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ZurückNach einer Verhandlungsdauer von mehr als drei Jahren nahm das Mobilitätspaket am 8. Juli 2020 die letzte Hürde: Keiner der vorgelegten Einsprüche fand im Europäischen Parlament eine Mehrheit. Damit treten wichtige Verbesserungen für LKW- und BusfahrerInnen in Kraft – aber auch Verschlechterungen.
Es war im Mai 2017, als die Europäische Kommission das Mobilitätspaket vorlegte mit dem Ziel, den Straßenverkehr fairer, wettbewerbsfähiger und nachhaltiger zu machen. Dieses Paket beinhaltet drei Vorschläge, die sich zu den umstrittensten Dossiers der vergangenen Wahlperiode entwickeln sollten: Eine Ausnahmebestimmung für BerufskraftfahrerInnen von der Entsenderichtlinie, die Änderung der Verordnung zu den Lenk- und Ruhezeiten sowie neue Regelungen zum Marktzugang für Transportunternehmen. Mit der nun erfolgten Bestätigung des Trilogergebnisses durch das im Mai 2019 neu gewählte Europäische Parlament tritt ein klassischer Kompromiss in Kraft, der neben positiven Bestimmungen auch kritische Neuerungen umfasst.
Die wohl größte Verschlechterung zur bisherigen Rechtslage betrifft die nun beschlossene Ausnahmeregelung für BerufskraftfahrerInnen von der Entsenderichtlinie. Mit der wenig überzeugenden Begründung, dass die Entsenderichtlinie auf das Fahrpersonal im internationalen Verkehr schwierig anzuwenden sei, gibt es für diese Berufsgruppe nun als einzige eine rechtliche Ausnahme von der Richtlinie, die das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ sicherstellt. So können die Unternehmen zukünftig unter anderem für grenzüberschreitende Fahrten, die im Staat der Niederlassung beginnen, die günstigere Entlohnung des Ausgangslandes anwenden, unabhängig davon, wie viele Tage die Fahrt dauert. Zwei zusätzliche Zwischenstopps für die Be- bzw. Entladung sind außerdem zulässig. Diese Bestimmung – immerhin ist in Österreich der Mindestlohn für das Transportgewerbe bei rund 1.500 Euro, in Rumänien und Bulgarien etwa 300 Euro – geht zu Lasten der Beschäftigten, aber auch der in den Zielländern ansässigen Unternehmen.
Die Neuerungen bei den Lenk- und Ruhezeiten sehen unter anderem vor, dass es bei grenzüberschreitenden Fahrten möglich wird, die wöchentliche Ruhezeit zwei Wochen in Folge von 45 Stunden auf 24 Stunden zu verkürzen. Gleichzeitig sind die Verkehrsunternehmen nun aber verpflichtet, die Arbeit der FahrerInnen so zu planen, dass sie einmal im Monat an ihren Wohnsitz oder zur Betriebsstätte zurückkehren können. Außerdem ist nun unmissverständlich geregelt, dass die reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden nicht in der Fahrerkabine verbracht werden darf und die Kosten der Unterbringung vom Verkehrsunternehmen zu tragen sind. Des Weiteren gelten die gesamten Regelungen zu den Lenk- und Ruhezeiten nun für Fahrzeuge ab 2,5 Tonnen und nicht mehr erst ab 3,5 Tonnen. Damit soll die Umgehung der Regelung durch Verwendung kleinerer Fahrzeugen unterbunden werden.
Da es sich beim Transportgewerbe auf europäischer Ebene weiterhin um einen Markt handelt, der keinen fairen Wettbewerb zwischen Ländern mit hohem und niedrigem Wirtschafts- und Lohnniveau zulässt, gelten weiterhin Beschränkungen für ausschließlich nationale Fahrten. Die sogenannte Kabotage, also innerstaatliche Fahrten, die von ausländischen Unternehmen durchgeführt werden, ist weiterhin auf drei Fahrten innerhalb eines Zeitraums von einer Woche beschränkt. Die Kommission hatte hier weitere Lockerungen vorgeschlagen, zu denen es jedoch nicht kommt. Gleichzeitig müssen die Fahrzeuge spätestens nach acht Wochen in das Land ihrer Zulassung zurückkehren, wodurch das Konstrukt von Briefkastenfirmen weniger attraktiv werden soll. Von Seiten der Kommission gibt es zu dieser Bestimmung allerdings einen Prüfvorbehalt mit der wenig nachvollziehbaren Begründung, dass dadurch Leerfahrten gefördert und dies dem Ziel des Grünen Deals entgegenstehe.
Um die bestehenden Vorschriften von Seiten der Exekutive besser kontrollieren zu können, ist es von maßgeblicher Bedeutung, die digitalen Tachographen mit dem neuesten Stand der Technik so rasch wie möglich verpflichtend einzuführen. Mit einer Übergangszeit von vier Jahren wird dies nun zehn Jahre früher der Fall sein als ursprünglich von der Kommission vorgeschlagen. Außerdem soll es den Kontrollorganen zukünftig auch möglich sein, die Fahrtenschreiber hinsichtlich Lenkzeitüberschreitungen aus der Ferne auszulesen, wodurch ein Anhalten der LKW nicht mehr notwendig sein wird. Damit ist eine wichtige Voraussetzung geschaffen, um die Ausbeutung des Fahrpersonals und das Übertreten der bestehenden Regelungen einzudämmen und damit den Schutz der FahrerInnen vor Lohn- und Sozialdumping auf Europas Straßen voranzubringen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Mobilitätspaket – Verkehrsausschuss bestätigt Kompromiss