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ZurückAls die Kommission am 26. Februar 2020 den Länderbericht für Österreich veröffentlichte, war das Ausmaß der Corona-Krise noch ungeahnt. Für die nächsten Schritte des Europäischen Semesters müssen die richtigen Lehren aus der Krise gezogen werden.
Jedes Jahr veröffentlicht die Kommission im Rahmen des Europäischen Semesters Länderberichte, aus denen jeweils die Länderspezifischen Empfehlungen abgeleitet werden. Nun kam die Corona-Krise und mit ihr müssen viele benannte Reformvorschläge neu bewertet werden. In diesem Kontext fordert der EGB eine Verschiebung der Länderspezifischen Empfehlungen.
Lehren aus der Corona-Krise
Die aktuelle Krise und ihre tiefgreifenden wirtschaftlichen und sozialen Konsequenzen halten den Reformanregungen des Länderberichts den Spiegel vor. Sollten vorher sozialstaatliche Institutionen der Kosteneffizienz untergeordnet werden, zeigt die Krise vielmehr, dass sich der kontinuierliche Kampf für ein gut ausgebautes Gesundheits-, Langzeitpflege- und Pensionssystem lohnt. Der aktuelle Länderbericht hält Österreich etwa dazu an, Ausgaben im Bereich der Gesundheitsversorgung zu kürzen und auch die Pflege kosteneffizient zu gestalten. Die Corona-Pandemie zeigt eindrucksvoll, welche fatalen Folgen dies mit sich gebracht hätte.
Handlungsbedarf in Sachen Geschlechtergerechtigkeit und Chancengleichheit
Wie der Länderbericht richtig erkennt, sind geschlechtsspezifische Lohn- und Rentenlücken ein großes Problem. Ein wirksames Politikrezept dagegen bestünde aus Sicht der AK in existenzsichernder Beschäftigung für Menschen mit Sorgeverantwortung und im Ausbau von leistbaren Betreuungsangeboten. Auch Maßnahmen zur Lohntransparenz würden helfen, denen die Kommission gemäß einer geleakten Fassung des überarbeiteten Kommissionarbeitsprogramms bedauerlicherweise selbst keine Priorität mehr einzuräumen scheint. Für die Chancengleichheit aller bzw. die Besserstellung von geringqualifizierten Menschen oder Menschen mit Migrationsbiographien in Erwerbstätigkeit gibt es weiterhin noch viel zu tun. Seit Langem ist überdies ein Mangel an Pflegepersonal bekannt, der im Länderbericht unter dem Aspekt der Kostenentwicklung aufgegriffen wird. Jenseits einer schlichten Kosten-Nutzen-Rechnung setzt sich die AK für eine Aufwertung und Professionalisierung von Pflegeberufen ein, die sich in verbesserten Arbeitsbedingungen und höheren Löhnen niederschlagen muss. Die Kommission empfiehlt überdies, Arbeit weniger zu besteuern. Die AK schließt sich diesem Vorschlag mit der Forderung nach einer allgemeinen Vermögensteuer und einer Erbschafts- und Schenkungssteuer an, die der ausgeprägten Vermögensungleichheit entgegenwirken würden.
In Bezug auf die Angemessenheit der Pensionen wird das österreichische Pensionssystem gelobt. Gleichzeitig wird ein Reformbedarf bzw eine mangelnde „Zukunftstauglichkeit“ aufgrund der vermeintlichen Gefährdung der finanziellen Tragfähigkeit unterstellt. Aus AK-Sicht ist diese Einschätzung schlichtweg falsch, zudem gibt es klare Fortschritte bei der Anhebung des faktischen Pensionsantrittsalters und der gezielten Erhöhung niedriger Pensionseinkommen.
Ökologische Nachhaltigkeit
Bezüglich des neu eingeführten Nachhaltigkeitskapitels des Länderberichts verweist die Arbeiterkammer auf die Notwendigkeit einer sozial verträglich gestalteten ökologischen Wende und plädiert für die Anwendung der Goldenen Investitionsregel. Um die Klimaziele trotz Corona-Krise zu erreichen, schlägt die AK zusätzlich ein staatliches Klimaschutz-Investitionspaket vor. Zudem müssen unter anderem vermehrte Anstrengungen bei der Energieeffizienz und bei thermischen Gebäudesanierungen ergriffen werden. Eine Abkehr von fossiler Heizenergie und eine tiefgreifende Umstrukturierung des Verkehrssystems sind ebenfalls von großer Bedeutung.
Reform des Europäischen Semesters
Die AK fordert einen Paradigmenwechsel des Europäischen Semesters, der eine ausgewogene wohlstandsorientierte Wirtschaftspolitik gemäß des „magischen Vielecks“ ins Zentrum rückt. Als einer der wenigen positiven Aspekte zeigt die aktuelle Ausnahmesituation immerhin, dass enge budgetäre Grenzen nicht in Stein gemeißelt sind. Die UN-Ziele zur nachhaltigen Entwicklung (SDGs) werden im diesjährigen Bericht erstmals erwähnt – eine kohärente Integration der SDGs mit Formulierung von Teilzielen lässt der Länderbericht bislang aber noch vermissen. Die Zusage einer festen Verankerung ist begrüßenswert, muss sich aber in einer analytischen, statt nur deskriptiven Dimension niederschlagen, die Problemursachen und Handlungsprioritäten identifiziert. Zum Zweck der demokratischen Legitimation muss sich das Europäische Semester auch im institutionellen Gefüge der EU-Institutionen neu ansiedeln: Die AK fordert hierfür eine Mitbestimmung des Europäischen Parlaments sowie eine engagiertere Einbindung der Sozialpartner und der Zivilgesellschaft.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Länderbericht Österreich
AK EUROPA: Europäisches Semester: Kommission attestiert Österreich Handlungsbedarf
AK EUROPA Policy Brief: Economic Governance - Focus on Sustainable Development of Well-Being