Nachrichten
ZurückIn der aktuellen Ausgabe der Publikation „Social policy in the European Union: State of play 2018“ steht die Europäische Säule sozialer Rechte im Zentrum. Es wird der Frage nachgegangen, inwiefern sie eine europäische Sozialpolitik beeinflusst und ob sie die Schaffung einer europäischen Sozialunion fördern könnte. Weitere Themen sind soziale Absicherung, Digitalisierung der Arbeitswelt, Fortschritte in der Arbeitsmedizin sowie sozial-ökologische Politik.
Bei einer Veranstaltung am 18.03.2019 stellte Bart Vanhercke, Direktor des OSE, die neue Ausgabe von „Social policy in the European Union“ vom Europäisches Gewerkschaftsinstitut (ETUI) und dem European Social Observatory (OSE) vor. Er betonte, dass es sich bei der Idee einer europäischen Sozialunion um eine Union der Wohlfahrtsstaaten handle, deren Aufgabe darin bestünde, die nationalen Wohlfahrtsstaaten zu entlasten. Um dies zu erreichen, braucht es eine Zusammenarbeit von nationalen und supranationalen Institutionen sowie eine Koordination der unterschiedlichen Sozialversicherungssysteme. Im Rahmen des Europäischen Semesters hat die EU zudem die Möglichkeit, die Sozialpolitik der Mitgliedsstaaten mitzugestalten. Mit der Europäischen Säule sozialer Rechte ist der erste Schritt hin zu einer neuen EU-Sozialpolitik gelegt worden, die sich bereits in ersten konkreten Richtlinien (Work-Life Balance Richtlinie, Richtlinie über transparente und verlässliche Arbeitsbedingungen) widerspiegelt.
Digitalisierung der Arbeitswelt
Weitere Kapitel der Publikation setzen sich mit den Themen Digitalisierung und die Veränderungen von Beschäftigungsverhältnissen auseinander. Durch den digitalen Wandel in der Arbeitswelt werden neue Arbeitsformen (z.B. Plattform-Jobs) geschaffen, die aber auch Risiken mit sich bringen. Die formal selbstständig Erwerbstätigen werden in Abhängigkeitsverhältnisse gedrängt, die oft prekär sind und kaum bis gar keine soziale Absicherung bieten, was vor allem bei Krankheitsfällen problematisch ist. Ein weiteres Kapital beschäftigt sich außerdem mit dem Recht auf Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz. Hier wird insbesondere die Richtlinie zu Karzinogenen als erster Erfolg gesehen.
Klimawandel als Herausforderung für Sozialpolitik
Weitere wichtige Themenbereiche, die sowohl in der Publikation als auch bei der Veranstaltung aufgegriffen wurden, sind die zunehmenden ökologischen Probleme und ihre Folgen für die Bevölkerung sowie eine steigende globale soziale Ungleichheit. Der Klimawandel stellt eine große Herausforderung für die Sozialpolitik dar, wird aber in sozialpolitischen Debatten größtenteils ignoriert. Vanhercke sprach in diesen Zusammenhang von einer doppelten Ungerechtigkeit: Ärmere Bevölkerungsgruppen tragen am wenigsten Mitschuld am Klimawandel, sie sind aber diejenigen, die am meisten darunter zu leiden haben (Zugang zu Trinkwasser, Hitzewellen, schlechte Luftqualität) und die finanziellen Lasten des Klimawandels auch am wenigsten tragen können.
„just transition“
Um den Klimawandel zu stoppen, reicht eine Reduktion der CO2 Emissionen aber nicht aus. Béla Galgóczi (ETUI) und Philippe Lamberts (MEP Grüne/EFA) forderten daher einen gerechten Übergang („just transition“) und eine Loslösung vom Wachstumsparadigma. Die Internationale Arbeitsbehörde (ILO) hat dazu Richtlinien ausgearbeitet, die essentiell für einen Übergang hin zu sozialer Gerechtigkeit und Klimaschutz sind. Finanzielle Belastungen, die der Klimawandel mit sich bringt, sollen gerecht verteilt werden, sodass nicht ärmere Bevölkerungsgruppen die Hauptkosten dafür tragen müssen. Zudem müssen neue und nachhaltige Arbeitsplätze geschaffen werden und Regionen, deren Wirtschaft auf nicht-nachhaltigen Ressourcenabbau (z.B. Kohleabbau) beruht, unterstützt werden, um diesen Übergang mit möglichst geringen sozialen Folgen zu bewältigen. Regierungen und politische EntscheidungsträgerInnen müssen einen Rahmen für einen gerechten Übergang vorlegen. Kommissionsvertreterin Claudia Hahn (DG Umwelt) fordert daher von Seiten der Politik ambitionierte Ziele und sieht das Verbot von Einwegplastik als einen ersten Schritt in die richtige Richtung. Zudem muss die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften und Sozial- und Umwelt-NGOs gestärkt werden.
Nachhaltiges und inklusives Wachstum
Um die Folgen des Klimawandelns sozialpolitisch zu meistern und die Zukunft des Wohlfahrtsstaates zu sichern, braucht es effiziente Lösungen. So forderte Milena Büchs (Universität Leeds) eine progressive Steuer auf Vermögen und hohes Einkommen, um den Wohlfahrtsstaat weiterhin finanzieren zu können. Georg Zachmann (Think Tank Bruegel) warf zudem ein, dass weitere Ideen zur Klimakompensation nötig seien, und dass auch KonsumentInnen stärker in den Dialog einbezogen werden müssen. Sebastiano Sabato (OSE) betonte, dass Wirtschaftswachstum smart, nachhaltig und inklusiv sein muss, um Ungleichheit entgegenzuwirken. Zudem bedarf es der Sichtbarmachung der sozialen Auswirkungen des Klimawandels sowie der stärkeren Zusammenarbeit zwischen Sozial- und Umweltpolitik.
Der Zustand der europäischen Sozialpolitik ist auch bei der Veranstaltung „What does it take to have a European Union working for workers?“ von AK EUROPA, dem ÖGB Europabüro und dem EGB in der Ständigen Vertretung von Österreich am 26.3.2019 ein Thema. Unter anderem wird der diesjährige „Benchmarking Working Europe“ Bericht von ETUI/EGB diskutiert sowie die Ergebnisse von „EU in a nutshell“, einem europaweiten Arbeitsmarktmonitor, vorgestellt.
Weiterführende Informationen:
AK Veranstaltung: Benchmarking Working Europe 2019 und Anmeldung
AK EUROPA: Europäisches Semester 2019: Mehr soziale Gerechtigkeit!
AK EUROPA: Klimawandel: EU will ambitionierte Ziele bis 2050
AK Positionspapier: Europäische Säule sozialer Rechte
ETUI/OSE Publikation: Social policy in the European Union: state of play 2018