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ZurückBereits zum zweiten Mal fand Ende Oktober 2021 die Europäische Woche der Geschlechtergleichstellung statt. Der Gender Equality Index 2021 zeigt jedoch, dass die Europäische Union von einer umfassenden Gleichstellung der Geschlechter noch immer weit entfernt ist.
Auf Initiative des Ausschusses für die Rechte der Frauen und die Gleichstellung der Geschlechter (FEMM) hielt das Europäische Parlament zwischen 25. und 28. Oktober 2021 die zweite Europäische Woche der Geschlechtergleichstellung ab. In diesem Rahmen fanden in den diversen Ausschüssen des Europäischen Parlamentes Veranstaltungen zum Thema statt. Dies ist Ausdruck dafür, dass Frauen- und Gleichstellungspolitik zunehmend in den Fokus europäischer Politik gelangt.
Der Gender Equality Index 2021 zeigt, dass dies auch notwendig ist, da Europa derzeit noch immer weit von dem Ziel umfassender Geschlechtergleichstellung entfernt ist. Im Rahmen des Gender Equality Index wird die Geschlechtergleichstellung in den Mitgliedsstaaten der EU in sechs Bereichen evaluiert: Arbeit, Geld, Wissen, Zeit, Macht und Gesundheit. Im Jahr 2021 erreichten die Mitgliedsstaaten der EU im Schnitt lediglich einen Wert von 68, wobei ein Wert von 100 umfassender Gleichstellung in allen untersuchten Bereichen entsprechen würde. Zwar gab es im Vergleich zu letztem Jahr eine Verbesserung; diese fällt jedoch mit lediglich 0,6 Punkten sehr gering aus. Evelyn Regner (S&D), Vorsitzende des FEMM Ausschusses, rechnet vor, dass die vollständige Gleichstellung der Geschlechter bei dieser Geschwindigkeit frühestens im Jahre 2085 erreicht würde. Österreich liegt laut Gender Equality Index im europäischen Mittelfeld und erreicht 2021 exakt den Wert von 68. Nicht zuletzt bei den Löhnen offenbart sich die Ungleichheit zwischen Frauen und Männern: In der EU verdienen Frauen pro Stunde um 14,1 % weniger als Männer, wodurch sich sozio-ökonomische Ungleichheiten häufig auch in Form von finanzieller Abhängigkeit verfestigen.
Die ungleichen Geschlechterverhältnisse sind während der Covid-19 Pandemie noch sichtbarer geworden. Fest steht: Frauen sind in vielerlei Hinsicht stärker von den negativen Auswirkungen der Pandemie betroffen. Einerseits sind es zumeist Frauen, welche in systemrelevanten Branchen – beispielsweise im Bereich der Gesundheit, Pflege, Einzelhandel und (Elementar-)bildung – arbeiten. Zu der hohen Arbeitsbelastung in diesen frauendominierten Branchen kommen geringe Löhne, welche den gesellschaftlichen Wert der erbrachten Leistung keineswegs widerspiegeln, hinzu. Außerdem verrichteten Frauen bereits vor der Pandemie einen Großteil der unbezahlten Arbeit im Haushalt als auch im Bereich der Erziehung und Pflege. Durch die Covid-19 Krise wurde dieses Phänomen weiter verstärkt und führte zu einer überproportionalen Belastung für Frauen. Nicht zuletzt stellt häusliche Gewalt gegenüber Frauen ein drängendes Problem dar, welches sich während der Pandemie zunehmend verschärft hat.
Kommissionspräsidentin von der Leyen hatte zu Anfang ihrer Amtszeit Gleichstellung als zentrale Priorität der Kommission benannt und eine Gleichstellungsstrategie vorgelegt. Wie schon in von der Leyens zweiter Rede zur Lage der Union angekündigt, wird die Kommission Anfang Dezember 2021 Maßnahmen vorstellen, um Gewalt an Frauen vorzubeugen und zu bekämpfen. Des Weiteren wird das Thema des Gender Pay Gaps derzeit intensiv auf EU-Ebene behandelt. Im März 2021 hatte die Kommission einen Richtlinienvorschlag vorgestellt, welcher darauf abzielt, den Grundsatz des gleichen Entgelts für Männer und Frauen durch Lohntransparenz zu stärken. Der Richtlinienvorschlag wurde bereits eingehend im EU-Parlament diskutiert und soll im Februar 2022 zur Abstimmung stehen. Der Vorstoß der EU-Kommission ist hierbei ausdrücklich zu begrüßen, da bindende Maßnahmen zu Lohntransparenz zu einer langjährigen Forderung der AK gehören, um den Gender Pay Gap zu schließen.
Gerade in Anbetracht der Covid-19 Pandemie, welche Frauen ungleich härter traf und trifft als Männer, muss das Ziel der Gleichstellung effektiv und politisch prioritär verfolgt werden. Obzwar die Pläne der EU Kommission in die richtige Richtung gehen, bedarf es noch ambitionierter Maßnahmen, um umfassende Geschlechtergleichstellung in der EU zu erreichen. Hierfür müsste sich Geschlechtergleichstellung auch im Rahmen des grünen und digitalen Wandels als zentrales Ziel wiederfinden, damit sie auch im Rahmen des angestrebten Aufbaus einer inklusiven Wirtschaft im Sinne einer Just Transition realisiert wird. Es gilt daher, den Wiederaufbau der europäischen Wirtschaft geschlechtergerecht zu gestalten.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Richtlinie zur Lohntransparenz
AK EUROPA Policy Brief: Gender Pay Gap (nur Englisch)
AK EUROPA: Neue Gleichstellungsstrategie veröffentlicht
AK EUROPA: Anstieg von Gewalt an Frauen als Schattenpandemie
EIGE: Gender Equality Index 2021 (nur Englisch)