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ZurückDie EU-Mitgliedsstaaten können sich weiterhin nicht auf ein Budget einigen, der für den 20. Februar anberaumte Sondergipfel zum Mehrjährigen Finanzrahmen (MFR) blieb ergebnislos. Die Verhandlungen scheiterten nicht zuletzt an der unnachgiebigen Haltung der „Sparsamen Vier“ einerseits und der „Freunden der Kohäsion“ andererseits.
Der Mehrjährige Finanzrahmen (MFR) ist der langfristige Haushaltsplan der EU. Die aktuellen Verhandlungen drehen sich um das Budget für die kommenden sieben Jahre, also den Zeitraum von 2021 bis 2027. Wie schwierig sich diese Verhandlungen gestalten, zeigt nicht zuletzt die Tatsache, dass sie schon bald zwei Jahre andauern. Während die Kommission für das Budget einen Prozentsatz von 1,11 % des Bruttonationalprodukts (BNE) vorschlug, fordert das EU-Parlament ein Volumen von 1,3 %. Im Europäischen Rat, der dem Vorschlag einstimmig zustimmen muss, zeichnet sich weiterhin keine Einigung ab.
„Sparsame Vier“ vs. „Freunde der Kohäsion“
Im Rat beharrt eine kleine Gruppe von (mittlerweile) vier Mitgliedsstaaten darauf, die 1-Prozent-Marke nicht zu überschreiten. Teil dieser „Sparsamen Vier“ ist – neben den Niederlanden, Schweden und Dänemark – auch Österreich. Europaministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) ließ kürzlich allerdings verlautbaren, am Ende müsse „jeder kompromissbereit sein“. Auch Deutschland, bis vor kurzem Teil der (damals noch) „Sparsamen Fünf“, signalisierte schon vor dem Sondergipfel mögliche Kompromissbereitschaft. „Deutschland kommt hierher mit einer großen Entschlossenheit, eine Lösung zu finden“, hielt Bundeskanzlerin Angela Merkel fest. Diametral zur Haltung der „sparsamen“ Nettozahler entgegen stehen mit der Gruppe der sogenannten „Freunde der Kohäsion“ jene Mitgliedsländer, die traditionell stärker aus dem EU-Haushalt profitieren. Neben einem stark ausfinanzierten Kohäsionsfonds geht es diesen Ländern vor allem darum, entsprechende Mittel für die Gemeinsame Agrarpolitik (GAP) zu sichern. Nach Ende des Gipfels gab der italienische Premierminister Giuseppe Conte bekannt, die „Freunde der Kohäsion“ hätten den Ländern Italien, Rumänien und Portugal das Mandat erteilt, einen Gegenvorschlag zu den Forderungen der „Sparsamen Vier“ auszuarbeiten.
Neue Projekte der Kommission
Wie wichtig ein starker MFR für die Umsetzung der politischen Agenda der Kommission sei, betonte zuletzt auch der für den Haushalt der EU zuständige Kommissar Johannes Hahn. Ohne eine entsprechende Ausgestaltung des Haushalts seien Projekte, wie beispielsweise der europäische Grüne Deal, nicht umsetzbar. Problematisch ist dabei, dass der vorliegende Budgetvorschlag der Kommission noch aus der Zeit von Jean-Claude Juncker stammt und die zentralen Projekte der neuen Kommission – neben dem Green Deal etwa der Fonds für einen gerechten Übergang oder das kürzlich vorgestellte Digitalisierungspaket – im ursprünglichen Vorschlag noch nicht berücksichtigt waren.
EU-Parlament kündigt Widerstand an
In diese Kerbe schlägt auch der Präsident des Europäischen Parlaments, David Sassoli, der bei einer Pressekonferenz klarstellte, man könne nicht für einen Grünen Deal eintreten und gleichzeitig nicht dazu bereit sein, die notwendigen Ressourcen zur Verfügung zu stellen. Gleichzeitig formulierte er eine klare Drohung: Das Parlament, ohne dessen Mehrheitsentschluss der Mehrjährige Finanzrahmen nicht angenommen werden kann, sei bereit „jeden Vorschlag abzulehnen, der die Positionen der Abgeordneten nicht berücksichtigt“. Ein Veto des EU-Parlaments stellt auch Eider Gardiazabal, Haushaltssprecherin der Progressiven Allianz der Sozialisten und Demokraten (S&D), in den Raum. Der Vorschlag von Ratspräsident Charles Michel vom 14. Februar, das Volumen auf 1,074 % festzulegen, sei inakzeptabel.
Ein Haushalt, der Europa eint
Am 19. Februar veranstaltete die Friedrich-Erbert-Stiftung in Kooperation mit MEP Margarida Marques (S&D) einen Workshop unter dem Titel „Achieving a socially just, green and forward looking Multiannual Financial Framework 2021-2027“. Sowohl Marques als auch Brando Benifei, Schattenberichterstatter der S&D-Fraktion zum Europäischen Sozialfonds Plus (ESF+), betonten im Rahmen des Workshops die Wichtigkeit eines starken Mehrjährigen Finanzrahmens sowie eines entsprechend umfangreich ausgestatteten ESF+. Nur so könne ein soziales Europa vorangebracht werden. Das unterstreicht auch die Arbeiterkammer, die bereits zu Beginn der Budgetverhandlungen im Jahr 2018 darauf hingewiesen hat, dass das für den ESF+ vorgesehene Budget von 101 Milliarden – das entspräche 7,9 % des ursprünglich von der Kommission vorgeschlagenen Volumens (1,11 % des Bruttonationalprodukts) – einer Verringerung der Mittel im Vergleich zum letzten Mehrjährigen Finanzrahmen gleichkomme. Die Mittel für den ESF+ sollten vielmehr auf 10 % des Kommissionsvorschlags angehoben werden, damit dieser seinen Aufgaben entsprechend nachkommen kann.
Wie geht es weiter?
Die Erwartungen an den Sondergipfel waren schon im Vorfeld eher verhalten. Obwohl Ratspräsident Charles Michel an die Kompromissbereitschaft aller Beteiligten appellierte, schienen die Fronten zwischen den Mitgliedsstaaten zu verhärtet. So überrascht es kaum, dass dieser am Freitag dem 21. Februar schließlich ergebnislos abgebrochen wurde. Kurz vor Abbruch des Gipfels schlug Charles Michel ein Budgetvolumen von 1,069 % vor – ohne Erfolg. "Wir haben hart gearbeitet. Aber wir brauchen einfach mehr Zeit", verkündete Michel bei einer anschließenden Pressekonferenz mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen. Einstweilen ist offen, wie und wann es mit den Verhandlungen um den Mehrjährigen Finanzrahmen weitergeht.
Weiterführende Informationen:
AK Positionspapier: Mehrjähriger EU-Finanzrahmen 2021-2027: Ein Haushalt, der Europa eint
AK EUROPA: Kommissar Johannes Hahn im Haushaltsausschuss des Europäischen
AK EUROPA: EU braucht einen mehrjährigen Finanzrahmen, der Europa eint