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ZurückWährend weit über 100 Staaten – von Südafrika über Spanien bis zu den USA – fordern, Patentrechte rund um das Know-how und Technologien zur Bekämpfung von Covid-19 im Rahmen der WTO auszusetzen, behindert die EU nach wie vor eine Einigung. Hingegen setzte das Europäische Parlament am 9. Juni 2021 ein wichtiges Zeichen: In der verabschiedeten Entschließung fordert es neuerlich dazu auf, handelsbezogene geistige Eigentumsrechte für die Dauer der Pandemie auszusetzen.
Bedauerlicherweise gehört die EU nach wie vor zu den wenigen Parteien der WTO, die seit Monaten ein Aussetzen von handelsbezogenen geistigen Eigentumsrechten zur Prävention, Eindämmung und Behandlung von Covid-19 blockieren (den sog. “TRIPS-Waiver”). Angesichts der schweren gesundheitlichen, sozialen und wirtschaftlichen Krise dürfen aus Sicht der AK aber keine Steine in den Weg gelegt werden, wenn es um die Nutzung der weltweiten Potentiale zur eigenständigen Produktion von Covid-19 relevanten Impfstoffen, Diagnostika und Medikamenten geht. Das Teilen von Know-How und Technologien zur Pandemiebekämpfung ist nicht zuletzt angesichts der weltweit geteilten Gefahr von Coronavirus-Mutationen in unserem ureigensten Interesse. Für die Arbeiterkammer und den ÖGB ist klar, dass es bei der Bekämpfung der Covid-19 Pandemie und der gravierenden globalen Impfungleichheit zu keinen weiteren Verzögerungen kommen darf. Vielmehr braucht es eine solidarische Antwort der EU.
Ein Blick auf die aktuellen Zahlen zeigt, wie stark die globale Impfungleichheit ausgeprägt ist: Bis Juni 2021 wurden weltweit etwa 1,6 Milliarden an Impfstoffdosen verabreicht. Der Großteil entfiel hiervon auf die Industrieländer und die impfstoffproduzierenden Länder. Gerade einmal 0,3 % der weltweit verabreichten Impfdosen wurden in den 29 ärmsten Ländern verabreicht, obwohl in jenen Staaten etwa 9 % der Weltbevölkerung leben. Über 260 Millionen Impfstoffe hat die EU bislang an ihre Mitgliedstaaten verteilt sowie darüber hinaus 226 Millionen an Drittländer ausgeführt, allerdings gingen nur ca 10 % von ihnen an die am wenigsten entwickelten Länder der Erde.
Während sich die Europäische Kommission bislang kaum bewegt hat, wenn es um die Freigabe von Patenten in Zusammenhang mit Covid-19 ging, setzte das Europäische Parlament am 9. Juni 2021 ein wichtiges Zeichen und verabschiedete einen Entschließungsantrag zum TRIPS-Waiver. Darin wird ein Aussetzen handelsbezogener geistiger Eigentumsrechte für Covid-19-relevante Impfstoffe, Arzneimittel und Gesundheitstechnologien neuerlich unterstützt. Zudem fordert das EP gerade auch in Richtung der für die EU verhandlungsführenden Europäischen Kommission, dass proaktive und konstruktive Verhandlungen über eine vorübergehende Aussetzung des TRIPS-Übereinkommens der WTO zu unterstützen sind, um den weltweiten Zugang zu erschwinglichen medizinischen Erzeugnissen im Zusammenhang mit COVID-19 zu verbessern. Darüber hinaus ergeht an die Kommission die nachdrückliche Forderung, mehr Druck auf Pharmaunternehmen zum Teilen von Technologien und Fachwissen vor allem auch mit Entwicklungsländern auszuüben. Der Entschließungsantrag wurde mit 355 Ja-Stimmen gegenüber 263 Nein-Stimmen angenommen.
Damit hat sich der Druck auf die Europäische Kommission nicht nur international, sondern auch innerhalb der EU merklich erhöht, von ihrer bisherigen starren Rolle und Verzögerungstaktik in der WTO Abstand zu nehmen. So werden auch in den EU-Mitgliedsstaaten Spanien, Italien und Griechenland bis hin zu Frankreichs Präsident Emmanuel Macron die Stimmen für eine Unterstützung des TRIPS-Waiver lauter, wodurch die Europäische Kommission als zunehmend isoliert gilt. Dazu kommt eine zunehmend kritische Medienöffentlichkeit zum Versagen bei der Bekämpfung der globalen Impfkluft.
Weiterführende Informationen:
A&W Blog: Globale Impfungleichheit: Wer hat, dem wird gegeben
Europäischer Gewerkschaftsbund: Brief an die Europäische Kommission zu Covid-19 Impfstoffen (nur englisch)