Nachrichten
ZurückAm 26. März 2019 hat das EU-Parlament mit sehr deutlicher Mehrheit (579 Ja, 33 Nein, 43 Enthaltungen) dem Richtlinienvorschlag über Verbandsklagen zugestimmt. Aus Sicht der Arbeiterkammer sowie des Europäischen VerbraucherInnenverbandes (BEUC) ist diese Entwicklung ein wichtiger Schritt, um die Rechte der VerbraucherInnen zu stärken.
Mehr als drei Jahre nach dem Bekanntwerden von „Dieselgate“ hat die große Mehrheit des Europäischen Parlaments der Richtlinie für Verbandsklagen zugestimmt. Europäische KonsumentInnen, die vom selben Unternehmen geschädigt werden, sollen damit in Zukunft die Möglichkeit haben, als Gruppe gegen Schädigung ihrer Rechte vorzugehen. Zwar gibt es in zahlreichen EU-Ländern – wie auch in Österreich – bereits Systeme von Sammelklagen. Es bestehen jedoch noch zahlreiche Lücken, worauf auch die AK im vergangenen Jahr im Rahmen einer Veranstaltung hingewiesen hat. Da Schadensersatzklagen langwierig und kostspielig sind, verzichten bislang viele geschädigte KonsumentInnen darauf, den Rechtsweg zu bestreiten. Entsprechend einer Befragung des Europäischen VerbraucherInnenverbands BEUC wären aber 79 % der europäischen KonsumentInnen bereit, ihre Rechte einzuklagen, sofern sie sich mit KonsumentInnen zusammenschließen könnten, die denselben Schaden erlitten haben.
Abstimmung im EP – Warten auf den Rat
Im Vorfeld der Abstimmung im EP-Plenum brachte die zuständige Kommissarin Věra Jourová noch einmal zum Ausdruck, dass mit der Richtlinie eine Botschaft an die BürgerInnen Europas gesandt werde, wie wichtig KonsumentInnenschutz in der EU ist. Das von Seiten der Wirtschaft immer wieder gestreute Argument, durch den Rechtsakt würde eine „Klageindustrie wie in den USA“ entstehen, wies die Kommissarin zurück. Klagsberechtigt sollen nämlich nur repräsentative Einrichtungen und Verbände sein.
Mit dem im EP gefundenen Kompromiss zeigten sich auch der Berichterstatter Geoffroy Didier (EVP) und die S&D-Schattenberichterstatterin Mady Delvaux zufrieden. Auch Evelyn Gebhardt (S&D) lobte den „guten Bericht, der vom Parlament noch stark verbessert wurde“. Enttäuscht waren mehrere Abgeordnete damit, dass es im Rat bislang keinen gemeinsamen Standpunkt gibt und daher in dieser Wahlperiode keine Einigung mehr gefunden werden kann.
Eckpunkte des EP-Abstimmungsergebnisses
Stimmt auch der Rat zu, können in Zukunft EU-weit von repräsentativen Einrichtungen und Verbänden, insbesondere KonsumentInnenschutzorganisationen, Verbandsklagen gegen Unternehmen im Namen von geschädigten KonsumentInnen eingebracht werden. Schadensersatzzahlungen dürfen nur den geschädigten KonsumentInnen zugutekommen. Die Richtlinie kann auf unterschiedliche Bereiche angewandt werden. Auch Passagierrechte, Verstöße gegen den Datenschutz oder Finanzdienstleistungen können über Verbandsklagen eingeklagt werden und sind nicht, wie zwischenzeitig diskutiert, vom Anwendungsbereich ausgenommen. Problematisch aus AK-Sicht – und vor allem auch für kleinere Mitgliedstaaten – ist, dass es 50 Geschädigte geben muss, um überhaupt eine Verbandsklage einbringen zu können. Hier hoffte die AK noch auf Nachbesserung im Rahmen der Trilog-Verhandlungen mit dem Rat.
Das EP-Votum sieht vor, dass Mitgliedsstaaten wählen können, ob sie ein „opt-in“-Verfahren (geschädigte KonsumentInnen müssen sich aktiv bei der Verbandsklage anmelden) oder ein „opt-out“-Verfahren einführen möchten. Die AK pocht zumindest auf eine österreichische Umsetzung im Sinne eines „opt-out“-Verfahrens, welches gewährleistet, dass betroffene KonsumentInnen automatisch an den Verbandsklagen beteiligt sind und welches sich auch in der Praxis bewährt hat. Die Prozessfinanzierung durch Dritte ist aus Sicht der AK von großer Bedeutung, weil man sich in der Praxis sonst die Finanzierung teurer Klagen gar nicht leisten könnte. Nach dem EP-Votum ist eine Prozesskostenfinanzierung durch Dritte erlaubt, sofern sie transparent, unabhängig und frei von Interessenskonflikten ist.
„Gerechtigkeit für alle KonsumentInnen in der EU“
Monique Goyens, Generaldirektorin der BEUC, sieht die Richtlinie als großen Schritt nach vorne im Kampf um Gerechtigkeit für die KonsumentInnen in der EU. Auch die AK sieht das Abstimmungsergebnis im EU-Parlament als eine erfreuliche Entwicklung an. Nun wäre es wichtig, dass auch die Mitgliedstaaten ein starkes Zeichen beim VerbraucherInnenschutz setzen. Die AK hofft, dass im Rat auch eine baldige Einigung erzielt werden kann, um den Rechtsschutz für EU-KonsumentInnen nicht weiter in die Länge zu ziehen.
Richtlinie Modernisierung der EU-Verbraucherschutzvorschriften – Einigung im Trilog
Die Richtlinie zu Verbandsklagen war Teil des „New Deal for Consumers“-Paketes, welches die Kommission im April 2018 präsentierte. Beim 2. Teil des Paketes, der Richtlinie zur Modernisierung der EU-VerbraucherInnenschutzvorschriften, konnte nun eine Einigung im Trilog erzielt werden. Die Reform enthält u.a. ein neues Sanktionsregime, welches nationalen VerbraucherInnenschutzbehörden erlaubt, wirksame Sanktionen bei Verstößen gegen das EU-VerbraucherInnenrecht zu verhängen (Geldbuße von mindestens 4 % des Jahresumsatzes des betreffenden Unternehmens). Weiters ist eine Ausdehnung der Verbraucherrechte-Richtlinie auf kostenlose Online-Dienste vorgesehen. Neue Informationspflichten im Zusammenhang mit Online-Marktplätzen wurden verankert; insbesondere müssen VerbraucherInnen über die wichtigsten Parameter für die Rangfolge der Ergebnisse ihrer Suche informiert werden. Auch diese Reformen sind aus Sicht der AK zu begrüßen und ein wichtiges Zeichen an die VerbraucherInnen in Europa.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: New Deal for Consumers
AK EUROPA: JURI stimmt über Verbandsklagen & Gesellschaftsrecht ab
AK EUROPA: Unsauberes Lobbying der Industrie gegen Einführung europäischer Verbandsklagen
AK EUROPA: AK EUROPA: Ein „fairer Deal“ für Europas KonsumentInnen