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ZurückDie Europäische Kommission hat Ende Oktober ihr Arbeitsprogramm für 2019 vorgelegt. Sie möchte sich dabei verstärkt auf ihre Prioritäten bis zu den EP Wahlen im Mai 2019 konzentrieren. Der Abschluss der vorgeschlagenen Dossiers steht dabei im Vordergrund.
Die Europäische Kommission unter Präsident Juncker hatte sich 2014 selbst zehn Prioritäten gesetzt. Sie bilden seit Amtsantritt den Rahmen für die Jahresplanung der Kommission. Im Gegensatz zur Vorgänger-Kommission unter Barroso liegt der Schwerpunkt der Jahresarbeitsprogramme seither auf einer begrenzten Anzahl von Schlüsselinitiativen, die das Ziel verfolgen, nachweislich einen Mehrwert auf EU-Ebene zu bringen.
Das Jahresarbeitsprogramm 2019 verfolgt einerseits das Ziel einer raschen Einigung bei den bereits vorgelegten Legislativvorschlägen, andererseits soll es nur noch zur Annahme einer begrenzten Anzahl neuer Initiativen kommen. Schwerpunkt liegt dabei auf Initiativen der künftigen „EU der 27 Mitgliedstaaten“. Ziel ist es, ein stabileres Fundament für ein „vereintes und souveränes Europa“ zu schaffen.
Die Europäische Kommission wirbt im Rahmen des Arbeitsprogrammes für sich und weist darauf hin, dass sie bereits alle Legislativvorschläge vorgelegt habe, die notwendig seien, die zehn Prioritäten der Juncker-Kommission aus 2014 umzusetzen. Zwischenzeitlich sei eine Einigung bei über 50 Prozent der Vorschläge mit dem Europäischen Parlament und dem Rat gelungen, 20 weitere Dossiers befänden sich in einem fortgeschrittenen Stadium der Beschlussfassung.
Für die kommenden Wochen habe sich die Europäische Kommission vorgenommen, möglichst viele ausstehende Vorschläge im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens voranzutreiben, damit diese vor den Wahlen zum Europäischen Parlament im Mai 2019 abgeschlossen werden können. Die Liste der prioritären Dossiers umfasst nicht weniger als 84 Themen, bei der sich auch die für die Arbeiterkammer maßgeblichen Dossiers wiederfinden:
Unter dem Kapitel „vertiefter und fairerer Binnenmarkt“ erinnert die Kommission an die Proklamation der Europäischen Säule sozialer Rechte und betont die Dringlichkeit einer baldigen Einigung bei den Dossiers, die sie in weiterer Folge vorgeschlagen hat. Dazu zählt in erster Linie die Einführung einer Europäischen Arbeitsbehörde, um Lohn- und Sozialdumping über die Grenzen der Mitgliedstaaten hinweg endlich wirkungsvoll bekämpfen zu können. Außerdem führt sie den Vorschlag zur Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben und die Richtlinie für faire und transparente Arbeitsbedingungen an, die auch auf atypische Beschäftigungsverhältnisse ausgedehnt werden soll. Aus Sicht der Arbeiterkammer sind diese Dossiers mit Nachdruck voranzubringen, um die soziale Dimension Europas endlich wirkungsvoll zu stärken.
Einen Abschluss wünscht sich die Kommission auch bei den Sozialbestimmungen für BerufskraftfahrerInnen im Straßenverkehr. Besonders bei der vorgesehenen Lockerung bei der Anwendung der Entsenderichtlinie im Straßenverkehr (Lex Specialis), aber auch bei der Flexibilisierung der Lenk- und Ruhezeiten sowie bei den Kabotagebestimmungen sieht die Arbeiterkammer grundsätzlich keinen Bedarf, an der derzeitig geltenden Rechtslage Änderungen vorzunehmen. Deshalb werden die vorgeschlagenen Änderungen innerhalb des 1. Mobilitätspakets äußerst kritisch bewertet.
Zu den weiteren prioritären Dossiers zählt der „New Deal for Consumers“, mit dem Sammelklagen auf Europäischer Ebene möglich werden sollen. In Anbetracht der Schwächen des grenzüberschreitenden KonsumentInnenschutzes in Europa, die der Dieselskandal schonungslos aufgedeckt hat, ist es von zentraler Bedeutung, das Vertrauen der BürgerInnen in ein gerechtes Europa zu stärken.
Der für die Kommission wohl wichtigste Block stellt jedoch in Zusammenhang mit dem Mehrjährigen Finanzrahmen 2021-2027 dar. Diesen legte die Kommission im Mai diesen Jahres vor und erhofft sich einen Abschluss noch vor den EU-Wahlen im Mai 2019. Aus Sicht der Arbeiterkammer sind jedoch noch eine Reihe von Nachbesserungen notwendig. So wird im Vorschlag zu wenig Wert daraufgelegt, dass Beschäftigte und KonsumentInnen überproportional zur Finanzierung des EU-Haushaltes beitragen. Durch eine Gewinnsteuer für digitale Konzerne und eine EU-weite Finanztransaktionssteuer könnte es zu einer faireren Aufwandsverteilung kommen. Gleichzeitig ist es wichtig, dass der Europäische Sozialfonds Plus deutlich aufgestockt wird, um den Herausforderungen im Sozialbereich adäquat zu begegnen.
Daneben finden sich im Arbeitsprogramm 2019 auch 15 neue Initiativen, u.a. eine Bestandsaufnahme der Investitionsinitiative für Europa (EFSI, bekannt als "Juncker-Fonds"). Die AK begrüßt das Anstoßen öffentlicher Zukunftsinvestitionen, fordert daher seit Jahren, diese aus der Defizitberechnung auszunehmen („Goldene Investitionsregel“). Sie bleibt aber gegenüber dem Konzept der „Private-Public-Partnerships“, wie sie der EFSI vorsieht, sehr skeptisch, da diese den BürgerInnen deutlich teurer kommen als Investitionen, die aus öffentlicher Hand schuldenfinanziert werden.
Für die AK von besonderer Bedeutung ist die Vorlage einer Strategie für Chemikalien mit endokriner Wirkung. Dabei handelt sich um gefährliche Stoffe, die das hormonelle System verändern können und mit einer Reihe von Gesundheitsschädigungen assoziiert werden (Brustkrebs, Schädigung der Fortpflanzungsfähigkeit uvm). Endokrine Disruptoren kommen z. B. in Pestiziden oder organischen Lösungsmitteln vor.
Des Weiteren wird die Vorlage einer Strategie für die langfristige Reduzierung von Treibhausgasemissionen angekündigt und ein Bericht über den Stand der EU-Energieunion sowie ein Reflexionspapier, das darlegen soll, wie ein nachhaltiges Europa für die kommenden Generationen sichergestellt werden kann. Diese Initiative ergreift die Europäische Kommission im Hinblick auf die Vollendung der Energieunion und zur Bekämpfung des Klimawandels. Ambitionierte Ziele und ein ganzheitlicher Ansatz, der alle VerursacherInnen von Treibhausgasen erfasst, wären jedenfalls zu begrüßen.
In Anbetracht der nur mehr kurzen verbleibenden Zeit bis zu den EU-Wahlen im Mai 2019 ist es nicht realistisch, dass es zum Abschluss aller Initiativen kommt. Daher ist die Priorisierung der zentralen Dossiers, insbesondere zur Weiterentwicklung eines sozialen Europas, von besonderer Bedeutung. Denn alle Dossiers, die vor den Wahlen nicht abgeschlossen werden können, laufen Gefahr, in der folgenden Amtsperiode der Kommission nicht mehr aufgenommen zu werden.
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