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ZurückDerzeit verhandeln die Europäische Kommission, der Rat und das Parlament im Rahmen des Trilogverfahrens über die endgültige Fassung des sogenannten Mobilitätspakets. Eine Aussprache im Beschäftigungsausschuss zum aktuellen Stand der Verhandlungen zeigte, dass noch viele zentrale Fragen offen sind. Aus Sicht der AK gibt es jedenfalls klare rote Linien, die eingehalten werden müssen, damit das Paket die Arbeitsbedingungen der FahrerInnen tatsächlich verbessert und Lohn- und Sozialdumping wirksam bekämpft wird.
Im Beschäftigungsausschuss des Europäischen Parlaments standen am 12. November 2019 die BerichterstatterInnen zur Anwendung der Entsenderichtlinie im Transportsektor („Lex Specialis“) sowie zu den Lenk- und Ruhezeiten Rede und Antwort über die Trilogverhandlungen zu diesen beiden Dossiers des Mobilitätspakets. Der Berichterstatter zu den Lenk- und Ruhezeiten, Dennis Radtke (EVP), betonte die Notwendigkeit der schnellen Einführung der neuesten Generation von „intelligenten“ Fahrtenschreibern, damit die bestehenden Regeln auch kontrolliert werden können. Außerdem setzt er sich dafür ein, dass die Regeln im Transportgewerbe auch für Fahrzeuge ab 2,4 Tonnen gelten, wenn sie im Güterverkehr eingesetzt werden, um Umgehungen durch kleinere LKW zu vermeiden. Die Abgeordneten der SozialdemokratInnen, Agnes Jongerius und Marianne Vind, hoben hervor, dass die Ruhezeiten der FahrerInnen deren Schutz und der Verkehrssicherheit dienten und damit eine Aufweichung der Regelungen hinsichtlich der wöchentlichen Ruhezeit, wie sie im Trilog diskutiert werden, für sie nicht akzeptabel sei.
Auch aus Sicht der Arbeiterkammer ist klar: Die regelmäßige wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden muss auch weiterhin nach spätestens zwei Wochen eingelegt werden. Mehrere verkürzte wöchentliche Ruhezeiten von 24 Stunden hintereinander würden die Arbeitsbedingungen der FahrerInnen weiter verschlechtern und sich negativ auf die Verkehrssicherheit auswirken. Darüber hinaus muss in der Verordnung zu den Lenk- und Ruhezeiten auch unmissverständlich festgehalten werden, dass die FahrerInnen spätestens nach drei Wochen ihre wöchentliche Ruhezeit am Wohnort verbringen müssen und nicht „freiwillig“ ein anderer Ort von den FahrerInnen gewählt werden kann. Denn eines ist klar: Wenn FahrerInnen ihre Ruhezeit „freiwillig“ nicht zu Hause verbringen können, dann würde dies automatisch zu immensen Druck auf die FahrerInnen führen, einen näher liegenden Ort zu wählen, um ihre Arbeit nicht zu verlieren. Und auch Pauschalentlohnungen von FahrerInnen müssen in der neuen Verordnung für Lenk- und Ruhezeiten ausdrücklich verboten werden.
Keine schwindligen Kompromisse darf es aus Sicht der AK auch hinsichtlich der Tachographen und der Kontrollen geben: Damit Lohn- und Sozialdumping wirklich eingedämmt werden kann, müssen die bestehenden bzw zukünftig geltenden Regelungen auch kontrollierbar sein. Dazu ist die Einführung intelligenter Fahrtenschreiber der neuesten Generation im internationalen Verkehr bis 2024 Voraussetzung, mit dem Grenzübertritte sowie Be- bzw Entladeorte automatisch aufgezeichnet werden. Das Argument der Transportbranche, dass alle LKW im internationalen Verkehr mit dieser neuesten Generation an Fahrtenschreibern nicht innerhalb von vier Jahren ausgestattet werden können, stellt aus Sicht der AK lediglich eine Verzögerungstaktik dar. So brachte es auch Berichterstatter Dennis Radtke im Beschäftigungsausschuss auf den Punkt: „Das Europäische Parlament ist hier für die Rechtsetzung, und es muss das Recht setzen, damit es zur Weiterentwicklung der Technologie kommt.“
Um Vergehen gegen die bestehenden Regelungen feststellen zu können, muss aus Sicht der AK auch weiterhin eine lückenlose Dokumentation der Tätigkeiten des Lenkpersonals der letzten vier Wochen (bzw in Zukunft wohl 7 Wochen) gegeben sein. Versuche, unter dem Deckmantel der Entbürokratisierung nur Abwesenheiten (zB Urlaub, Krankenstände) ab einer Woche nachweisen zu müssen, würden in der Praxis dem Missbrauch Tür und Tor öffnen – jede/r könnte bei einer Kontrolle fälschlicherweise behaupten, nicht gearbeitet zu haben, ohne dass es den Kontrollbehörden möglich wäre, dies zu überprüfen.
Die Ausnahmen zur Anwendung der Entsenderichtlinie für das Transportgerbe („Lex Specialis“), wie sie derzeit im Trilog verhandelt werden, gehen aus Sicht der AK zu weit. Wenn bei grenzüberschreitenden Fahrten quer durch Europa inklusive von zwei Be- und Entladungen der Grundsatz „gleicher Lohn für gleiche Arbeit am gleichen Ort“ nicht gelten soll, würde damit Lohn- und Sozialdumping auf Europas Straßen zunehmen anstatt eingedämmt zu werden.
Darüber hinaus werden im Rahmen des Mobilitätspakets noch Neuerungen hinsichtlich der Kabotage (innerstaatliche Transporte durch ausländische Unternehmen) diskutiert. Aus Sicht der AK ist es unerlässlich, wie auch bisher eine maximale Anzahl an Kabotagefahrten vorzusehen. Den Vorschlag, Kabotage auf einen gewissen Zeitraum zu begrenzen, dafür aber ohne zahlenmäßige Beschränkung der Fahrten, würde den Druck auf die FahrerInnen zusätzlich erhöhen. Außerdem fordert die AK, dass die Mitgliedstaaten auch eine Mindestzahl von Kontrollen bei der Kabotage vorsehen müssen.
Außerdem braucht es klare Regelungen im Umgang mit Unternehmen, die gegen die bestehenden Vorschriften wiederholt verstoßen. Es gibt einen umfangreichen Kriterienkatalog, wann die Mitgliedstaaten Unternehmen ihre Konzession wegen Verstößen zu entziehen haben. Allerdings soll dieser Kriterienkatalog für die Mitgliedstaaten nicht verbindlich, sondern freiwillig sein. Aus Sicht der AK wäre eine Freiwilligkeit bei der Anwendung des Kriterienkatalogs völlig inakzeptabel.
Die Arbeiterkammer fordert die VerhandlerInnen von Kommission, Rat und Parlament auf, diese Punkte im Rahmen der Trilogsitzungen zu berücksichtigen. Denn nur so würde das Mobilitätspaket auch einen Beitrag dazu leisten können, Lohn- und Sozialdumping auf den Straßen Europas auch wirksam zu bekämpfen.
Weitere Informationen:
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