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ZurückDie Sozialvorschriften für LKW- und BusfahrerInnen gehören zu den umstrittensten EU-Dossiers der letzten Jahre. Der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments bestätigte bei den Abstimmungen am 19. und 24. September die bisher gefundenen Kompromisse. Im Oktober sollen die Trilogverhandlungen zwischen Europäischem Parlament, Kommission und Rat und damit die letzte Etappe im Rahmen des EU-Gesetzwerdungsprozesses starten.
Seit mehr als zwei Jahren verhandeln die Institutionen in Brüssel über die Anwendung der Entsenderichtlinie im Transportgewerbe (lex specialis), die Lenk- und Ruhezeiten für LKW- und BusfahrerInnen sowie die Bestimmungen zur Kabotage (innerstaatliche Beförderungen durch ausländische Unternehmen). Diese Richtlinien und Verordnungen sind entscheidend für die Arbeitsbedingungen der FahrerInnen und den Kampf gegen Lohn- und Sozialdumping auf Europas Straßen. Doch gerade VertreterInnen aus den neuen Mitgliedstaaten sehen darin eine Beschränkung des Marktes und negieren damit die katastrophalen Arbeitsbedingungen der Beschäftigten in dieser Branche, obwohl viele Betroffene gerade aus diesen Ländern stammen.
Aus Sicht der Arbeiterkammer und der europäischen Gewerkschaften gibt es keinen Grund, die Entsenderichtlinie nicht ab dem ersten Tag anzuwenden, wenn FahrerInnen im Ausland unterwegs sind. Denn das Prinzip „gleicher Lohn für die gleiche Arbeit am selben Ort“ muss auch für sie gelten. Das Fahren ist eine Tätigkeit, die nicht schlechter gestellt werden darf als andere. Das sehen jedoch zahlreiche VertreterInnen aus den östlichen Mitgliedstaaten anders: Ausnahmeregelungen bei der Anwendung der Entsenderichtlinie von weit mehr als zehn Tagen innerhalb eines Monats wurden sogar gefordert. Dementsprechend kontrovers waren die Verhandlungen sowohl im Rat als auch im Parlament.
Schlussendlich einigte sich der Rat unter der österreichischen Ratspräsidentschaft auf einen Kompromiss, dass grenzüberschreitende Fahrten inklusive zwei Zwischenstopps zur Be- und Entladung von der Entsenderichtlinie auszunehmen sind, egal wie lang die Fahrten sind. Dies sieht die AK kritisch, weil unter realen Verhältnissen FahrerInnen somit nur erschwert unter den Schutz der Entsenderichtlinie fallen. Auch die Regelung, dass die FahrerInnen erst nach vier Wochen an die Betriebsstätte des Unternehmens oder an den Wohnort zurückzukehren haben, wird das Nomadentum auf Europas Straßen nicht unterbinden.
Im Parlament war die Mehrheitsfindung noch schwieriger: Nicht weniger als fünf Abstimmungen gab es bis vor den EU-Wahlen, um sich bei den Dossiers auf einen ähnlich zwiespältigen Kompromiss zu einigen. Doch die Fraktion der Europäischen Konservativen und Reformer rund um die polnische Regierungspartei PiS bewirkte eine Sondersitzung des neuen Verkehrsausschusses mit dem Antrag, die Verhandlungen rund um das Paket neu zu beginnen. Mit 30 Stimmen gegen diesen Antrag gegenüber 19 BefürworterInnen fand dieser Antrag am 19. September 2019 keine Mehrheit. Auch bei den abschließenden Abstimmungen über die vorliegenden Berichte des Europäischen Parlaments zu diesen drei Dossiers am 24. September 2019 bestätigten die MandatarInnen den bereits den vom alten Parlament gefundenen Kompromiss.
Damit ist der Weg für den Beginn der Trilogverhandlungen eröffnet. Bei diesen treffen sich die Kommission, der Rat und das Parlament, um auf Grundlage ihrer jeweiligen Positionen die endgültige Fassung der Richtlinien und Verordnungen zu finden. Sollten die Verhandlungen unter finnischer Ratspräsidentschaft nicht zügig abgeschlossen werden können, so erhalten die Verhandlungen eine neue Facette: Am 1. November dürfte eine Rumänin oder ein Rumäne das Amt der Verkehrskommissarin von Violeta Bulc übernehmen. Da gerade rumänische VertreterInnen zu den größten KritikerInnen der bisherigen Kompromisse zählen, könnte damit das Finden einer Einigung nochmals zusätzlich erschwert werden.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Mobilitätspaket – Abstimmung im Europäischen Parlament mit zwiespältigem Ausgang
AK EUROPA: Mobilitätspaket – Rat einigt sich bei Sozialvorschriften
Europäische Kommission: Mission Letter an die designierte Verkehrskommissarin Rovana Plump
A&W Blog: Vom „absoluten“ Kabinenschlafverbot für LKW-FahrerInnen und anderen Märchen
A&W Blog: Der dreckige Alltag auf Europas Straßen und das EU-Mobilitätspaket