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ZurückDer Fonds für einen gerechten Übergang und der Europäische Sozialfonds Plus sind zentrale finanzielle Stützpfeiler der sozialen Agenda der EU. Angesichts der Herausforderungen eines möglichst grünen, digitalen und sozialen Wiederaufbaus im Zuge der Coronakrise will die Kommission nun beide Fonds – im Vergleich zum ursprünglichen Kommissionsvorschlag – aufstocken.
Der am 27. Mai 2020 präsentierte Vorschlag der Kommission für einen Wiederaufbauplan im Zuge der Coronakrise setzt neben der digitalen Agenda auch auf die Fortführung des Grünen Deals. Schon im Vorfeld forderte die Mehrheit des Europäischen Parlaments einen ambitionierten grünen Wiederaufbau, und es bildete sich eine Grüne-Wiederaufbau-Allianz von Abgeordneten des EP, dem Europäischen Gewerkschaftsbund, Industrievereinigungen, CEOs, NGOs und Think Tanks. Auch von Seiten der Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie Vize-Präsident Frans Timmermans war bereits in den letzten Wochen mehrmals verlautbart worden, dass der Wiederaufbau nicht zu Lasten des Klimas sowie der Umwelt gehen darf. Es braucht nicht nur Investitionen zur Sicherstellung eines sozial gerechten Übergangs, sondern auch das Bekenntnis zur weiteren Umsetzung der Europäischen Säule sozialer Rechte.
Erhöhung der Mittel für den Fonds für einen gerechten Übergang
Der nun von der Kommission vorgelegte Wiederaufbauplan sieht 750 Mrd zusätzlicher Mittel vor, von denen der Fonds für einen gerechten Übergang (Just Transition Fund, JTF) mit zusätzlichen 32,5 Milliarden profitieren soll. Sein Volumen soll demnach insgesamt 40 Milliarden Euro betragen. Bereits bei der Präsentation des JTF im Jänner 2020 verkündete die Kommission, dass die ursprünglich geplanten 7,5 Milliarden gegebenfalls nachgebessert werden können.
Regionalausschuss des Europäischen Parlaments
In der letzten Sitzung des Ausschusses für regionale Entwicklung am 12. Mai sprach sich eine klare Mehrheit der ParlamentarierInnen für eine deutliche Mittelaufstockung aus. Auch vom Europäischen Gewerkschaftsbund und der AK wurde der Betrag bereits als zu gering angesehen. Außerdem ist es aus Sicht der AK notwendig, dass im Fall von Krisensituationen Zielregionen auch noch zu einem späteren Zeitpunkt bestimmt werden können. Bezüglich der vorgesehenen Pläne ist es wichtig, dass für die Umsetzung eines sozial gerechten Wandels die Sozialpartner eingebunden werden. Kritisch zu sehen ist darüber hinaus die anvisierte Ko-Finanzierung mit Mitteln aus anderen Fonds, wie zB dem Europäischen Sozialfond Plus (ESF+). Im Ausschuss für regionale Entwicklungen wurden ebenso Forderungen nach „neuem Geld“ laut und damit ebenso eine Finanzierung des gerechten Übergangs aus anderen Töpfen mehrheitlich kritisiert und abgelehnt.
Ein weiteres strittiges Thema in der Debatte im Europäischen Parlament war die Frage nach Investitionen in die Infrastruktur von Erdgas. Ursprünglich sind im Kommissionsentwurf des JTF vom Januar Projekte auf Basis von fossilen Brennstoffen ausdrücklich ausgeschlossen. Im Berichtsentwurf des Ausschusses für regionale Entwicklung, welcher vom griechischen Berichterstatter Manolis Kefalogiannis (EVP) erstellt wurde, wird jedoch eine Streichung dieses Ausschlusses vorgeschlagen. Dies stieß bei anderen ParlamentarierInnen des Ausschusses der Regionen auf wenig Gegenliebe. Das Festhalten an Erdgas wäre allerdings auch ganz in Sinne von acht Mitgliedsstaaten, welche die Rolle von diesem im Übergang zur Klimaneutralität einige Wochen zuvor verteidigt hatten.
ESF+ mit Finanzspritze versehen
Der Wiederaufbauplan sieht darüber hinaus eine „Wiederaufbauhilfe für den Zusammenhalt und die Gebiete Europas“ (Recovery Assistance for Cohesion and the Territories of Europe, REACT-EU) in Höhe von 310 Mrd Euro vor. Davon sollen 55 Milliarden an zusätzlichen Mitteln für Kohäsions-Programme bereitgestellt werden, dabei wird keine klare Teilung der Mittel zwischen den Fonds vorgesehen. Profitieren würde neben dem Europäischen Fond für regionale Entwicklung (ERDF) auch der Europäische Sozialfond Plus (ESF+), der Nachfolger des Europäischen Sozialfonds und dem Europäischen Hilfsfonds für die am stärksten benachteiligten Personen (FEAD). Der Kampf gegen Jugendsarbeitslosigkeit und für einen verbesserten Zugang zu Sozialleistungen und Bildungsmöglichkeiten steht nach wie vor im Zentrum des ESF+. Um den ESF+ angesichts der veränderten Umstände anzupassen, wurden einige Änderungen vorgenommen. Wie bereits von EU-Kommissar Nicolas Schmit angekündigt soll insbesondere Jugendarbeitslosigkeit erhöhte Priorität zukommen. So sollen etwa im Rahmen des ESF+ Mitgliedstaaten in denen der Anteil jener Jugendlichen, die weder in Beschäftigung, Ausbildung noch Training sind (NEET), über den EU Durchschnitt liegt, nun mindestens 15 % anstelle der ursprünglich veranschlagten 10 % ihrer ESF+ Ressourcen zur Erhöhung der Jugendbeschäftigung investieren. Darüber hinaus sollen alle Mitgliedsstaaten mindestens 5 % des ESF+ in den Kampf gegen Kinderarmut stecken. Außerdem soll die Flexibilität erhöht werden: Nach dem Kommissionsvorschlag soll zukünftig ein schnellerer Zugriff auf die Fonds angesichts von „außergewöhnlichen und außerordentlichen Umständen“ ermöglicht werden. Damit soll den Mitgliedsstaaten mehr Flexibilität bei der Abfederung von sozioökonomischen Folgen von zukünftigen Krisen zukommen.
Zustimmung von Rat und EU-Parlament erforderlich
Der vorliegende Kommissionsvorschlag stellt nun eine zentrale Grundlage für die Verhandlungen zwischen dem EU-Parlament und dem Rat dar. Während es allgemein bereits erste positive Reaktionen auf den Kommissionsvorschlag von Seiten einiger Mitgliedstaaten gibt, ist der weitere Verlauf der Verhandlungen noch offen. Die sogenannten „Sparsamen Vier“ taten sich bislang als Blockadeallianz gegenüber umfangreichen Konzepten der Coronakrisenbewältigung hervor – auch wenn die gemeinsame Koalition allmählich zu bröckeln scheint. Für eine gemeinsame Einigung braucht es jedoch Einstimmigkeit unter den Mitgliedstaaten. Die Kommission drängt nun auf eine politisches Übereinkommen der Staats- und RegierungschefInnen bis Juli dieses Jahres.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Die Stunde Europas: Kommission stellt Wiederaufbauplan vor
AK EUROPA: Gerechter Übergang zu einem klimaneutralen Europa
A&W Blog: Der europäische Grüne Deal – aus dem Corona-Lockdown in eine klimaneutrale EU