Nachrichten
ZurückAm 15. September 2021 hielt Kommissionspräsidentin von der Leyen ihre mit Spannung erwartete zweite Rede zur Lage der Union, mit der sie einen Überblick über die Prioritäten der EU Kommission in den nächsten zwölf Monaten gab. Obwohl viele Ankündigungen der Kommissionspräsidentin grundsätzlich positiv zu bewerten sind, blieb von der Leyen vor allem im Bereich Arbeit und Soziales klare Ankündigungen und Verbesserungsvorschläge schuldig.
Zu Beginn ihrer Rede beschwor Kommissionspräsidentin von der Leyen die Erfolge des vergangenen Jahres bei der Bekämpfung der Covid-19 Pandemie und deren sozioökonomischen Folgen. Dementsprechend steht die Gesundheitspolitik auch weiterhin ganz oben auf der europäischen Agenda. Hierbei will die EU eine neue Behörde namens HERA (Health Emergency Preparedness and Response Authority) einrichten, um in Zukunft schneller und effektiver auf gesundheitliche Notlagen reagieren zu können. Außerdem will die Kommission Corona-Impfungen in Europa als auch weltweit beschleunigen. Ein wichtiger Schritt wäre hierbei eine Aussetzung des TRIPS Abkommens, um den Impffortschritt vor allem in den Ländern des Globalen Südens voranzutreiben.
Economic Governance in der EU
„Wir haben die Lehren aus der Vergangenheit gezogen“, so von der Leyen in Bezug auf die Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09. Statt wie damals auf Austerität zu setzen, wurden als Reaktion auf die Covid-19 Pandemie umfangreiche Investitionen im Rahmen des NextGenerationEU Programmes angestoßen. Außerdem stellte von der Leyen Anpassungen der Economic Governance in Aussicht, bei welcher aus Sicht der Arbeiterkammer klarer Reformbedarf besteht. In diesem Sinne gibt es verhaltene Anzeichen für eine Abkehr von dem Primat der Sparpolitik im Rahmen des Stabilitäts- und Wachstumspakts, welcher gerade in Südeuropa zu massiven Einsparungen im Bereich der Gesundheits- und Sozialpolitik geführt hatte.
Digitalisierung und das neue europäisches Chips-Gesetz
Auch die Wichtigkeit bei der digitalen Transformation nicht ins Hintertreffen zu geraten, betonte von der Leyen von neuem. Hierbei betonte die Kommissionspräsidentin ausdrücklich die zentrale Rolle der Halbleiter-Produktion für die technologische Souveränität der Union. Um die Versorgungssicherheit in diesem Zusammenhang sicherzustellen und Abhängigkeiten von ausländischen Anbieter:innen zu reduzieren, kündigte von der Leyen ein europäisches Chips-Gesetz an.
Green Deal & Klima-Sozialfonds
Neben dem digitalen Wandel findet sich außerdem die ökologische Transformation im Rahmen des Green Deal auf der Prioritätenliste der EU-Kommission. So soll die Finanzierungslücke bei Klimaschutzmaßnahmen geschlossen werden. Von der Leyen kündigte in diesem Zusammenhang an, die finanziellen Mittel zur Erhaltung der Biodiversität zu verdoppeln sowie 4 Milliarden Euro für globale Klimaschutzmaßnahmen bereitzustellen. Außerdem bekannte sich von der Leyen ein weiteres Mal zur Einrichtung eines Klima-Sozialfonds, der im Juli 2021 Rahmen des Fit for 55-Pakets vorgestellt wurde und zum Ziel hat, den ökologischen Wandel sozial gerecht zu gestalten.
ALMA – Erasmus für Jugend ohne Arbeit
Des Weiteren ist eine an Erasmus angelehntes Programm namens ALMA geplant, welches jungen Menschen die Möglichkeit bieten soll, Berufserfahrung in anderen Mitgliedsstaaten zu sammeln. Obzwar diese Initiative grundsätzlich zu begrüßen ist, bleiben grundlegende Herausforderungen im Bereich der (Jugend-)Arbeitslosigkeit unerwähnt. Es bleibt zu hoffen, dass ALMA keine unbezahlten Praktika und prekäre Arbeitsbedingungen fördert, welche bereits jetzt allzu häufig sind.
Menschenrechte und Gewalt gegen Frauen
Klare Vorhaben präsentierte von der Leyen bei der Wahrung der Menschenrechte im globalen Produktionsprozess. So sollen in Zwangsarbeit hergestellte Produkte in der EU verboten werden. Eine konkrete Ankündigung gab es außerdem bei der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen; hier wird die Kommission noch Ende dieses Jahres einen Vorschlag für eine Richtlinie vorlegen.
Das Fehlen der sozialen Dimension
Bis auf ein paar wenige konkrete Vorschläge, sind klare Bemühungen der EU-Kommission im Bereich Arbeit und Soziales zu vermissen. Zwar bekannte sich von der Leyen zu der Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte, nächste Schritte zur Implementierung des Aktionsplans wurden allerdings nicht vorgestellt. Die noch in von der Leyens erster Rede zur Lage der Union als Priorität präsentierte Mindestlohnrichtlinie fand bedauernswerterweise keinerlei Erwähnung. Des Weiteren fehlten klare Lösungsansätze zu Themen wie Plattformarbeit, Gleichstellung, Ungleichheit und Armut. Der „europäischen Seele“, welche von der Leyen in ihrer Rede des Öfteren beschwor, fehlt es in diesem Sinne ganz klar an einem sozialen Fundament.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Reform of Fiscal Rules – Lessons learnt?
AK EUROPA: Rückblick auf den EU-Sozialgipfel in Porto
ÖGB: Zähes Ringen um faire Löhne in der EU
AK EUROPA: Zukunft in Zeiten von Corona: Von der Leyens Rede zur Lage der Europäischen Union
Europäische Kommission: Rede zur Lage der Union 2021
Europäische Kommission: Lage der Union 2021 – Absichtserklärung