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ZurückDie lange Suche nach einem Kompromiss beim Mobilitätspaket steht kurz vor dem Ende. Nachdem sich vor dem Jahreswechsel im Trilog die VertreterInnen des EU-Parlaments, des Rates und der Kommission auf einen gemeinsamen Text geeinigt hatten, bestätigte nun der Verkehrsausschuss des EU-Parlaments das Ergebnis mit relativ knapper Mehrheit.
Normalerweise handelt es sich bei Bestätigungen der Trilogverhandlungen um einen Routineakt: Nachdem sich innerhalb des Triloges die VertreterInnen der Ratspräsidentschaft, der BerichterstatterInnen des EU-Parlaments sowie der zuständigen Generaldirektion der Kommission auf einen Kompromisstext geeinigt haben, gilt dessen Bestätigung im zuständigen Ausschuss des EU-Parlaments sowie den Sitzungen des Rates als Formsache. Bei so heftig umstrittenen Dossiers, wie es die drei Dossiers zum Mobilitätspaket darstellen, war es aber anders.
Bei der Regelung zur Anwendung der Entsenderichtlinie im Straßenverkehr, der Lenk- und Ruhezeiten sowie den Regelungen zur Kabotage – diese drei Dossiers bilden gemeinsam das Mobilitätspaket – handelt es sich um zentrale Dokumente, die die Arbeitsbedingungen der BerufskraftfahrerInnen auf Europas Straßen maßgeblich regeln und damit Lohn- und Sozialdumping verhindern könnten. Der gefundene Kompromiss ist aus Sicht der AK aber zwiespältig, da er unter anderem vorsieht, dass FahrerInnen mehrere Tage in Ländern mit hohem Preisniveau unterwegs sein können, dennoch aber nur Anspruch auf den niedrigeren Lohn des Entsendelandes haben. Ebenso wurde das Recht der FahrerInnen, nach drei Wochen nach Hause zurückzukehren, nicht wie erhofft eingeführt. Dem gegenüber stehen die Interessen vor allem der osteuropäischen Staaten, die so wenig Auflagen wie möglich wollen, um ihren Wettbewerbsvorteil für Fahrten in ganz Europa noch stärker ausnutzen zu können.
Dementsprechend war im Vorfeld zur Abstimmung im Verkehrsausschuss nicht klar, ob der Kompromiss die notwendige Mehrheit erzielen würde. Und so zeigte es sich auch beim Ergebnis: Von den 49 stimmberechtigten Abgeordneten stimmten 27 für die Sonderregelungen zur Entsenderichtlinie, 22 stimmten dagegen. Dabei waren es in erster Linie die Abgeordneten der neuen Mitgliedstaaten innerhalb der Europäischen Volkspartei, der SozialdemokratInnen sowie der Konservativen und Reformer, die gegen den Kompromiss stimmten. Geschlossen dagegen stimmte auch die Grüne Fraktion. Bei der zweiten Abstimmung zu den Lenk- und Ruhezeiten waren wiederum 27 dafür, 17 dagegen, und die fünf grünen Abgeordneten enthielten sich. Die dritte und letzte Abstimmung zur Kabotage war dann mit 32 Ja-Stimmen und 17 Nein-Stimmen vergleichsweise deutlich, da die Grünen geschlossen für diesen Vorschlag stimmten.
Die Arbeiterkammer hatte rote Linien definiert, damit das Mobilitätspaket die Arbeitsbedingungen der FahrerInnen auch tatsächlich verbessert. Diese wurden aber nur teilweise eingehalten. Gerade in Anbetracht der Entlohnung des Fahrpersonals bestehen zwischen West- und Osteuropa große Unterschiede, weshalb Fahrten maßgeblich günstiger angeboten werden können, wenn sie nicht nach österreichischen oder deutschen Regelungen entlohnt werden. Eine aktuelle Studie der Arbeiterkammer „Monetarisierung von Sozialdumping im Straßenverkehr“ zeigt eindrucksvoll auf, dass die FahrerInnenkosten mehr als doppelt so hoch sind im Vergleich zu slowenischen oder ungarischen FahrerInnen, wenn deutsche oder österreichische FahrerInnen eingesetzt werden. Unter Berücksichtigung von Fahrzeug- und Mautkosten können osteuropäische Unternehmen die Gütertransporte bis zu 22 % günstiger durchführen.
Voraussichtlich im Mai 2020 stehen die Dossiers wohl letztmalig auf der Tagesordnung des EU Parlaments. Dies wird die letzte Möglichkeit sein, um noch Abänderungen erzielen zu können, die dann wiederum mit dem Rat und der Kommission nachverhandelt werden müssten. In Anbetracht des aktuellen Abstimmungsergebnisses ist eine Mehrheit für Abänderungsanträge aber eher unwahrscheinlich. Der überwiegende Teil der Abgeordneten, die im Verkehrsausschuss gegen das Paket gestimmt haben, wünscht sich nämlich eine noch größere Lockerung der bestehenden Regelungen, anstatt die FahrerInnen besser vor Lohn- und Sozialdumping zu schützen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Zwiespältiges Ergebnis der Trilogverhandlungen
AK EUROPA: Die roten Linien des Mobilitätspakets
AK EUROPA Policy Brief: Monetary value of social dumping in road transport
A&W Blog: Der dreckige Alltag auf Europas Straßen und das Mobilitätspaket