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ZurückAm 20. November 2018 veranstaltete AK EUROPA gemeinsam mit dem europäischen VerbaucherInnenverband BEUC in einer bis auf den letzten Sitz gefüllten Ständigen Vertretung eine Podiumsdiskussion zum „New Deal for Consumers“-Paket, das unter anderem Sammelklagen in ganz Europa möglich machen soll.
Einleitend wies Moderator Dave Keating auf die Auswirkungen von Skandalen wie „Dieselgate“ und „Cambridge Analytica” hin, diese hätten zu einem Umdenken bei den europäischen EntscheidungsträgerInnen beigetragen. Während KonsumentInnen in den USA, für das Vorspielen falscher Tatsachen seitens Volkswagen kompensiert wurden, sind die KonsumentInnen in Europa bislang leer ausgegangen.
Ursula Pachl, stellvertretende Generaldirektorin der BEUC, hielt die Eröffnungsrede des Abends. Sie lobte den grundsätzlich guten Vorschlag der Kommission, der endlich Gerechtigkeit für geschädigte KonsumentInnen bedeuten würde. In der laufendenden Debatte würde seitens der Unternehmensverbände, allen voran der „American Chamber of Commerce“, jedoch gerne mit Schreckgespenstern operiert. In Ländern, in denen heute schon Verbandsklagesysteme bestehen, ist die Zahl der Unternehmensinsolvenzen nicht gestiegen und auch nicht zu beobachten, dass diese Systeme ausgenutzt würden. Nachbesserungsbedarf sah Pachl noch in einigen Belangen: Es solle keine Verschlechterung für gut funktionierende bestehende nationale Systeme der Verbandsklagen in Kauf genommen werden; für den Geltungsbereich der Richtlinie gäbe es im Parlament Änderungsvorschläge, die diesen zu Ungunsten der KonsumentInnen wesentlichen einschränken wollen. KonsumentInnenorganisationen sollten in jedem Fall als qualifizierte Einrichtungen gelten, um Verbandsklagen durchführen zu können. Wird dies nicht durchgesetzt, wäre der ganze Vorschlag unbrauchbar.
Tatjana Kudria, parlamentarische Assistentin des für die Richtlinie zuständigen Berichterstatters Geoffroy Didier (EVP), äußerte sich zum derzeitigen Verhandlungsstand im Parlament: Man versuche den eigenen ambitionierten Zeitplan (eine Abstimmung im Rechts-Ausschuss des Europäischen Parlaments am 6. Dezember 2018) einzuhalten. Entscheidend sei aber, dass auch die Verhandlungen des Rates rascher voranschreiten. Aus Sicht des Parlaments könnte im Februar oder März 2019 im Plenum über die Richtlinie abgestimmt werden. Vor dem Hintergrund der diskutierten europaweiten Harmonisierung müsse man dafür Sorge tragen, gut funktionierende nationale Systeme nicht zu untergraben. Heiß diskutiert wird noch die Frage, welche Organisationen Verbandsklagen einbringen können sollen, und in welcher Form die Finanzierung von Verbandsklagen durch Dritte möglich sein wird. Manche Abgeordnete fordern hier noch die Schaffung genauerer Kriterien.
Über das belgische Modell der Verbandsklagen sprach Els Bruggeman von der KonsumentInnenschutzorganisation Test Achats. Verbandsklagen gibt es in Belgien seit 2014 und seit ihrer Einführung sind sieben Klagen von ihrer Organisation eingebracht worden. In vielen Fällen konnte man vor Urteilsverkündung einen Vergleich mit den Unternehmen erzielen. Wichtig sei nun, das gut funktionierende belgische System nicht durch die neue EU-Richtlinie zu gefährden. Hier gehe etwa aus dem Vorschlag nicht klar hervor, ob es sich um eine Minimal- oder Maximalharmonisierung handle. Im „Dieselgate“-Fall etwa musste Test Achats 1 ½ Jahre auf Zulässigkeit der Klage warten. Würde es beim Kommissionsvorschlag bleiben, könnte dies noch länger dauern. Derart lange Wartezeiten würden das Vertrauen von KonsumentInnen – sowohl in die Organisationen selbst, als auch in die Institutionen – extrem beeinträchtigen und zusätzlich viel Geld kosten.
Die Unternehmensperspektive wurde von Joanna Lopatowska von EuroCommerce eingebracht. Zwar würden auch die Unternehmen viele der Sorgen der KonsumentInnen teilen, jedoch müsste gewährleistet sein, dass der Vorschlag keine räuberischen Geschäftsmodelle begünstige. Den Unternehmen ginge es nicht darum, ein Stolperstein für die Verbrauchergerechtigkeit zu sein, sondern man wolle die Schäden für sich selbst möglichst geringhalten. Auch ihr fehlt es an Klarheit in vielen Belangen, besonders bei den grenzüberschreitenden Verbandsklagen. In Bezug auf die Finanzierung durch Dritte tritt EuroCommerce für höhere “Sicherheitsvorkehrungen” ein.
Gabriele Zgubic, Leiterin der Verbraucherschutz-Abteilung der AK Wien, legte dar, dass in Österreich KonsumentInnenschutzorganisationenen bereits heute Sammelklagen in Form gebündelter Ansprüche in einer Klage für geschädigte VerbraucherInnen erwirken können. Das Modell hat aber viele Nachteile, sodass ein rechtlicher Rahmen notwendig ist. Die derzeitige Regelung zu Unterlassungsklagen helfe insofern, als Unternehmen gezwungen sind, ihre missbräuchlichen Handlungen in der Zukunft einzustellen, jedoch nicht, um bereits geschädigte KonsumentInnen zu kompensieren. Gerade diese Lücke kann der vorgeschlagene europäische Verbandsklagen-Mechanismus schließen. Allerdings besteht die Gefahr, dass mit dem vorliegenden Vorschlag KonsumentInnenorganisationen in Zukunft die Befugnis zur Klagseinbringung verlieren könnten. Daher dürfen die Kriterien nicht zu eng sein. Die Prozessfinanzierung durch Dritte sei aus Sicht von KonsumentInnenorganisationen wichtig, weil man sich sonst die Finanzierung teurer Klagen gar nicht leisten könnte. Auch soll keine Mindestzahl an geschädigten KonsumentInnen notwendig sein, denn für die Gerichte bedeutet es auch schon eine erhebliche Entlastung des Aufwandes, etwa auch nur 10 Geschädigte in einer Klage zu vereinen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Kommission will Sammelklagen in Europa wirksamer gestalten
AK Positionspapier: „New Deal for Consumers“
AK: Konsumentenrechtlicher Vorschlag der EU „Schritt in richtige Richtung“