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ZurückAm 10. September 2025 hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die jährliche Rede zur Lage der Europäischen Union. Sie setzte dabei ihre inhaltlichen Schwerpunkte bei den Themen Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit. Breiten Raum nahmen der Krieg in der Ukraine und die humanitäre Lage in Gaza ein. Sozialpolitische Themen, wie die Teuerungskrise, die Qualität von Arbeitsplätzen und Strategien zur Armutsbekämpfung wurden angesprochen, aber relativ kurzgehalten und wenig ausformuliert.
Am 10. September 2025 hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen die jährliche Rede zur Lage der Europäischen Union. Sie setzte dabei ihre inhaltlichen Schwerpunkte bei den Themen Sicherheit, Verteidigung und Wettbewerbsfähigkeit. Breiten Raum nahmen der Krieg in der Ukraine und die humanitäre Lage in Gaza ein. Sozialpolitische Themen, wie die Teuerungskrise, die Qualität von Arbeitsplätzen und Strategien zur Armutsbekämpfung wurden angesprochen, aber relativ kurzgehalten und wenig ausformuliert.
Im EU-Parlament in Straßburg hielt EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen erstmals in ihrer zweiten Amtszeit die Rede zur Lage der Europäischen Union (State of the Union, SOTEU). Darin skizzierte sie die Schwerpunkte und Leitprojekte der EU für das kommende Jahr und kündigte eine Vielzahl an überwiegend wirtschaftspolitischen Maßnahmen für die Legislaturperiode 2024-2029 an. Insgesamt nahm sie im Rahmen der SOTEU eine stark geopolitische Perspektive ein, während der Blick auf die soziale Lage innerhalb der EU eher flüchtig ausfiel.
Wettbewerbsfähigkeit und Binnenmarkt prioritär
Von der Leyen kündigt große Investitionen in Digitales und Clean Tech an. Geplant ist ein Scale-up-Europa-Fonds für junge und schnellwachsende Start-ups in wichtigen Technologiebereichen, wie KI und Biotechnologie. Das Ziel ist eine funktionierende Kreislaufwirtschaft. Außerdem soll es einen neuen Rechtsakt, den Industrial Accelerator Act, geben, der zum schnelleren Ausbau wichtiger Sektoren und Technologien beitragen soll. Ebenso geplant ist die Einführung von „Made in Europe“ als Kriterium bei öffentlichen Aufträgen. Die Kommissionspräsidentin betonte die Wichtigkeit der Spar- und Investitionsunion und die Notwendigkeit, die Wettbewerbsfähigkeit der EU zu stärken.
Brandgefährlich ist die Idee ein 28. Rechtsordnungsregime, zusätzlich zu den 27 nationalen Rechtsordnungen, einzuführen. Unternehmen hätten die Wahl zwischen nationalen Rechtsordnungen und einem 28. von der EU-Ebene festgelegten Regime zu operieren. Damit könnten Schutzbestimmungen, beispielsweise im Arbeitsrecht umgangen und untergraben werden.
Der Binnenmarkt soll vor allem in den Bereichen Finanzen, Energie und Telekommunikation ausgebaut werden. Laut von der Leyen würden sich europäische Unternehmen jährlich 8 Mrd. Euro Bürokratiekosten durch die vorgelegten Omnibusse sparen. Die Kommissionspräsidentin verteidigt auch die im Sommer abgeschlossene Handelsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten. Von der Leyen und US-Präsident Donald Trump haben sich dabei unter anderem auf einen Zollsatz von 15% auf EU-Industrieprodukte in den USA bei gleichzeitiger Zollfreiheit für US-Produkte in der EU geeinigt. Die EU habe sich mit diesem Abschluss einen relativen Vorteil gegenüber anderen Ländern gesichert, die noch höhere Zölle zahlen müssen.
Sozialpolitik - Einige Ankündigungen, wenig Konkretes
Sozialpolitisch fokussiert von der Leyen auf die steigenden Lebenshaltungskosten, besonders in den Bereichen Lebensmittel, Wohnen und Energie. Die steigenden Immobilienpreise in Europa und die damit einhergehende Wohnungskrise bezeichnet sie als soziale Krise, die den europäischen Zusammenhalt gefährde. Deshalb soll es den ersten EU-Wohnraumgipfel, einen Plan für erschwinglichen Wohnraum und eine Rechtssetzungsinitiative für kurzfristige Vermietungen geben. Außerdem seien Maßnahmen für erschwingliche Lebenshaltungskosten vorgesehen. Im Bereich der Beschäftigung kündigt von der Leyen einen Rechtsakt für hochwertige Arbeitsplätze an – hier wird noch genauer zu beobachten sein, welcher Vorschlag von der Kommission vorgelegt werden wird. Bislang schon angekündigt war die Vorlage einer Quality Jobs Roadmap, für deren Ausgestaltung auch die AK bereits Vorschläge gemacht hat. Zusätzlich wird die europäische Strategie zur Armutsbekämpfung ausgearbeitet, die einen besonderen Fokus auf die Bekämpfung von Kinderarmut legen wird. Das Ziel der Strategie ist es, Armut in Europa bis 2050 zu beseitigen.
