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ZurückIm Vorfeld des EU-Sozialgipfels luden AK EUROPA, das ÖGB Europabüro und der Europäische Gewerkschaftsbund am 03. Mai 2021 gemeinsam zur Online-Veranstaltung „Faire Löhne in der EU - Was verspricht der EU-Sozialgipfel?“. Es diskutierten AK Präsidentin Renate Anderl, ÖGB Präsident Wolfgang Katzian sowie Esther Lynch vom EGB und der EU-Parlamentarier Dennis Radtke.
Der Sozialgipfel in Porto ist der Höhepunkt der ambitionierten portugiesischen Ratspräsidentschaft, die viele wichtige Gewerkschaftsforderungen vorangetrieben hat. Dort soll der Aktionsplan zur Europäischen Säule Sozialer Rechte feierlich proklamiert werden. AK EUROPA und das ÖGB Europabüro haben gemeinsam mit dem EGB die Gelegenheit genutzt, um im Vorfeld des EU-Sozialgipfels auf einige wichtigen Anliegen aufmerksam zu machen: Dazu zählt vor allem der Entwurf zur Mindestlohnrichtlinie sowie der Richtlinienvorschlag zur Lohntransparenz, um die Lohnschere endlich zu schließen.
In seiner Begrüßung hielt Oliver Röpke, Leiter des ÖGB Europabüros und Präsident der ArbeitnehmerInnengruppe im EWSA, fest, dass der unverbindliche Charakter der Europäischen Säule sozialer Rechte von manchen dahingehend missverstanden wurde, sich nicht weiter für ein soziales Europa zu engagieren. Doch bei der Säule handelt es sich vielmehr um eine politische Verpflichtung. Es braucht nun konkrete Umsetzungsschritte. Hierfür ist nun der richtige Zeitpunkt gekommen.
Konkrete Schritte, um existenzsichernde Mindestlöhne in Europa zu garantieren und das Lohngefälle in Europa zu bekämpfen, erwartet sich auch ÖGB Präsident Wolfgang Katzian. Er begrüßt den Richtlinienvorschlag zu Europäischen Mindestlöhnen, der darauf abzielt, Tarifverhandlungen über Löhne in allen Mitgliedstaaten zu fördern. So zeigt die Realität, dass jene Länder weniger Geringverdienende und kleinere Lohnunterschiede aufweisen, die eine hohe tarifvertragliche Abdeckung haben. Dementsprechend erwartet er sich von der Mindestlohnrichtlinie ein langfristig höheres Lohnniveau, wodurch die Ursachen für Lohn- und Sozialdumping bekämpft werden können. Umso überraschender ist es für den ÖGB-Präsidenten, dass gerade die österreichische Regierung zu den schärfsten KritikerInnen der Richtlinie zählt.
Endlich wirksame Schritte, um gleiches Geld für gleichwertige Arbeit zu gewährleisten, fordert AK Präsidentin Renate Anderl. Trotz vieler Empfehlungen ist die Lohnschere weiterhin viel zu groß: In der EU verdienen Frauen durchschnittlich 14 % weniger; Österreich ist mit 19 % gar an drittletzter Stelle der 27 Mitgliedstaaten. So ist für die AK Präsidentin die Einstellung besonders problematisch, dass über Geld nicht gesprochen wird. Denn solange Einkommen nicht transparent gemacht werden, erschwert dies gegen Lohnungleichheiten aufzutreten. In Schweden herrscht hier eine völlig andere Mentalität und deswegen auch ein deutlich geringerer Gender Pay Gap. Aufgrund der europaweiten Dimension der Lohnschere sieht Renate Anderl im Vorschlag zur Lohntransparenz die Ausnahmen für Betriebe unter 250 MitarbeiterInnen als zu weitreichend an, weil so etwa die Hälfte der Beschäftigten nicht erfasst würde. Vielmehr bräuchte es jetzt einen Investitionsturbo, der gut bezahlte Arbeitsplätze schafft, um aus der Krise zu kommen. Eine weitreichende Umsetzung des Aktionsplans zur Europäischen Säule sozialer Rechte ist die Gelegenheit, die Lohnschere weiter zu schließen und einen Mindestlohn zu fördern.
Der EU-Abgeordnete der EVP und Co-Berichterstatter zur Mindestlohn Richtlinie, Dennis Radtke, betont, dass es ihm und der Co-Berichterstatterin Agnes Jongerius (S&D) wichtig ist, aus diesem Richtlinienvorschlag keine parteipolitischen Machtspiele zu machen. Ziel der Richtlinie sei es nicht, in funktionierende Systeme der Kollektivverträge eingreifen zu wollen. In Richtung der skandinavischen Gewerkschaften, die dem Mindestlohn Vorschlag kritisch gegenüberstehen, stellt er fest, dass aus Angst vor einem neuerlichen arbeitnehmerInnenfeindlichen EuGH-Urteil, wie es das Urteil im Fall Laval dargestellt hat, nicht die politischen VertreterInnen ihre Arbeit als GesetzgeberInnen einstellen können.
Esther Lynch, stellvertretende Generalsekretärin des EGB, ruft in Erinnerung, dass die Verträge zur Europäischen Union eine wettbewerbsorientierte soziale Marktwirtschaft festschreiben. Gerade an dieser sozialen Komponente muss die EU weiterarbeiten. Der Vorschlag zur Mindestlohnrichtlinie enthält Bestimmungen zur Förderung der Gewerkschaftsmitgliedschaft, die die Grundlage für Tarifverhandlungen darstellt. Denn was zur Zeit in Europa geschieht, ist Wettbewerbsverzerrung aufgrund von Lohndumping. Wenn es um niedrige Einkommen geht, so sind es häufig auch Berufsgruppen, die als systemrelevant beklatscht wurden, zB in der Pflege, im Einzelhandel oder Transport. Diesen Beschäftigten muss ihr gerechter Anteil zuteilwerden. Denn nur so kann ein resilientes Europa gebaut werden.