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ZurückDie ehrgeizigen Pläne der Europäischen Kommission zum Europäischen Grünen Deal werfen nicht zuletzt auch soziale Fragen auf. Um den Weg zu einem klimaneutralen Europa bis 2050 möglichst fair zu gestalten, veröffentlichte die Kommission bereits im Jänner 2020 einen Vorschlag zur Einrichtung eines Fonds für einen gerechten Übergang. Ihm Rahmen ihres aktuellen Positionspapiers zum Grünen Deal hat die Arbeiterkammer den Vorschlag einer genauen Bewertung unterzogen.
Bereits in ihrer Mitteilung zum Europäischen Grünen Deal Ende 2019 hielt die Kommission fest, dass „die schwächsten Bevölkerungskreise den schädlichen Auswirkungen des Klimawandels und der Umweltzerstörung am stärksten ausgesetzt sind“ und der Übergang zu einem klimaneutralen Europa nur gelingen kann, „wenn er fair und inklusiv erfolgt“. Ganz konkret geht es der Kommission wohl aber auch darum, jene Mitgliedsländer, deren Energiewirtschaft stark vom Abbau von Kohle abhängig ist, von ihren Plänen bezüglich Klimaneutralität zu überzeugen. Das betrifft vor allem Polen, wo der Kohleabbau nach wie vor boomt und rund 100.000 Arbeitsplätze – vor allem in den ärmeren Gebieten im Süden des Landes – davon abhängen. Aus diesem Grund präsentierte die Kommission am 14. Jänner 2020 ihren Vorschlag zu einer Verordnung zur Einrichtung des Fonds für einen gerechten Übergang.
Der Fonds für einen gerechten Übergang
Zweck des Fonds ist es vor allem, negative Konsequenzen des Grünen Deals für gewisse Regionen, Berufs- und Bevölkerungsgruppen abzufedern. Er soll dazu beitragen, „Regionen und Menschen in die Lage zu versetzen, die sozialen, wirtschaftlichen und ökologischen Auswirkungen des Übergangs zu einer klimaneutralen Wirtschaft zu bewältigen“. Der Fonds soll Investitionen in Beschäftigung und Wachstum in allen Mitgliedsstaaten unterstützen. Neben Investitionen in Klein- und Mittelbetriebe (KMUs), Start-ups, Unternehmensgründungen, Forschungs- und Innovationstätigkeiten sowie Digitalisierungsprozesse sind in den betroffenen Gebieten unter anderem auch die Weiterqualifizierung beziehungsweise Umschulung von Beschäftigten, die Unterstützung von Arbeitssuchenden und deren aktive Eingliederung vorgesehen.
Kritik an unzureichender Finanzierung
Der Fonds ist dabei Teil des breiter angelegten Mechanismus für einen gerechten Übergang, welcher mit insgesamt 100 Milliarden Euro ausgestattet werden soll. Auf Vorschlag der Kommission soll der Fonds im Zuge des Mehrjährigen Finanzrahmens (MFR) 2021-2027 mit 7,5 Milliarden Euro ausgestattet werden, wobei dieser Betrag gegebenenfalls auch noch aufgestockt werden könnte. Dieser Betrag wird von KritikerInnen jedoch als zu gering eingeschätzt, will man den kommenden Herausforderungen der Klimakrise ernsthaft begegnen. So kritisiert etwa der Generalsekretär des Europäischen Gewerkschaftsbunds (EGB), Ludovic Voet: „Die für zehn Jahre vorgeschlagene Finanzierung ist das, was eigentlich jedes einzelne Jahr benötigt würde, um bis 2050 auf faire Weise Klimaneutralität zu erreichen“. Auch bestehe laut Voet die Gefahr, „dass der Großteil der zur Verfügung gestellten Mittel in Forschung und Innovation fließt und nicht direkt den betroffenen ArbeitnehmerInnen zugute kommt“. Auch die Arbeiterkammer kommt zum Schluss, dass die im aktuellen Vorschlag der Kommission vorgesehene Finanzierung für den Fonds nicht ausreichen wird.
Nachbesserungen dringend erforderlich
Auch abseits der dürftigen finanziellen Ausstattung fällt die Einschätzung der Arbeiterkamme zum präsentierten Vorschlag differenziert aus. Prinzipiell begrüßt wird die Tatsache, dass der Vorschlag nicht nur den Bereich der Gewinnung fossiler Energieträger und der Stahlproduktion berücksichtigt, sondern auch andere, von der Dekarbonisierung betroffene, Wertschöpfungsketten. Das könnte auch Ländern und Regionen den Zugang zum Fonds gewähren, die beispielsweise über wenig Bergbau, dafür aber eine große Automobilindustrie verfügen. Auch der Fokus auf Klein- und Mittelbetriebe wird von Seiten der AK begrüßt. Kritisiert wird hingegen, dass die Inanspruchnahme der Mittel nur auf Grund von relativ starren einjährigen Plänen sowie für im Vorhinein festgelegte Regionen möglich sein soll. Dies macht es unmöglich, flexibel auf Krisensituationen zu reagieren, die im Rahmen des Übergangs zu einem klimaneutralen Europa entstehen könnten. Daher fordert die AK eine zusätzliche Förderungsmöglichkeit für unvorhergesehene Unternehmenskrisen, die auf die Herausforderungen des Klimawandels zurückzuführen sind. Diese sollen zu vergleichbaren Voraussetzungen wie im Rahmen des Globalisierungsfonds zugänglich sein. Eine denkbare Alternative dazu wäre eine entsprechende Erweiterung des Anwendungsgebietes des Globalisierungsfonds sowie die deutliche Aufstockung seiner Mittel.
Als problematisch erachtet die AK außerdem die hohe Kofinanzierungsquote durch den Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) sowie den Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+). Die Aufgaben des EFS+ wurden für die nächste (Budget-)Periode ohnehin schon massiv erweitert – und das bei einer geplanten Budgetreduktion. Eine Kofinanzierung des Fonds für einen gerechten Übergang durch den ESF+ wäre aus diesem Grund nicht möglich beziehungsweise würde sie dazu führen, dass gefährdete Gruppen – etwa IndustriearbeiterInnen und Armutsgefährdete – gegeneinander ausgespielt werden, wenn es darum geht, die entsprechenden Unterstützungen im Rahmen des ESF+ zu erhalten. Die AK fordert deshalb eine deutliche Aufstockung der Mittel für den ESF+.
Kein gerechter Übergang ohne Einbindung der Sozialpartner
Laut dem Dachverband der Industriegewerkschaften IndustriAll sind EU-weit aktuell rund elf Millionen Personen in den Bereichen kohlebasierte Energieproduktion, Kohleabbau und energieintensive Industrie beschäftigt. Bei einem gerechten Übergang zu einer klimaneutralen Europäischen Union muss die Wahrung der Interessen dieser Beschäftigten absolute Priorität haben. Es muss sichergestellt werden, dass diese beim Übergang zu einem neuen Arbeitsplatz bestmöglich unterstützt werden. Die territorialen Pläne sollten sich deshalb auf die Vermeidung von Arbeitslosigkeit fokussieren. In diesem Zusammenhang müssen auch ältere Beschäftigte unterstützt werden. Diese finden, sind sie einmal arbeitslos, besonders schwer eine neue Anstellung. Der Übergang muss außerdem durch entsprechende Umschulungen und Weiterbildungen flankiert werden, damit die Betroffenen auch in einer dekarbonisierten Wirtschaft Arbeitsplätze finden. Und schließlich sind die Sozialpartner unbedingt in den ganzen Prozess mit einzubinden. Die Expertise der ArbeitnehmerInnenvertretungen ist für die EU unverzichtbar, will sie einen wirklich gerechten Übergang schaffen.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Mitteilung zum Europäischen Grünen Deal
AK EUROPA: Sozial gerechter Übergang bei der Kohle- und Automobilindustrie
AK EUROPA: Finanzierungsvorschlag des European Green Deal vorgestellt
A&W Blog: Der „Europäische Green Deal“ - eine glaubwürdige Chance im Kampf gegen die Klimakrise?