Nachrichten

Zurück

Nach langem Stillstand scheint jetzt wieder Bewegung in die europäische Diskussion zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion (WWU) zu kommen. Nach seinem Erfolg bei den Präsidentschaftswahlen in Frankreich war der französische Staatspräsident Emmanuel Macron in seiner sogenannten „Sorbonne-Rede“ im September 2017 mit weitreichenden Ideen zur Zukunft der Eurozone vorgeprescht. Allerdings zunächst ohne erkennbare Reaktionen des wichtigsten Adressaten seiner Rede. Lange Zeit war Deutschland innenpolitisch mit der Regierungsbildung beschäftigt.

 

Jetzt scheint der Augenblick der Entscheidungen näher zu kommen. Im deutschen Meseberg trafen sich in dieser Woche die Regierungen Deutschlands und Frankreichs, um dem ins Stocken geratenen Prozess der Weiterentwicklung Europas und der WWU wieder neues Leben einzuhauchen. Und auch die Kommission nutzte diese Woche die Gelegenheit, um ihre Vorstellungen über die künftige WWU zu präsentieren. Noch in dieser Woche werden die Wirtschafts- und FinanzministerInnen die Debatte weiterführen, bevor dann die Staats- und Regierungschefs bei ihrem Gipfel am 28. und 29. Juni in Brüssel Entscheidungen treffen sollen. Allerdings: viele der deutsch-französischen Ideen sind noch sehr unkonkret, und vor einer Einigung müssen auch alle anderen Mitgliedsländer mit an Bord geholt werden.

 

Eines der Kernelemente der deutsch-französischen Pläne, das auch von der Kommission unterstützt wird, ist die Schaffung eines eigenen Eurozonen-Budgets für die Zeit ab 2021. Aus diesem Budget heraus sollen einerseits Investitionen in Innovationen und Humankapital getätigt werden. Zum anderen könnten mit den Mitteln Mitgliedstaaten, die von einem schweren wirtschaftlichen Schock betroffen sind, unterstützt werden. Über die Höhe dieses Eurozonen-Budgets gibt es noch keine Einigung, die Europäische Kommission geht von einer indikativen Größenordnung von jährlich rund 30 Mrd. EUR aus. Auch über die Herkunft der Mittel für dieses Budget, das ausdrücklich neben dem regulären EU-Budget bestehen soll, sind derzeit nur Ideen im Umlauf. So könnten einerseits Beiträge von den Eurozonen-Ländern kommen. Aber auch Einkünfte aus einer europäischen Finanztransaktionssteuer werden im gemeinsamen deutsch-französischen Papier diskutiert. Hier liegt der Teufel allerdings im Detail: diese Finanztransaktionssteuer soll nach französischem Vorbild nur auf national emittierte Aktien erhoben werden. Diese Minimalvariante ist damit meilenweit von dem auch von AK, ÖGB, europäischen Gewerkschaften und NGOs seit Jahren geforderten Modell entfernt, das insbesondere die Besteuerung von volatilen und potentiell destabilisierenden Instrumenten wie Derivaten beinhaltet. Von einer echten Finanztransaktionssteuer kann hier also nicht mehr die Rede sein.

 

Interessant ist in den deutsch-französischen Vorschlägen auch eine weitere Idee, nämlich die Errichtung eines europäischen Fonds zur Stabilisierung nationaler Arbeitslosenversicherungen. Hier werden von den beiden Großen in der EU einerseits Mindeststandards für die Absicherung bei Arbeitslosigkeit eingefordert, eine wichtige Forderung, die auf EU-Ebene auch von AK und ÖGB erhoben wird. Und der Fonds soll nationalen Sozialversicherungssystemen in Krisen, die mit erheblichen Arbeitsplatzverlusten einhergehen, temporär unter die Arme greifen. Das Geld muss allerdings wieder zurückgezahlt werden.

 

Weiters interessant ist auch die Forderung Deutschlands und Frankreichs, bei der Besteuerung von Digitalkonzernen bis Ende des Jahres 2018 auf EU-Ebene eine Lösung zu finden. Bei diesem Thema hakt es ja auf Ebene der FinanzministerInnen (Einstimmigkeit notwendig), da einige Mitgliedsländer wie Irland und Luxemburg, die Zentralen von großen Digitalmultis beherbergen, sich gegen Fortschritte sperren. Ebenfalls erwähnenswert ist im Steuerbereich die Vorlage eines gemeinsamen Positionspapiers von Deutschland und Frankreich zur sogenannten Gemeinsamen Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage. Auch bei diesem Thema, bei dem es um europaweit einheitliche Regeln zur Erfassung von Gewinnen und Verlusten von Unternehmen geht, gibt es schon seit Jahren Unstimmigkeiten und wenig Fortschritt zwischen den Mitgliedsstaaten.

 

Ferner wird in der deutsch-französischen Erklärung noch auf die geplante erweiterte Rolle für den Europäischen Stabilitätsmechanismus ESM eingegangen. Dieser könnte nicht nur in „Europäischer Währungsfonds“ umbenannt werden, sondern auch zusätzliche Aufgaben übernehmen, insbesondere soll er u.a. als Letztsicherung für die Rekapitalisierung von systemisch wichtigen Banken dienen, die abgewickelt werden müssen.

 

Es bleibt abzuwarten, wie die deutsch-französischen Reformvorschläge jetzt im nächsten Zug von den restlichen europäischen FinanzministerInnen und insbesondere den Staats- und Regierungschefs aufgenommen werden. Jedenfalls scheint in diese für die Zukunft der EU und der Eurozone entscheidende Debatte jetzt endlich nach langem Stillstand wieder Bewegung zu kommen.

 

Weiterführende Informationen:

Erklärung von Meseberg

Vermerk der Kommission: Die Wirtschafts- und Währungsunion Europas vertiefen

Deutsch-französischer Fahrplan für das Euro-Währungsgebiet

Gemeinsames Positionspapier Deutschlands und Frankreichs zum GKB-Vorschlag

DE-FR Papier zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der EU-Mitgliedstaaten (EN)

BAK-Positionspapier zur Vertiefung der Wirtschafts- und Währungsunion