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ZurückDas Mobilitätspaket, das die EU-Institutionen seit Mai 2017 äußerst kontrovers diskutiert haben, steht vor dem Abschluss. Da mit diesem Paket die Arbeits- und Sozialbedingungen für LKW- und BusfahrerInnen sowie der Marktzugang für Transportunternehmen neu geregelt werden, hätte es einen großen Beitrag im Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping liefern können. Die nun vorliegende Einigung der Trilogverhandlungen zwischen Rat, Parlament und Kommission, die am 12. Dezember 2019 erreicht wurde, sieht nur in einigen Punkten tatsächliche Verbesserungen für das fahrende Personal vor.
Eines der zentralen positiven Ergebnisse des Trilogs zwischen Kommission, Rat und Parlament ist die frühzeitige Einführung der „intelligenten Kontrollgeräte“, die automatisch Grenzübertritte und die Standorte bei Be- und Entladungen registrieren. Die Kommission hatte diese neueste Generation der Fahrtenschreiber erst mit 2034 geplant. Das Parlament und der Rat einigten sich nun aber auf 2025. Dies ist deshalb so wichtig, weil damit die Kontrolle der geltenden Bestimmungen deutlich verbessert und somit der Missbrauch eher unterbunden werden könnte. Die Mitgliedstaaten müssen gleichzeitig aber dafür Sorge tragen, ihre nationalen Kontrollorgane möglichst schnell mit geeigneten Lesegeräten auszustatten und nicht von der vierjährigen Übergangsfrist Gebrauch zu machen.
Ebenfalls positiv einzuschätzen ist das Ergebnis hinsichtlich der Kabotage, also des innerstaatlichen Transports durch ausländische Unternehmen. Hier setzte sich der Rat durch, der die Beibehaltung der bisherigen Regelung (drei Kabotagefahrten innerhalb eines Zeitraums von sieben Tagen) forderte. Die Kommission und das Parlament hatten den Standpunkt vertreten, unbegrenzt viele Fahrten für einen Zeitraum von drei Tagen zu ermöglichen. Damit wäre eine große Zahl an illegalen Kabotagefahrten legal geworden, wie eine Studie von Vida und der Wirtschaftskammer belegt. Eine zusätzliche sogenannte „cooling off“ Phase von vier Tagen, durch die der LKW im Anschluss an die Kabotagefahrten in einem Mitgliedstaat dieses Land wieder verlassen muss, trägt dazu bei, Missbrauch zu vermeiden.
Ernüchternd ist das Ergebnis des Trilogs hinsichtlich der Verordnung zu den Lenk- und Ruhezeiten für LKW-FahrerInnen. So wird der Berechnungszeitraum für die wöchentlichen Ruhezeiten von zwei auf vier Wochen verlängert. Damit wird es möglich, dass FahrerInnen zwei reduzierte wöchentliche Ruhezeiten in Folge absolvieren können. Das Fahren von bis zu 17 Tagen am Stück mit nur zwei Tagen Unterbrechung wird somit möglich. Diese Regelung bedeutet noch mehr Druck auf das Fahrpersonal und noch weniger Erholungsphasen, und der Erhöhung der Verkehrssicherheit wird damit auch nicht gedient. Da hilft es auch wenig, dass nun klargestellt ist, dass die reguläre wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden nicht im LKW bzw. Bus verbracht werden darf, zumal es sich hierbei schon um geltendes Recht gehandelt hatte, das auch vom Europäischen Gerichtshof bestätigt wurde. Hinzu kommt, dass nach der dritten Woche nicht ausdrücklich festgehalten ist, dass der/die FahrerIn nach Hause zurückkehren muss, sondern nur zum Firmenstandort, egal wie weit entfernt dieser vom eigentlichen Wohnort der Fahrerin bzw. des Fahrers ist.
Eine Schlechterstellung im Vergleich zum Status quo ist auch hinsichtlich der Entlohnung der FahrerInnen festzustellen: Während sie bisher als entsendete ArbeitnehmerInnen angesehen werden und somit das Prinzip „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ auch für sie gilt, wurde nun eine Sonderbestimmung für das Transportpersonal beschlossen („Lex Specialis“): Demnach ist die Entsenderichtlinie bei bilateralen Fahrten nicht mehr anzuwenden, egal wie lange sie sind und über wie viele Tage sie sich quer durch Europa erstrecken. Außerdem sind sogar zwei Stops für Be- oder Entladungen zulässig. Für eine faire Entlohnung der Beschäftigten bräuchte es keine Sonderbestimmung und damit keine Lex Specialis, doch hierfür gab es weder im Parlament noch im Rat eine Mehrheit.
Bevor die drei nun beschlossenen Dossiers in Kraft treten können, müssen sie noch vom Rat und dem Parlament bestätigt werden. Normalerweise handelt es sich bei der Bestätigung der Trilogergebnisse um einen Formalakt. Bei umstrittenen Gesetzestexten, wie es dieses Paket zweifelsohne darstellt, sind weitere Diskussionen und eine Kampfabstimmung nicht auszuschließen. Immerhin hatten mehrere Abgeordnete im Europäischen Parlament im Vorfeld rote Linien definiert, dass beispielsweise die Regelung zu den wöchentlichen Ruhezeiten nicht geändert werden darf. Somit könnte das letzte Wort noch nicht gesprochen sein.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Die roten Linien beim Mobilitätspaket
AK EUROPA: Verkehr ohne soziales Gewissen? Hearing von Verkehrskommissarin Adina Vălean
A&W Blog: Vom „absoluten“ Kabinenschlafverbot für Lkw-FahrerInnen und anderen Märchen
A&W Blog: Der dreckige Alltag auf Europas Straßen und das EU-Mobilitätspaket