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ZurückIm Textilsektor fallen immense Abfallmengen an. Um die Umweltauswirkungen des Sektors insgesamt zu reduzieren, müssen auch diese Abfälle richtig entsorgt werden. Schon bisher war vorgesehen, dass alle EU-Mitgliedsstaaten bis zum 1. Jänner 2025 eine getrennte Sammlung von Textilien einführen müssen. Im Sommer hat die EU-Kommission die Umsetzung dieses Vorhabens in einem weiteren Richtlinienvorschlag konkretisiert. Mit diesem beschäftigt sich ein aktuelles AK EUROPA-Positionspapier.
Bereits mit der Überarbeitung der Abfallrahmenrichtlinie vom 30. Mai 2018 wurde die Einführung einer getrennten Sammlung von Textilabfällen festgelegt. Am 5. Juli hat die EU-Kommission nun Vorschriften vorgeschlagen, um die Bewirtschaftung von Textilabfällen in der EU stärker zu vereinheitlichen. Im Einklang mit der EU-Strategie für nachhaltige und kreislauforientierte Textilien, dem European Green Deal, dem Aktionsplan für die Kreislaufwirtschaft und der europäischen Industriestrategie sollen Anreize geschaffen werden, um das Abfallaufkommen zu verringern und die Kreislauffähigkeit von Textilien zu erhöhen. Damit will die EU-Kommission nicht nur die Umwelt- und Klimaauswirkungen des Textilsektors reduzieren. Es sollen auch Arbeitsplätze in der EU geschaffen werden und die Verbraucher:innen von geringeren Kosten profitieren.
Vorschlag der Kommission
Der Vorschlag der EU-Kommission von Anfang Juli enthält Regelungen, um die Herstellung, Verwendung und Entsorgung von Textilien nachhaltiger zu gestalten. Dieses Ziel soll durch die Einführung einer erweiterten Herstellerverantwortung bzw. Extended Producer Responsibility (EPR) erreicht werden. Hersteller:innen werden damit in die Pflicht genommen, eine stärkere Verantwortung für den gesamten Lebenszyklus von Textilprodukten zu übernehmen. Durch eine ökologische Gestaltung der EPR-Gebühren (Ökomodulation) würde automatisch ein Anreiz zur Abfallvermeidung und zur Erhöhung der Recyclingfähigkeit von Produkten geschaffen. Nach den Plänen der EU-Kommission wird damit auch der Sektor für die Wiederverwendung und das Recycling von Textilien innerhalb der EU gefördert.
Hintergrund: Umweltproblem Textilsektor
Regelungen zur Bekämpfung von Textilabfällen sind entscheidend für eine gerechte grüne Transformation. Dazu ein paar Zahlen: 2019 sind in der EU 12,6 Millionen Tonnen Textilabfälle angefallen, davon 10,9 Millionen Tonnen Post-Consumer-Abfälle. Dazu zählt alles, von Kleidung und Schuhen bis hin zu Möbeln. Auf Kleidung und Schuhe entfallen davon beachtliche 5,2 Millionen Tonnen Abfall oder 12 kg pro Person und Jahr. 78% dieser Abfälle werden nicht getrennt gesammelt. Und von den wenigen getrennt gesammelten Abfällen werden nur 8 % wiederverwertet. Die mit der Herstellung der in der EU konsumierten Textilien verbundenen Umweltbelastungen fallen dabei größtenteils außerhalb der EU an: So stammen nicht nur 80% der Rohstoffe und 88% des benötigten Wassers aus Drittstaaten. Ebenso entstehen 73% der Treibhausgasemission für Textilien, die in der EU konsumiert werden, außerhalb der EU. Dass die Kosten unseres Konsums von anderen getragen werden, wird auch deutlich, wenn man die Arbeitsbedingungen in der Textilbranche und den Export von Textilabfällen betrachtet.
Abfallwirtschaftliche Zielvorgaben notwendig
Diese Zahlen zeigen, wie wichtig ein nachhaltiger Umgang mit Textilabfällen und deren Vermeidung ist. Dennoch steht die AK dem Vorschlag der EU-Kommission kritisch gegenüber. Die Anwendung von EPR-Systemen hat in der Vergangenheit zu Kartellbildungen und marktwidrigen Praktiken geführt. Außerdem steht überhaupt noch nicht fest, ob eine weitere Getrenntsammlung von Alttextilien – neben den noch zu verbessernden ReUSE-Sammlungen – überhaupt Sinn macht. Die Idee der EU-Kommission, ReUSE-Ware gemeinsam mit zum Beispiel verschmutzten Alttextilien zur Verwertung zu erfassen, ist realitätsfremd und untergräbt ReUSE. Statt vorschnell auf EPR-Systeme zu setzen, sollte sich die europäische Ebene darauf konzentrieren, den Mitgliedsstaaten detailliertere abfallwirtschaftliche Ziele vorzugeben. Damit hätten die Mitgliedsstaaten die Möglichkeit, die Ausgangssituation im eigenen Land zu analysieren, geeignete Maßnahmen umzusetzen – und aus alten Fehlern zu lernen, statt sie zu wiederholen.
Aufgaben der öffentlichen Hand
Oberste Priorität muss zunächst sein, die ökologische Performance von Textilien über den gesamten Lebenszyklus zu verbessern, durch Ökodesign zu einer Verringerung der Abfallmengen beizutragen und insgesamt Fast Fashion zu reduzieren. Da die Reduktion der Menge verkaufter Textilprodukte nicht im Interesse der Hersteller:innen liegt, wird der von der EU-Kommission vorgeschlagene Weg diese Herausforderung nicht bewältigen können. Die Information und Bewusstseinsbildung über Nachhaltigkeit, Wiederverwendung und Abfallvermeidung ist vielmehr eine Aufgabe der öffentlichen Hand, die neben ausreichenden personellen und finanziellen Ressourcen auch eine intensivere Zusammenarbeit mit Verbraucher:innen-Organisationen erfordert. Auch dürfen sozial-ökonomische Betriebe, die bei der Sammlung für Re-Use-Zwecke eine wichtige Rolle spielen, nicht in die Abhängigkeit von EPR-Systemen geraten. Wo und wie EPR-Systeme eingesetzt werden, muss von den zuständigen Behörden festgelegt werden. Nur so kann sichergestellt werden, dass eine gerechte grüne Transformation gelingt und dabei niemand zurückgelassen wird.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Änderung der Abfallrahmenrichtlinie – Fokus Textilsektor
EU-Kommission: Kreislaufwirtschaft für Textilien: Verantwortung übernehmen für Verringerung, Wiederverwendung und Recycling von Textilabfällen und Märkte für gebrauchte Textilien ankurbeln
ETUI: EU waste legislation: current situation and future developments (Nur Englisch)
AK EUROPA: Die Kosten tragen die Beschäftigten und die Umwelt
AK EUROPA: (Nachhaltiger) Modekonsum in Österreich: Hohes Bewusstsein, aber noch Lücken beim Handeln
AK EUROPA: Kreislaufwirtschaft: Konsum ökologisch und gerecht gestalten
AK EUROPA: Haltbarkeit von Produkten stärker fördern
AK EUROPA: AK-Konsumstudie belegt großes Interesse an Nachhaltigkeit