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ZurückSkandale wie Dieselgate und Cambridge Analytica haben deutlich gemacht, dass die Rechtsdurchsetzung für VerbraucherInnen in Europa – vor allem auch im Vergleich zu den USA – unzureichend ist. Der Vorschlag für eine Richtlinie über Verbandsklagen ist daher ein wichtiger Meilenstein für europäische VerbraucherInnen. Im Jänner starten die Trilogverhandlungen zu diesem bedeutenden Rechtsakt.
In einem großen Teil der EU-Staaten, so auch in Österreich, gibt es erhebliche Defizite bei der Durchsetzung von Massenschäden gegen Unternehmen, ebenso wie etwa bei Bagatellschäden. Wie der Europäische VerbraucherInnenverband BEUC analysiert hat, gibt es nur in 6 der 28 EU-Staaten (Belgien, Frankreich, Italien, Portugal, Spanien und Schweden) effizient funktionierende Verbandsklagesysteme. Zu den Verfahren im Dieselgate-Fall resümierte jüngst bei einer Diskussionsveranstaltung im EU-Parlament Petra Leupold vom Verein für KonsumentInneninformation (VKI), dass durch die bis jetzt anhängigen Verfahren lediglich 2% der vom Dieselgate betroffenen VerbraucherInnen vertreten sind.
Den hohen Standards an materiellem VerbraucherInnenrecht, die wir in Europa haben, stehen somit große Defizite in der Rechtsdurchsetzung gegenüber. Durch die Richtlinie zu Verbandsklagen kann in Zukunft sichergestellt werden, dass VerbraucherInnen auch effektiven Rechtsschutz im Rahmen von Sammelklagen erhalten. Das EU-Parlament hat bereits im März 2019 mit sehr deutlicher Mehrheit dem Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen zugestimmt und seine Änderungsvorschläge zum Kommissionsvorschlag vorgelegt. Am 28. November 2019 hat nun auch der Rat eine Allgemeine Ausrichtung zu dem Rechtsakt verabschiedet und somit den Weg für die Trilog-Verhandlungen zwischen Kommission, Rat und EU-Parlament frei gemacht. Bedauerlicher Weise sieht der Beschluss der Mitgliedstaaten etwa eine Erschwerung der Prozessfinanzierung vor. Eine positive Entwicklung ist hingegen die Ausweitung auf Schäden durch Medizinprodukte und unsichere Produkte.
Im Jänner 2020 sollen unter kroatischer EU-Präsidentschaft die Trilog-Verhandlungen beginnen. Aus Sicht der Arbeiterkammer muss das neue Instrument auch praxistauglich und effizient einsetzbar sein. Daher haben Renate Anderl, Präsidentin der Bundesarbeitskammer, und Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer, in einem Schreiben an die TrilogverhandlerInnen auf die wichtigsten Forderungen aus Sicht der VerbraucherInnen hingewiesen:
- In der Richtlinie sollte klargestellt werden, dass diese eine Mindestharmonisierung darstellt: Mitgliedsstaaten dürfen günstigere Bestimmungen für VerbraucherInnen beibehalten, oder müssen sie einführen können.
- Auch bereits beendete Verstöße sollen noch bekämpfbar sein, was etwa erforderlich ist, wenn die Auswirkungen eines Rechtsverstoßes andauern.
- Wichtig wäre auch eine Sonderregelung hinsichtlich des Gerichtsstands und des anwendbaren Rechts. Die klagebefugte Einrichtung sollte im eigenen Mitgliedstaat eine Verbandsklage einbringen können, sofern Rechtsverstöße gegen dort ansässige VerbraucherInnen erfolgt sind.
- Die Arbeiterkammer ist derzeit eine klagebefugte Einrichtung, die nach der Unterlassungsklagen-Richtlinie Klagen einbringen kann. Nun muss klargestellt werden, dass jene Einrichtungen, die bereits nach der Unterlassungsklagen-RL klagsbefugt sind, weiterhin auch nach der Verbandsklagen-RL klagsbefugt sind.
- Das in Österreich vor allem bei Verbandsklagen im Zusammenhang mit größeren Massenschäden erforderliche System der Prozesskostenfinanzierung durch einen Dritten muss weiterhin möglich sein.
- Es sollte zudem sichergestellt werden, dass alle denkbaren Auswirkungen der Rechtsverletzung durch die Verbandsklage bekämpft werden können.
- Wichtig ist weiters die Verankerung eines klaren Wahlrechts der Mitgliedstaaten zwischen opt-in und opt-out bei Abhilfeklagen.
- Abhilfeklagen sollen auch ohne ein vorgeschaltetes Verbandsverfahren auf Unterlassung eingebracht werden können. Dadurch kann schnell Abhilfe bei Rechtsverstößen geschaffen werden.
- Es ist wichtig, dass – wie im Ratstext vorgesehen – das Unternehmen im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung die betroffenen VerbraucherInnen zu informieren hat, und zwar auf eigene Kosten.
- Eine einmal festgestellte Rechtsverletzung muss auch in einem folgenden Verfahren erneut als Rechtsverletzung beurteilt werden.
- Mit Einbringung der Verbandsklage sollte die Hemmung bzw. Unterbrechung der Verjährung eintreten. Dies ist für den Erfolg der Verfahren essentiell.
- Essentiell ist auch, dass die Mitgliedstaaten Maßnahmen treffen, um sicherzustellen, dass die Verfahrenskosten keine finanziellen Hindernisse für die Verbandsklagsführung sind, wie dies im Kommissionsvorschlag ausgeführt war (Begrenzung von Gerichtskosten, Zugang zur Prozesskostenhilfe, Bereitstellung zweckgebundener öffentlicher Mittel).
- Unbedingt muss auch Flug- und Bahnreisenden mithilfe der Verbandsklagen-Richtlinie schnell zu ihrem Recht verholfen werden.
- Ebenfalls sollte die Datenschutzgrundverordnung unbedingt im Anwendungsbereich der Richtlinie verbleiben.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Brief: Verbandsklagen-Richtlinie - Beginn der Trilogverhandlungen
AK EUROPA Positionspapier: New Deal for Consumers
BEUC: Why we need collective redress at EU level
BEUC: Myths and realities on collective redress
AK EUROPA: New Deal For Consumers: Wichtige Entscheidungen am Ende der Wahlperiode
AK EUROPA: Unsauberes Lobbying der Industrie gegen Einführung europäischer Verbandsklagen
AK EUROPA: Veranstaltung Ein „fairer Deal“ für Europas KonsumentInnen