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ZurückAm 21. Oktober hat die EU-Kommission ihr Arbeitsprogramm für das Jahr 2026 vorgestellt. Es baut auf den politischen Leitlinien der EU-Kommissionspräsidentin vom Sommer 2024 sowie auf ihrer letzten Rede zur Lage der Union auf. Mit dem Programm sollen Antworten auf aktuelle Herausforderungen wie die Gefährdung der europäischen Sicherheit und Demokratie, geopolitische Spannungen, Risiken für die industrielle Wertschöpfung und die Klimakrise gefunden werden. Im Unterschied zum Arbeitsprogramm 2025 sind auch Legislativvorschläge für ein soziales Europa geplant.
Mit dem Arbeitsprogramm informiert die EU-Kommission einmal im Jahr über ihre Vorhaben für das kommende Kalenderjahr. Neben neuen Initiativen enthält es auch Vorschläge, die wieder zurückgezogen werden, sowie EU-Rechtsvorschriften, die überprüft werden sollen. Für das kommende Jahr bekräftigt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die strategischen Schwerpunkte dieses Mandats: „Wir werden weiter eng mit dem Europäischen Parlament und dem Rat zusammenarbeiten, um die Prioritäten Europas zu verwirklichen, die Wettbewerbsfähigkeit zu stärken, die Kraft unseres Binnenmarkts zu nutzen, unsere Vorschriften zu vereinfachen und die Krise der Bezahlbarkeit anzugehen. Gemeinsam werden wir unsere Bürger:innen schützen und unsere Werte wahren.“
Beiträge der einzelnen Politikfelder zur Stärkung von Souveränität und Unabhängigkeit
Die meisten neuen Initiativen sind unter der Überschrift „Ein neuer Plan für nachhaltigen Wohlstand und Wettbewerbsfähigkeit“ zusammengefasst. Dahinter verbergen sich Politikbereiche, die die europäische Wirtschaft stärken und die Binnenmarktintegration vorantreiben sollen. Zu den zentralen Vorhaben zählen dabei lang angekündigte Gesetzesvorschläge wie der „Industrial Accelerator Act“ (ursprünglich „Rechtsakt zur beschleunigten Dekarbonisierung der Industrie“), das Gesetz über die Kreislaufwirtschaft, die Reform des Vergaberechts oder die Einrichtung eines Zentrums für kritische Rohstoffe, aber auch die Schaffung eines sogenannten 28. Regimes für Unternehmen. Ebenso enthalten sind der Aktionsplan für die Elektrifizierung, einschließlich Wärme- und Kälteerzeugung, sowie die Überarbeitung der Governance der Energieunion und der europäischen Klimapolitik.
Positiv einzustufen ist, dass das Kommissionsarbeitsprogramm eine Überschrift zur „Unterstützung der Menschen, Stärkung der Gesellschaften und unseres Sozialmodells“ umfasst, welches auch mehrere Rechtsakte enthält. Angekündigt sind hier ein Gesetz über hochwertige Arbeitsplätze und ein Paket zur fairen Arbeitskräftemobilität. Mit dem Paket soll unter anderem die Europäische Arbeitsbehörde (ELA) gestärkt werden und ESSPASS bzw. der europäische Sozialversicherungspass eingeführt werden. Vorgesehen ist auch eine neue Initiative zu Kurzzeitvermietungen, die Anti-Armutsstrategie, eine Strategie zu generationsübergreifender Fairness und Verbesserungen bei der Kindergarantie.
Unter der Überschrift „Erhaltung unserer Lebensqualität – Ernährungssicherheit, Wasser und Natur“ stehen im Jahr 2026 die Landwirtschaft (Strategie für Tierhaltung und Tierschutz, Überprüfung der Vorschriften über unlautere Handelspraktiken in der Lebensmittelkette) sowie der Schutz der Ozeane im Fokus. In der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik wird das zentrale Projekt „Bereitschaft 2030” vorangetrieben. Außerdem möchte man bei der Bekämpfung der organisierten Kriminalität und bei der Umsetzung des Migrations- und Asylpakts Fortschritte erzielen. Unter dem Titel „Unsere Demokratie schützen, unsere Werte hochhalten“ wird die Kommission das Gesetz zur digitalen Fairness und die neue Gleichbehandlungsstrategie 2026-2030 präsentieren. Abschließend stehen unter der Überschrift „Ein globales Europa – unsere Stärke und unsere Partnerschaften nutzen“ unter anderem eine Nahoststrategie und die Reform humanitärer Hilfe auf dem Programm.
