Nachrichten
ZurückAm 14. Jänner 2020 hat die EU-Kommission eine Mitteilung über die Schaffung eines starken sozialen Europas im Rahmen des gerechten Übergangs („just transition“) vorgelegt. Auch die erste Phase der Sozialpartner-Konsultation zur Frage gerechter Mindestlöhne wurde mit diesem Tag eingeleitet.
In der neuen Mitteilung legt die Kommission dar, wie die Sozialpolitik dazu beitragen soll, die gegenwärtigen Herausforderungen zu bewältigen. Bei der Präsentation der Mitteilung wies Sozialkommissar Nicolas Schmit darauf hin, dass Europas innovative und inklusive soziale Marktwirtschaft die Menschen in den Mittelpunkt stellen müsse und sprach die Notwendigkeit angemessener Einkommen und hochwertiger Arbeitsplätze an. Zur Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) wird eine bis November laufende öffentliche Konsultation gestartet und für 2021 ist ein Aktionsplan angekündigt.
Im Anhang der Mitteilung sind geplante Kommissionsinitiativen zur Stärkung des sozialen Europas für die Jahre 2020 und 2021 genannt. Neben den unten angeführten Initiativen sind etwa auch die geplanten Maßnahmen zum Green Deal, der Digital Services Act sowie die industriepolitische und KMU-Strategie, in welche anscheinend auch die ESSR stärker einfließen soll:
2020:
- Erste Phase der Sozialpartner-Konsultation für gerechte Mindestlöhne
- Europäische Gleichstellungsstrategie und Maßnahmen für verbindliche Lohntransparenz
- Aktualisierte Kompetenzagenda für Europa
- Demografiebericht
- Verstärkte Jugendgarantie
- Aktualisierter Aktionsplan zur digitalen Bildung
- Gipfel zum Thema Plattformarbeit
- Europäischer Bildungsraum
- Grünbuch zum Thema Altern
- Europäischer Plan zur Krebsbekämpfung
- Initiative zur Gleichstellung und Inklusion der Roma
- Europäische Arbeitslosenrückversicherung
2021:
- Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte
- Garantie gegen Kinderarmut
- Aktionsplan für die Sozialwirtschaft
- Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen
- Langfristige soziale Perspektive für ländliche Gebiete
Zahlreiche politische Ausrichtungen in der neuen Kommissionsmitteilung sind aus Sicht der AK zu begrüßen, etwa der Fokus auf soziale Gerechtigkeit als Fundament der europäischen sozialen Marktwirtschaft sowie Wohlstand und höchste Lebensstandards als Ziele. Zudem werden die UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung als zentrale Ausrichtung betont.
Diese Zieldarstellung unterscheidet sich merkbar von der politischen Ausrichtung der EU in den Jahren ab 2010, als die EU-Politik primär auf restriktive Austeritätspolitik und Druck in Richtung einer Schwächung von Arbeitsrechten und Lohnzurückhaltung ausgerichtet war. Die neue Ausrichtung enthält Schritte in die richtige Richtung, die die AK begrüßt. Sie muss sich jedoch auch in ambitionierten konkreten Maßnahmen niederschlagen und darf sich nicht in Widersprüchen verfangen.
Aus AK-Sicht wichtige Projekte für ein soziales Europa fehlen bis jetzt noch in der Liste zukünftiger Vorhaben, so etwa EU-Mindeststandards in der Arbeitslosenversicherung, eine EU-Rahmenrichtlinie mit Mindeststandards für nationale soziale Mindestsicherungen, die Einführung der Golden Rule für öffentliche Investitionen oder ein Pakt für sozialen Fortschritt. Von grundlegender Bedeutung wäre auch eine Kurskorrektur bei der pensionspolitischen Ausrichtung der EU in Richtung einer Stärkung öffentlicher, solidarischer Pensionssysteme.
Sozialpartner-Konsultation zu Mindestlöhnen
Das neue Konsultationspapier der Kommission zu Mindestlöhnen stellt eingangs fest, dass Mindestlöhne wichtig sind und verweist auf das Problem steigender Armut trotz Erwerbstätigkeit und wachsender Lohnungleichheiten in der EU. Besonders betroffen sind häufig Frauen, ArbeitnehmerInnen mit niedrigerem Bildungsniveau, Menschen mit atypischen Verträgen sowie der Dienstleistungssektor. Vor diesem Hintergrund erachtet die EU-Kommission eine EU-Initiative zu gerechten Mindestlöhnen als notwendig. Die genaueren Inhalte sind bislang offen, auch welche Rechtsform die Initiative haben soll. In einem ersten Schritt wurde nun die erste Phase der SozialpartnerInnen-Konsultation gestartet.
ÖGB-Präsident Wolfgang Katzian begrüßte den Vorstoß der EU, wies aber darauf hin, dass der zentralen Bedeutung von Kollektivverträgen (KV) und starken KV-Systemen in dem Papier nicht ausreichend Gewicht verliehen wurde. Er wies auch auf rote Linien der Gewerkschaften hin: Etwa dürfe es dem Europäischen Gerichtshof nicht durch die Hintertür ermöglicht werden, in nationale KV-Systeme einzugreifen.
Weiterführende Informationen:
Mitteilung: Ein starkes soziales Europa für einen gerechten Übergang
Kommissions-Presseaussendung zur Mitteilung
Erste Phase der Sozialpartner zu gerechten Mindestlöhnen
ÖGB-Presseaussendung: Schwieriger Kampf für faire Löhne in Europa
EGB-Presseaussendung zu Mindestlöhnen