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ZurückDie Europäische Kommission hat am 5. Juni 2019 ihre länderspezifischen Empfehlungen im Rahmen des Europäischen Semesters veröffentlicht. Die konkreten Empfehlungen für Österreich ergeben ein gemischtes Bild: Einerseits wird empfohlen, stärker mit den Sozialpartnern zusammenzuarbeiten. Andererseits empfiehlt sie neuerlich die Erhöhung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters.
Seit 2011 ist das sogenannte Europäische Semester zentraler Bestandteil der Europäischen Wirtschaftspolitik: Damit sich die Mitgliedstaaten der EU besser aufeinander abstimmen, um für Krisen besser gewappnet zu sein, erstellt die Kommission jährlich einen Jahreswachstumsbericht für die EU, Länderberichte zu jedem Mitgliedsstaat und schließlich länderspezifische Empfehlungen.
Für Österreich wiederholt die Kommission auch in diesem Jahr die Forderung, das gesetzliche Pensionsantrittsalter zu erhöhen mit dem Argument, die langfristige Finanzierung sicherzustellen. Aus Sicht der Arbeiterkammer geht die Kommission hier aber von der falschen Annahme aus, dass die öffentlichen Ausgaben für das Pensionssystem im Verhältnis zum BIP gesenkt werden müssten. Vielmehr zeigen die Berechnungen, dass die öffentlichen Pensionsausgaben auch in den nächsten Jahrzehnten nur moderat steigen werden, weshalb nicht von einer Gefährdung der Finanzierung gesprochen werden kann. Gerade jene ArbeitnehmerInnen, die hohen Belastungen am Arbeitsplatz ausgesetzt sind, würde ein späterer Eintritt in die Pension massive Mehrbelastungen bedeuten. Einmal mehr übersieht die Kommission, dass das österreichische Pensionsmodell vielmehr als best-practice Beispiel eines nachhaltig finanzierten Vorsorgemodells herangezogen werden kann, da es vorrangig auf die öffentliche Säule des Umlagesystems, von dem alle profitieren und nicht auf private und stärker risikobehaftete Vorsorge setzt.
Positiv hervorzuheben ist, dass die Kommission die wichtige Rolle der Sozialpartner in Österreich betont, deren Beteiligung in den vergangenen Monaten zunehmend „in Frage gestellt“ wurde. So empfiehlt sie – im Gegensatz zu den vergangenen Jahren – der Regierung, mit den Sozialpartnern zusammenzuarbeiten, um Vollzeitbeschäftigung von Frauen zu unterstützen. Gerade der Anteil an Frauen in Teilzeitbeschäftigung (47,6 % in Österreich, im EU-Schnitt sind es 30,8 %) aufgrund des unzureichenden Kinderbetreuungsangebots ist besonders hoch. Außerdem sollten die Chancen von Geringqualifizierten auf dem Arbeitsmarkt gesteigert werden, da mehr als 44 % der Arbeitslosen lediglich einen Pflichtschulabschluss aufweisen.
Außerdem betont die Kommission, dass der Faktor Arbeit steuerlich entlastet und auf andere Quellen verlagert werden sollte, die ein gerechtes und nachhaltiges Wachstum besser fördern. Dabei attestiert sie Österreich eine „bemerkenswerte Ungleichverteilung der Vermögen“ und verweist auf den Umstand, dass weder Erbschaften noch Schenkungen besteuert werden.
Aufgrund der wirtschaftlichen Situation in den EU-Mitgliedstaaten hat die Kommission aber andere Länder stärker im Fokus: So hat die Kommission empfohlen, ein Defizitverfahren gegen Italien einzuleiten, da die Staatsverschuldung mit 132 % weiterhin deutlich über dem Grenzwert von 60 % liegt und das Defizit im Haushalt im Steigen begriffen ist. Auch wenn in der Vergangenheit diese sog. Maastricht-Kriterien von anderen Ländern gebrochen wurden, könnte damit erstmals gegen ein EU-Land eine Strafzahlung verhängt werden. Frankreich, Belgien und Zypern wurden ebenfalls genauer geprüft, hier sieht die Kommission aber keine Notwendigkeit eines Verfahrens. Demgegenüber steht das Lob für Spanien: Hier empfiehlt die Kommission dem Rat, das seit 2009 laufende Defizitverfahren einzustellen.
Nun sind die Mitgliedstaaten am Zug. Sie müssen den von der Kommission vorgeschlagenen Empfehlungen und Verfahren zustimmen. Während es sich bei den länderspezifischen Empfehlungen auch diesmal nur um einen formalen Schritt handeln dürfte, ist zu erwarten, dass das Defizitverfahren gegen Italien zum zentralen Thema des nächsten Rates der FinanzministerInnen am 14. Juni 2019 wird.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA Positionspapier: Länderbericht Österreich
AK EUROPA: EU senkt Wachstumsprognose: Nachhaltiges Agieren erforderlich!
AK EUROPA: Europäisches Semester: Mehr soziale Gerechtigkeit!