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ZurückIm Rahmen des Europäischen Semesters erstellt die Europäische Kommission jedes Jahr einen Länderbericht für die einzelnen Mitgliedstaaten. Der aktuelle Bericht für Österreich, der am 27. Februar 2019 veröffentlicht wurde, enthält aus Sicht der Arbeiterkammer weiterhin zahlreiche kritische Bewertungen, die die Kommission hier vornimmt, aber auch eine Reihe von Aspekten, die von der AK seit Jahren gefordert werden.
Seit 2011 erstellt die Europäische Kommission das Europäische Semester, um vor dem Hintergrund der Finanz-und Wirtschaftskrise ab 2008 die wirtschaftliche und soziale Entwicklung der Mitgliedstaaten zu verbessern und besser zu koordinieren. Zentraler Bestandteil dieses Europäischen Semester sind die jährlich erscheinenden Länderberichte, von denen in weiterer Folge länderspezifische Empfehlungen abgeleitet werden. AK EUROPA gibt einen Überblick über die wichtigsten Erkenntnisse des aktuellen Berichts für Österreich:
Arbeitsmarkt
Die Kommission stellt fest, dass sich die Lage auf dem österreichischen Arbeitsmarkt hinsichtlich der Beschäftigungs- und Erwerbsquoten zwar stetig verbessert hat, es aber weiterhin ein sehr stark ausgeprägtes Lohngefälle zwischen Männern und Frauen gibt. Dies liegt vor allem daran, dass der Anteil an teilzeitbeschäftigten Frauen in Österreich besonders hoch ist. Als Ursache nennt sie den Umstand, dass Kinderbetreuungseinrichtungen für Kinder unter drei Jahren nur in unzureichendem Maße verfügbar und innerhalb des Landes ungleich verteilt sind. Frauen sind in weiterer Folge auch bei den Pensionen benachteiligt, weshalb Frauen über 65 Jahren einem höheren Risiko für Armut und soziale Ausgrenzung ausgesetzt sind als Männer.
Pensionen
Die Kommission attestiert Österreich bei den Pensionsausgaben weiterhin ein „mittleres Risiko“ für die Tragfähigkeit durch öffentliche Finanzen. So geht sie davon aus, dass die öffentlichen Ausgaben für Pensionen von 13,8 % auf 14,3 % bis 2070 steigen werden. Sie bezeichnet diesen Anstieg selbst zwar nur als moderat, sieht Österreich aber bereits heute mit einer der höchsten Pensionsquoten. Die Europäische Kommission vertrat diese Ansicht bereits in den Vorjahren, was unter anderem dazu führte, dass sie Österreich im Rahmen der länderspezifischen Empfehlungen die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters nahelegte. Aus Sicht der Arbeiterkammer ist diese Empfehlung klar abzulehnen, da mit einer aktiven Arbeitsmarktpolitik die Beschäftigungsquote erhöht und somit für mehr EinzahlerInnen ins Pensionssystem gesorgt werden kann, wodurch das Pensionssystem langfristig gesichert ist.
Einbindung der Sozialpartner
Die Kommission äußert sich auch zur Einbindung der Sozialpartner in Österreich: So stellt sie fest, dass die neue Regierung „das etablierte System des sozialen Dialogs und die Einbeziehung der Sozialpartner in den Entscheidungsprozess auf die Probe gestellt“ hat. Sie attestiert den österreichischen Sozialpartnern die „erwiesene Fähigkeit“, zu einer ausgewogenen sozioökonomischen Entwicklung beizutragen. Die Kommission äußert Bedenken, ob die Sozialpartner bei der Gestaltung der Reformen, die in den letzten Monaten ergriffen wurden, angemessen eingebunden wurden.
