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ZurückDer Chef der Europäischen Zentralbank, Mario Draghi, gab vor dem Wirtschaftsausschuss des Europäischen Parlaments einen aktuellen wirtschaftspolitischen Ausblick für die Union und fordert dabei einen stärkeren Ausbau der Wirtschafts- und Währungsunion.
Im Rahmen des geld- und währungspolitischen Dialogs stand Mario Draghi am 26. November 2018 dem Wirtschaftsausschuss ECON Rede und Antwort. Er musste dabei feststellen, dass die wirtschaftlichen Kennzahlen des Euroraums im 3. Quartal 2018 etwas schwächer ausgefallen sind als prognostiziert. So wuchs das BIP im letzten Quartal um 0,2 %, in den beiden Quartalen zuvor waren es noch 0,4 %. Er begründete diesen Rückgang durch Schwächen im internationalen Handel.
Insgesamt soll das Wirtschaftswachstum im aktuellen Jahr 2 % betragen, für die kommenden beiden Jahre prognostiziert er einen leichten Rückgang auf 1,8 % im Jahr 2019 und 1,7 % im Jahr 2020. Dabei weist er auf das Risiko des verstärkten Protektionismus auf dem Weltmarkt hin, welches sich hemmend auf das Wirtschaftswachstum auswirkt, aber auch auf die Situation in einigen Schwellenländern und auf die Volatilität an den Finanzmärkten.
Der Arbeitsmarkt wird sich weiter erholen, allerdings wohl auch nicht so schnell wie erhofft. Dies begründet er mit dem europaweit feststellbaren FacharbeiterInnenmangel. Die Arbeitslosigkeit fiel auf 8,1 % im September 2018 und liegt damit auf dem niedrigsten Wert seit 2008. Sowohl die Beschäftigungsquote als auch die durchschnittlichen Haushaltseinkommen, die für die Binnenmarktnachfrage von zentraler Bedeutung sind, entwickeln sich positiv.
Zur Diskussion um die Reform der Wirtschafts- und Währungsunion hält Mario Draghi fest, dass der Weg zur weitgehenden Integration der WWU fortgeführt werden soll. Während die Währungspolitik durch die Gemeinschaftswährung und die EZB europäisiert ist, sind die wesentlichen Teile der Wirtschaftspolitik weiterhin in der Kompetenz der Mitgliedstaaten. Der notwendige Rahmen wurde zwar schon gesetzt, beispielsweise in Hinblick auf die Finanzmarktaufsicht, doch er fordert noch weitere Schritte: So sollen die nationalen Wirtschaftspolitiken besser koordiniert werden, um nationale Ursachen ausschließen zu können. Die gemeinsam vereinbarten Regeln müssen von den Mitgliedstaaten in weiterer Folge auch eingehalten werden. Er verweist in diesem Zusammenhang auch auf das Europäische Semester und die dort aufgezeigten Reformvorschläge, um die unterschiedlichen Stärken der nationalen Wirtschaften besser aneinander anzugleichen.
Darüber hinaus betont er die Bedeutung eines starken Europäischen Stabilitätsmechanismus (ESM), mit dem die Zahlungsfähigkeit überschuldeter Mitgliedstaaten gesichert werden soll und diese so besser für Krisen gewappnet sein sollen. Schlussendlich braucht es aus Sicht Draghis die Vollendung der Bankenunion, um den Finanzsektor zu stärken.
Aus Sicht der Arbeiterkammer kann eine weitere Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion nur dann unterstützt werden, wenn soziale Probleme auch wirksam angegangen werden. Dazu zählt vor allem der Kampf gegen die die in vielen Ländern weiterhin hohe (Jungend-)Arbeitslosigkeit und die wachsende Ungleichheit – sowohl zwischen den Mitgliedstaaten als auch innerhalb der einzelnen Länder. Um diese Unterschiede zu verkleinern, braucht es wirksame Maßnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping, das Umsetzen der goldenen Investitionsregel, eine stärkere lohnpolitische Koordinierung und einen stärkeren Abbau der Ungleichgewichte bei den Leistungsbilanzen der einzelnen Mitgliedstaaten. Der Fokus auf die Umsetzung der Länderspezifischen Empfehlungen, die im Falle von Österreich unter anderem die Erhöhung des Pensionsantrittsalters fordern, sind hierzu jedenfalls nicht der richtige Weg.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion
AK EUROPA: Reflexionspapier der Kommission: Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion