsstaaten, die besser für notwendige Investitionen genutzt werden müssen. Mit Verweis auf den noch nicht bestätigten Beschäftigungsbericht verwies auch Kommissar Schmit auf die positive Bilanz der Beschäftigungszahlen. Bezüglich der sozialpolitischen Baustellen führte Schmit sowohl den resistenten Gender Pay Gap als auch stagnierende Löhne und Lücken in den sozialen Sicherungssystemen an. Mit Hinblick auf den Europäischen Grünen Deal betonte er die Wichtigkeit der europäischen Aus- und Weiterbildungspolitik, an der er arbeiten wolle. Die Kommissare unterstrichen mehrmals, dass ökologische und soziale Nachhaltigkeit Hand in Hand gingen, und dass die sozialpolitische Agenda untrennbar mit den Anstrengungen zur grünen Wende verflochten sei.
Goldene Investitionsregel und haushaltspolitischer Spielraum
Öffentliche Investitionen spielen eine tragende Rolle in den Finanzierungsplänen des Green Deals. In den Fragerunden waren sich die Abgeordnete mehrheitlich einig darüber, dass zu wenige Investitionen getätigt werden. Restriktive – und vertraglich festgesetzte - Haushaltsregeln bremsen ebendiese Investitionen und verringern den Handlungsspielraum beträchtlich. Auf die Frage, wann die „Zwangsjacke der Haushaltsregeln“ beispielsweise durch Anwendung der goldenen Investitionsregel abgestreift werden könne, verwies Dombrovskis auf die laufenden Arbeiten und räumte ein, dass es vereinfachte Regeln bräuchte.
„Es wird kein Tauschgeschäft geben“
Besonders die geplante Ko-Finanzierung des Fonds für den gerechten Übergang mit Mitteln des Europäischen Sozialfonds oder des Kohäsionsfonds ist vielen Abgeordneten ein Dorn im Auge. Kommissar Schmit verdeutlichte, dass es kein Tauschgeschäft geben werde und der Kommission die Wichtigkeit des Europäischen Sozialfonds bewusst sei. Überdies könnte eine sozial nachhaltig gestaltete grüne Wende nur durch ein Zusammenspiel von allen verfügbaren Mitteln gelingen. Zum Thema eines europäischen Mindestlohnes verwies Schmit auf die gestartete Konsultation und räumte ein, dass der Mindestlohn kein Allheilmittel sei. Kollektivverträge müsse das wichtigste Instrument zur Lohnfindung bleiben und die Kommission müsse Länder mit schwacher Tarifbindung vermehrt unterstützen. Letztlich bestimme weiterhin die Europäische Säule sozialer Rechte den Fahrplan für die zukünftige Sozialpolitik.
Abgeordnete setzen Themen
Die Arbeitsmarktintegration von Menschen mit Behinderung, Energiearmut und die Wohnungsnot wurde von mehreren ParlamentarierInnen besonders betont. Valdis Dombrovskis verwies auf die Investitionsempfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters, die Mitgliedsstaaten immer wieder zu mehr Anstrengungen in der Verfügbarkeit von erschwinglichem Wohnraum auffordere. Alle Kommissare unterstrichen den Grundkonsens der Kommission, alle Menschen in ihren Politiken mitzudenken und einzuschließen. In diesem Kontext sei auch die Neuauflage der Europäischen Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen gedacht, die in den Zuständigkeitsbereich von Helena Dalli fällt.
Zustimmung, aber auch Skepsis der Abgeordneten
Auch wenn sich die Pläne der Kommission auf dem Papier gut lesen und Zustimmung der Abgeordneten erfahren, schwingt Skepsis darüber mit, wie die positiven Ziele miteinander vereinbart werden können, vor allem ohne zusätzliche finanzielle Ressourcen. Abgeordnete der linken GUE/NGL fanden deutliche Worte für die „Rolle rückwärts“ der Kommission in Sachen Kollektivverträge und soziale Sicherung. Die Abgeordneten kritisierten, dass im Zuge der Euro-Krise und der Troika soziale Sicherungssysteme und funktionierende Kollektivverträge durch auferlegte Sparmaßnahmen zerstört wurden.
Weitere Informationen:
Gemeinsame Sitzung des Beschäftigungs- und Wirtschaftsausschusses im Europäischen Parlament
AK EUROPA: Finanzierungsvorschlag des European Green Deal vorgestellt
AK EUROPA: Auf dem Weg zu einem nachhaltigen Europa bis 2030