Klima & Energie
Laut Kommissionspräsidentin von der Leyen ist die EU dank des Green Deal auf einem guten Weg, das Ziel zu erreichen, die Emissionen bis 2030 um mindestens 55% zu senken. Sie unterstreicht: „Wir müssen bei unseren Zielen für Klima- und Umweltschutz Kurs halten“. Angekündigt wurde ein Battery-Booster-Paket und neue Energieautobahnen, um kritische Netzengpässe schließen zu können. Die Förderung der Produktion in Europa ist laut von der Leyen der Schlüsselfaktor für saubere Energie und Unabhängigkeit von fossilen Brennstoffen aus Russland. Die Erzeugung erneuerbarer Energie in Europa soll ausgebaut werden und Kernenergie dabei als Grundlast genutzt werden. Außerdem kündigt EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen eine Initiative für kleine, erschwingliche Elektroautos an, die in Europa entwickelt und produziert werden sollen. Das soll die Wettbewerbsfähigkeit der EU sichern und die wachsende globale Nachfrage an Elektrofahrzeugen decken.
Digitales, Erweiterung und EU-Entscheidungsstrukturen
Außerdem unterstreicht von der Leyen die Wichtigkeit von freien und unabhängigen Medien und den Kampf gegen Desinformation und Informationsmanipulation. Deshalb sollen ein „Europäisches Zentrum für demokratische Resilienz“ und ein Unterstützungsprogramm für unabhängigen Journalismus geschaffen werden. Eine Expert:innengruppe soll sich dem Thema Jugendliche & Social Media widmen und mögliche Schutzmechanismen für junge Nutzer:innen entwerfen. Von der Leyen bekräftigt auch die Beitrittsperspektiven der Ukraine, Moldau und des Westbalkan. Am Ende ihrer Rede unterstützt sie ein Initiativrecht des Europäischen Parlaments und betont, dass die EU in einigen Bereichen, zum Beispiel in der Außenpolitik, zu qualifizierten Mehrheiten übergehen müsse: „Es ist Zeit, sich von den Fesseln der Einstimmigkeit zu befreien“.
Die Debatte rund um die Rede
Heftige Kritik am EU-US Handelsdeal kam im Anschluss der Rede von den Fraktionsvorsitzenden der S&D Fraktion, der Patriots for Europe und der europäischen Linken. Die EVP und EKR unterstützen in ihren Wortmeldungen sowohl das Abkommen mit den USA als auch Mercosur. Der europäische Gewerkschaftsbund (EGB) kritisiert, dass die bisherige zweite Amtszeit von Ursula von der Leyen bislang von Deregulierungsvorschlägen geprägt war und erst in der SOTEU auch sozialpolitische Maßnahmen angekündigt wurden. Der EGB fordert die rasche Umsetzung des von der Kommissionspräsidentin angekündigten EU-Fahrplans für hochwertige Arbeitsplätze. Teil dieses Pakets sollten laut EGB diverse verbindliche Rechtsakte sein – zum Beispiel eine „Just Transition“ Richtlinie, Regeln für Subunternehmerketten sowie eine Richtlinie zum Schutz von Beschäftigten vor psychosozialen Stress und Burnout.
Auch aus AK-Perspektive werden die Omnibus-Initiativen äußerst kritisch gesehen, zumal ein Druck auf soziale und ökologische Standards droht. Die Förderung der Wettbewerbsfähigkeit der EU muss auf nachhaltige Weise geschehen. Das bedeutet den Ausbau moderner öffentlicher und klimafitter Infrastrukturen, Rechts- und Planungssicherheit für Beschäftigte und Unternehmen, eine umfassende Daseinsvorsorge und hohe Bildungsstandards. Ernüchternd ist auch, dass die soziale Dimension der EU immer mehr zum Nebenschauplatz zu werden droht.
Weiterführende Informationen:
EU-Kommission: Rede von Präsidentin von der Leyen zur Lage der Union 2025
EU-Kommission: State of the Union 2025
AK EUROPA: Neuer Name, alte Herausforderungen. Die Spar- und Investitionsunion der EU
AK EUROPA: Die neue EU-Binnenmarktstrategie. Was bringt sie für Unternehmen und die Arbeitswelt?
AK EUROPA: Handelsbeziehungen EU-USA. Ein ungleicher „Deal“ gibt die Richtung vor
AK EUROPA: Nachhaltigkeits-Omnibus. Vereinfachung der Lieferkettenrichtlinie oder Abschwächung von Menschenrechtsverpflichtungen?
AK EUROPA: Ein Kompass für die Wettbewerbsfähigkeit der EU
EU-Parlament: Debatte zur Lage der EU: Sicherheit, Ukraine, Gaza, Wettbewerbsfähigkeit
Arbeit & Wirtschaft: Rede zur Lage der EU: Mehr Waffen, mehr Unabhängigkeit
ETUC: Quality Jobs Act: Workers won't settle for half measures
Photo credits: © European Union 2025 - Source : EP