Vereinfachung bleibt zentrales Thema
„Mit dem heute verabschiedeten Arbeitsprogramm der Kommission für 2026 starten wir die nächste Vereinfachungswelle – wir schaffen eine Kultur, in der Ergebnisse mehr zählen als Bürokratie und Effizienz mehr zählt als Komplexität“, erläuterte der für Vereinfachung zuständige Kommissar Valdis Dombrovskis bei der Vorstellung des Arbeitsprogramms. Gleichzeitig mit dem neuen Arbeitsprogramm wurde auch ein Übersichtsbericht über die bisherigen Vereinfachungsmaßnahmen bzw. Omnibus-Pakete vorgelegt, der die erzielten Fortschritte aufzeigen soll. Darüber hinaus werden kommende, vielfach schon angekündigte Pakete zur Überarbeitung von Vorschriften in Bereichen wie Umwelt, Lebens- und Futtermittelsicherheit, Automobilwirtschaft, Steuern sowie Energie- und Medizinprodukte noch einmal bestätigt. Auch hier wird sehr genau darauf zu achten sein, dass unter dem Deckmantel der Vereinfachung nicht bedeutende Sozial- und Umweltstandards abgebaut werden.
Eine erste kritische Würdigung
Der Europäische Gewerkschaftsbund begrüßt in einer Aussendung die Priorität, die hochwertigen Arbeitsplätzen im Arbeitsprogramm der EU-Kommission eingeräumt wird. Der vorgeschlagene „Quality Jobs Act” biete Gelegenheit, prekäre Arbeitsverhältnisse zu bekämpfen, Tarifverhandlungen zu stärken und sicherzustellen, dass der digitale und ökologische Wandel den Arbeitnehmer:innen zugutekommt. Allerdings wird auch angemerkt, dass der lang erwartete Vorschlag für eine Richtlinie über das Recht auf Nichterreichbarkeit noch in diesem Jahr vorgelegt werden muss. Entscheidend sei außerdem, dass die positiven Entwicklungen nicht durch andere Initiativen, wie etwa jene zum 28. Regime, konterkariert werden.
In diesem Zusammenhang gibt auch Patrick ten Brink, Generalsekretär des Europäischen Umweltbüros (EEB), zu bedenken: „Die Wissenschaft könnte nicht eindeutiger sein. Europa überschreitet mehrere planetarische Grenzen, und die Kosten der Untätigkeit steigen. Anstatt jedoch eine kluge Strategie zur Umsetzung dringend benötigter Umweltgesetze zu verfolgen, hält die Kommission weiterhin an dem falschen Versprechen der Vereinfachung, Deregulierung und der unverblümten Rücknahmen fest.” Viel wird also von der Balance zwischen ambitionierten neuen Vorschlägen und der Vereinfachungsagenda abhängen.
Weiterführende Information:
EU-Kommission: 2026 Commission work programme - digital publication (nur Englisch)
AK EUROPA: Rede zur Lage der Union 2025: Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit im Zentrum
AK EUROPA: Das Arbeitsprogramm der EU-Kommission für 2025. Wo bleiben die Arbeitnehmer:innen?
AK EUROPA: Politische Leitlinien für die nächste EU-Kommission 2024 – 2029. Die richtigen Antworten auf aktuelle Herausforderungen?
AK EUROPA: Strategische Agenda 2024-2029. Unausgewogene Prioritäten
ETUC: 2026 test year for Commission as Work Programme paves way for action for quality jobs (nur Englisch)
EEB: Commission’s 2026 Work Programme: Europe cannot deregulate its way out of crisis (nur Englisch)