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ZurückAm Donnerstag, 5. März 2020, nur wenige Tage vor dem Weltfrauentag am 8. März, veröffentlicht die Kommission ihre Gleichstellungsstrategie. In Brüssel präsentiert wurde sie von Helena Dalli, der ersten Gleichstellungskommissarin der EU, sowie Věra Jourová, der verantwortlichen Vizepräsidentin der Kommission.
Kommissionspräsisdentin von der Leyen hat das Thema Gleichstellung zu einer der Prioritäten ihrer Kommission erklärt – der A&W Blog berichtete. So ist der Frauenanteil in dieser Kommission so hoch wie noch nie und mit Helena Dalli wurde eine Feministin und Kämpferin für LGBTIQ Rechte in die Kommission von der Leyens geholt, welche sich bereits in der maltesischen Politik einen Namen machte. Im Gegensatz zur vorigen, sollte unter der neuen Kommission auch wieder eine Gleichstellungsstrategie veröffentlicht werden.
Denn zu tun gibt es nach wie vor genug: So verdienen Frauen im EU-Durchschnitt 16 % weniger als Männer und erhalten um 30,1 % weniger Pension. 33 % der Frauen in der EU sind in ihrem Leben von physischer oder sexueller Gewalt betroffen, 55 % wurden bereits sexuell belästigt. Nicht weniger als 75 % der unbezahlten Hausarbeit wird immer noch von Frauen verrichtet. Bei der 4. Weltfrauenkonferenz in Bejing 1995 wurden erstmalig universelle Frauenrechte als Menschenrechte deklariert, sowie ein Aktionsplan zum Erreichen von mehr Geschlechtergleichheit entwickelt. Die EU verpflichtete sich, die Fortschritte in Bezug auf diesen Prozess jährlich zu evaluieren. Beim Rückblick auf die letzten 25 Jahre, wird unter anderem auch folgende Bilanz vom Europäischen Parlamentarischen Forschungsservice gezogen: Viele Herausforderungen, wie der Lohnunterschied und die ungleiche Verteilung der unbezahlten Arbeit zwischen den Geschlechtern, sind immer noch hoch aktuell. Neue Herausforderungen, etwa durch die Digitalisierung und den Backlash in Bezug auf Geschlechtergleichheit, gilt es ebenso in Angriff zu nehmen.
Die neue EU-Gleichstellungstrategie soll nicht nur als europäischer Beitrag zur Erreichung der Bejing-Ziele gesehen, sondern auch im Sinne der Nachhaltigen Entwicklungsziele (Sustainable Development Goal SDGs) umgesetzt werden. Bereits im Jänner forderte das Parlament die Kommission auf, ein ehrgeiziges Gleichstellungspaket zu präsentieren. Am 5. März wurde nun die Gleichstellungsstrategie 2020-2025 veröffentlicht. Diese soll die Kommission, die Mitgliedstaaten und das EU-Parlament in ihren Handlungen anleiten. Erstmalig wurde auch eine jährliche Evaluierung verankert.
Im Zentrum der Strategie steht der Kampf gegen geschlechtsspezifische Gewalt, für eine Gleichstellung am Arbeitsmarkt, am Lohnzettel und in der Pension sowie die Bekämpfung von Stereotypen. Die Strategie soll auch mit noch kommenden – im Sinne eines intersektionalen Anspruchs – verknüpft werden. So soll etwa die LGBTIQ-Strategie sowie eine Strategie zu Roma und Sinti noch Ende des Jahres folgen.
Ein Herzstück der Gleichstellungstrategie liegt im Kampf gegen Gewalt an Frauen. Nach wie vor wird eine Ratifizierung der Istanbuler Konvention gegen häusliche Gewalt angestrebt, dies wird allerdings seit 2014 im Rat blockiert. Sollte es jedoch nicht gelingen, die bisher noch nicht ratifizierten Staaten zur Unterstützung der Istanbuler Konvention zu bringen, wird die Kommission 2021 selbst Maßnahmen vorstellen. Auch der Arbeitsmarkt und eine geschlechtergerechtere Aufteilung der Sorgearbeit ist Ziel einiger Maßnahmen. So soll die Beschäftigungsquote von Frauen erhöht werden, diese liegt aktuell bei 67 % bei Frauen im Vergleich zu 78 % bei Männern. In diesem Kontext gilt es unter anderem auch, die Umsetzung der Richtlinie zur Work-Life-Balance sicherzustellen. Es wird eine EU-weite Kampagne zum Abbau von Stereotypen in die Wege geleitet werden. Der Anteil von Frauen im Digitalbereich soll ebenso erhöht werden.
Eine Quote in den Aufsichtsräten – wie bereits 2012 angestrebt – soll weitverfolgt werden. Quoten bezeichnete Kommissarin Dalli als „notwendiges Übel“ um mehr Geschlechtergleichheit in Schlüsselpositionen zu erreichen. Die Kommission nimmt sich auch selbst in die Pflicht und erhöht die Quoten auf all ihren Managementebenen auf 50 %. Den hohen Unterschieden in Bezug auf Gehälter und Pensionsleistungen soll ebenso mit der Strategie entgegengewirkt werden. So werden etwa verbindliche Maßnahmen zur Lohntransparenz noch dieses Jahr folgen, mit dem heutigen Tag wurde hierzu der Konsultationsprozess gestartet. Die Kommission wird auch mit den Sozialpartnern dazu in den Dialog treten.
Die Strategie fokussiert jedoch nicht nur auf einzelne Bereiche, sondern strebt auch ein Gender Mainstreaming und damit die Inklusion der Gender-Perspektive in allen EU-Politiken an. Dies soll mit einer eigens dafür eingerichteten „Task for Equality“ in Angriff genommen werden. Finanziert soll die Strategie durch das Zurückgreifen auf verschiedene Fonds sowie durch ein Gender Budgeting im MFF 2021-2027 werden. Evelyn Regner, Vorsitzende des Kommittees für Frauenrechte und Geschlechtergleichheit im Parlament, begrüßte die Strategie: „Die von der Leyen-Kommission hält Wort und präsentiert in den ersten 100 Tagen ihrer Amtszeit eine echte EU-Gleichstellungsstrategie. Wenn Gleichstellung zur Chefinnen-Sache wird, geht etwas weiter“.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Gleichstellungsstrategie 2020-2025
Europäische Kommission Factsheet: Striving for a Union of Equality
Europäisches Parlamentarisches Forschungsservice: Bejing Platform for Action – 25 years on
A&W Blog: Die Gleichstellungsstrategie der Kommission von der Leyen – kritisch – konstruktiv gelesen