Wirtschaft
Dank hohem privaten Konsum und Investitionen wuchs Österreichs Bruttoinlandsprodukt 2018 um 2,7 %. Für die nächsten beiden Jahre geht die Kommission aber von einem Rückgang auf 1,6 % aus. Der Anteil an Fremdwährungskrediten ist weiter zurückgegangen, soll aber weiterhin genau beobachtet werden. Und auch die Abwicklung von Abbaugesellschaften, die während der Finanzkrise zur Verwaltung notleidender Kredite eingerichtet wurden, geht schneller voran als erwartet. Die Voraussetzungen für die Ausübung von zentralen Gewerben und Berufen sind aus Sicht der Kommission aber weiterhin streng und hemmen aus Sicht der Kommission Investitionen, die Schaffung neuer Arbeitsplätze und die Innovation von Unternehmen.
Steuern
Für künftige Steuerreformen empfiehlt die Kommission eine deutliche Umverteilung der Steuerlast, und zwar weg vom Faktor Arbeit – der derzeit 55,3 % des Steueraufkommens schultert – und hin zu "wachstumsfreundlicheren Einnahmequellen": Angesichts der hohen Vermögensungleichheit in Österreich würden etwa eine höhere Grundsteuer oder die Wiedereinführung der Erbschafts- und Vermögenssteuer Umschichtungspotenzial bieten, heißt es im Bericht. Dies könnte laut Berechnungen der Kommission zwischen 2,7 und 6,3 Milliarden Euro an Einnahmen lukrieren!
Dies ist von großer Bedeutung, da Österreich bei den Vermögenssteuern im OECD-Vergleich eines der Schlusslichter ist. Dabei wächst der Reichtum des obersten Prozent immer weiter an. Das oberste 1 % besitzt in Österreich fast 40 % des Gesamtvermögens. Die ärmere Hälfte der ÖsterreicherInnen kommt demgegenüber nur auf 3,6 % des Vermögens. Die aktuelle Vermögenserhebung der ÖNB (HFCS) zeigt zudem, dass Erbschaften noch viel ungleicher verteilt sind als das Vermögen insgesamt. Nur etwa zwei Fünftel der Haushalte in Österreich haben (bisher) eine Erbschaft erhalten. Die meisten davon haben relativ geringe Summen, einige wenige aber haben sehr viel Vermögen geerbt.
Wohnen
Auch die Immobilienpreise hat die Kommission im Rahmen des Länderberichts unter die Lupe genommen: Neben den Kaufpreisen sind auch die Mietpreise überdurchschnittlich gestiegen, und zwar allen voran in Wien um 50 % seit 2005. Gerade für die Hauptstadt sieht sie diese Preissteigerung als Problem, da Mietobjekte drei Viertel des dortigen Marktes ausmachen. Zu diesen steigenden Preisen trug vor allem auch der Anstieg des Anteils privat finanzierter Wohnungen bei. Die Arbeiterkammer weist schon seit Längerem auf die steigenden Wohnkosten in Österreichs Städten hin und fordert Maßnahmen, damit Wohnen auch in urbanen Räumen wieder leistbar wird.
Nachhaltigkeit
Auch Aspekte zur Energieversorgung, Luftverschmutzung und Kreislaufwirtschaft werden im Rahmen des Berichts angesprochen. So läuft Österreich Gefahr, bei der Energieeffizienz und der Verringerung von Treibhausgasemissionen die Klima- und Energieziele bis 2020 zu verfehlen, da vor allem im Verkehrsbereich eine Zunahme der Emissionen zu verzeichnen ist. Gerade für die städtischen Räume sieht sie die Verkehrsüberlastung und Luftverschmutzung als große Herausforderung. Die Kreislaufwirtschaft befindet sich dank hoher Recyclingquoten auf einem guten Weg, gleichzeitig vermisst die Kommission jedoch eine Gesamtstrategie, um die Verwendung und Verfahren von Recyclingmaterialien zu verbessern.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Länderberichte 2019
AK EUROPA: Jahreswachstumsbericht 2019: Kurswechsel notwendig
AK EUROPA: Vermögen global so ungleich verteilt wie noch nie
AK EUROPA: Europäisches Semester 2019: Mehr soziale Gerechtigkeit!