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ZurückAm 7. Mai 2021 hat der Sozialgipfel in Porto stattgefunden. In einer gemeinsamen Erklärung haben sich die Staats- und RegierungschefInnen der EU zur Umsetzung des Aktionsplans zur Europäischen Säule sozialer Rechte (ESSR) bekannt und sich dazu verpflichtet, Ungleichheiten zu verringern, Armut und Diskriminierung zu bekämpfen, Beschäftigung zu schaffen und für faire Löhne einzutreten.
Mit der Porto-Erklärung haben sich die Staats- und RegierungschefInnen insbesondere auf die drei im Aktionsplan zur Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte genannten Ziele – Beschäftigung, Fortbildung und Armutsbekämpfung – verständigt:
- Mindestens 78 Prozent der 20- bis 64-Jährigen sollten einer Beschäftigung nachgehen.
- Mindestens 60 Prozent aller Erwachsenen sollten jedes Jahr an Fortbildungen teilnehmen.
- Die Zahl der von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedrohten Menschen sollte um mindestens 15 Millionen verringert werden.
Positiv zu bewerten ist außerdem, dass in Zukunft nicht mehr nur das BIP als Wirtschaftsindikator, sondern auch soziale bzw. ökologische Indikatoren, die das Wohlergehen der Menschen in den Vordergrund stellen, relevant sein sollen. Hierbei sind die Mitgliedstaaten einer gemeinsamen Forderung der Europäischen SozialpartnerInnen gefolgt.
Auch das klare Bekenntnis von Kommissionspräsidentin von der Leyen zum Thema „Vollbeschäftigung“ ist zu begrüßen. Im Rahmen des Gipfels hielt von der Leyen fest: „Die sozialen Ziele Europas sind untrennbar von unseren grünen und digitalen Zielen. Wir wollen der Vollbeschäftigung näherkommen. Wir wollen, dass mehr Europäerinnen und Europäer die Kompetenzen erwerben können, die sie brauchen. Wir wollen allen Europäerinnen und Europäern in einer stärker digitalisierten und nachhaltigeren Wirtschaft gleiche Chancen gewährleisten“.
Durch die Porto-Erklärung bestätigten die Staats- und RegierungschefInnen auch die weitere legislative Agenda zur ESSR. Diese sieht für 2021 noch wichtige neue Vorhaben vor, ua zu den Themen Plattformarbeit, Unternehmensverantwortung, Wohnen/Obdachlosigkeit, Sicherheit und Gesundheit am Arbeitsplatz sowie Sozialwirtschaft.
Uneinigkeit bei Mindestlohnrichtlinie und Gender Equality
Obwohl die Staats- und RegierungschefInnen die Porto-Deklaration unterzeichnet haben, zeigte sich im Vorfeld des Gipfels auch Uneinigkeit, insbesondere bei der EU-Mindestlohnrichtlinie. Bundeskanzler Kurz und Arbeitsminister Kocher, die für Österreich am Gipfel teilgenommen haben, sprachen sich neuerlich gegen diese Richtlinie aus. Im Gegensatz dazu hat sich Sozialminister Mückstein, der am Gipfel nicht teilgenommen hat, in einem gemeinsamen Brief von grünen MinisterInnen in der EU jedoch zur Mindestlohn-Richtlinie bekannt. EU-Sozialkommissar Schmit rechnet zwar mit einer Einigung in der Mindestlohnrichtlinie unter der portugiesischen Ratspräsidentschaft. Sollte diese aber doch nicht zustande kommen, nannte er auch schon einen Plan B, der eine Einigung unter der französischen Präsidentschaft 2022 vorsieht.
Ein trauriger Tiefpunkt des Gipfels war die Blockade von Polen und Ungarn zum Thema Gender Equality, welche dazu führt, dass eine Passage in der Erklärung umformuliert werden musste.
PräsidentInnen Anderl und Katzian: Forderung nach einer sozialer Neuausrichtung
Im Vorfeld des EU-Sozialgipfels luden AK EUROPA, das ÖGB Europabüro und der Europäische Gewerkschaftsbund zu einer Online-Veranstaltung mit AK Präsidentin Renate Anderl und ÖGB Präsident Wolfgang Katzian.
Auch in einem gemeinsamen Brief an Bundeskanzler Kurz unterstrichen die beiden PräsidentInnen, dass der Aktionsplan zur Europäischen Säule sozialer Rechte eine Chance für eine Trendumkehr hin zu einer solidarischen sozialen Union darstellt. Dabei ist es notwendig, dass diese Initiativen auch von der österreichischen Bundesregierung unterstützt werden. Von großer Bedeutung ist es – so Anderl und Katzian –, dass auch Österreich wichtige Rechtsakte für ein soziales Europa, allen voran die Europäische Mindestlohnrichtlinie und die Richtlinie zur Lohntransparenz, aktiv unterstützt. Mit Blick auf die unmittelbar bevorstehende Debatte zur Zukunft Europas fordern AK und ÖGB ein mutiges und entschlossenes Vorgehen, um auch die Schwächen im derzeitigen rechtlichen Gefüge der Union anzusprechen und wichtige Reformvorhaben zu unterstützen, mit denen Europa zukunftsfitter wird.
Weiterführende Informationen:
AK/ÖGB Webinar im Vorfeld des EU-Sozialgipfels (inkl. Video)
AK EUROPA Policy Brief: Aktionsplan ESSR und EU-Sozialgipfel