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ZurückDas Europäische Gewerkschaftsinstitut analysiert in einer aktuellen Studie die Herausforderungen für die beiden Schlüsselsektoren Kohle- und Automobilindustrie auf dem Weg zu einem klimaneutralen Europa. Denn es ist klar: Es braucht einen sozial gerechten Übergang („Just Transition“), um die negativen Auswirkungen für die betroffenen ArbeitnehmerInnen so gering wie möglich zu halten.
Die Kohle- und Automobilindustrie sind zwei Schlüsselindustrien, wenn es darum geht, Europa bis 2050 klimaneutral zu machen. Denn sie sind für einen großen Teil der Treibhausgas-Emissionen verantwortlich: Die Kohleindustrie produziert im Energiebereich zwei Drittel der Emissionen, und im Transportsektor sind Autos mit über 60 % der Emissionen ebenfalls die größten VerursacherInnen.
„Coal has no future…“
Die Studie des Europäischen Gewerkschaftsinstituts (EGI) kommt zum Schluss, dass der Kohlesektor in einigen wenigen Regionen eine zentrale Rolle spielt, allen voran in Polen. Bereits in den letzten Jahrzehnten sind Jobs in der Kohleindustrie abgebaut worden, insbesondere in Folge der Krise ab 2008. Im Vergleich zu 2007 arbeiten bereits um die Hälfte weniger Personen im Kohlesektor. Aktuell sind 130.000 ArbeitnehmerInnen (0,15% der Beschäftigten in der EU) diesem Bereich tätig, mehr als die Hälfte davon in Polen. Während MinenarbeiterInnen in Polen die Möglichkeit zur Frühpension haben, ist zu erwarten, dass auch noch im Jahr 2040 Kohle die zentrale Energiequelle in Polen sein wird. So stellt die Studie des EGI in ihrer Analyse auch fest, dass in Polen keine Politik eines aktiven Übergangs als notwendig angesehen wird und dort auch der Druck für eine radikale Veränderung bislang fehlte.
Im Unterschied dazu ging Deutschland mit der Schaffung einer Kohlekommission einen Weg, welcher alle Interessengruppen inklusive der Gewerkschaften an einen Tisch brachte und den Kohleausstieg bis 2038 beschloss. Deutschland ist somit ein Beispiel für einen sozialen Dialog mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik unter Einbindung von VertreterInnen aller Betroffenen. Dies ist zentral, denn die soziale Absicherung von jenen, die im Kohlesektor tätig waren oder sind, muss im Mittelpunkt stehen. Gleichzeitig ist das Entstehen von temporären und prekären Arbeitsverhältnissen zu vermeiden.
„… but the automobile does have one (at least, as we all believe)”
Ganz im Gegensatz zur Kohleindustrie ist die Zahl der ArbeitnehmerInnen in der Autoindustrie seit zwei Jahrzehnten auf einem Höhepunkt. Bisher kam es lediglich zu einem leichten Rückgang der Beschäftigungszahlen in manchen Ländern wie Italien, Frankreich und der Ukraine. In anderen Staaten – unter anderem in Deutschland, Polen, Tschechien und Ungarn – ist die Anzahl der Beschäftigten zwischen 2007 und 2016 gestiegen.
Die Veränderungen in der Europäischen Mobilindustrie bringen vor allem auch einen Wandel der Jobinhalte. Nach Einschätzung des EGI lassen sich die Folgen der Digitalisierung sowie der Elektrifizierung der Automobilindustrie noch schwer voraussagen. Es ist aber davon auszugehen, dass die Branche in Zukunft weniger Jobs bieten kann. Einzelne Konzerne bemühen sich, den Stellenabbau mit der Schaffung neuer Arbeitsplätze entgegenzuwirken: Daimler gibt mit dem „Projekt Zukunft“ eine Arbeitsplatzgarantie bis 2030, und Volkswagen hat einen Sicherheitsplan bis 2025, der neben der Garantie der Arbeitsplätze unter anderem auch die Möglichkeit für Teilzeitbeschäftigung für ältere ArbeitnehmerInnen beinhaltet.
Die Forderung der Gewerkschaften
Aus ArbeitnehmerInnensicht muss das Konzept des sozial gerechten Übergangs („just transition“) im Mittelpunkt stehen. Es steht für eine Umgestaltung in Richtung einer nachhaltigen Wirtschaft, die die sozialen Dimensionen mitdenkt: Es bedarf an Konzepten für die Regionen, eine soziale Absicherung der betroffenen ArbeitnehmerInnen, eine Stärkung des sozialen Dialogs und eine Diversifizierung der Wirtschaft. Und die Zeit drängt: Bis 2030 ist ein Abbau von bis zu 140.000 Arbeitsplätzen in diesen Sektoren möglich.
Der sozial gerechte Übergang hin zu einer klimaneutralen Wirtschaft ist für die neue Kommission von Ursula von der Leyen eines der zentralen Ziele. Bereits im Januar 2020 hat sie einen Vorschlag für einen Fonds für einen gerechten Übergang vorgelegt, der nun in Brüssel diskutiert wird. Die AK begrüßt grundsätzlich diesen Just Transition Fonds, allerdings sind hinsichtlich der Treffsicherheit sowie der Finanzierung noch Fragen offen.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Ein sauberer Planet für alle
AK EUROPA: Changing climate in a Social Europe: making a just transition possible
AK EUROPA: Finanzierungsvorschlag des European Green Deal vorgestellt
A&W Blog: Der “Europäische Green Deal” – eine glaubwürdige Chance im Kampf gegen die Klimakrise