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ZurückZwei Wochen nach der turbulenten Abstimmung und außergewöhnlichen Ablehnung des Berichtsentwurfs zum ETS stimmte das EU-Parlament im zweiten Anlauf am 22. Juni 2022 nun für einen von den großen Fraktionen ausgehandelten Kompromiss. Dieser stellt im Gegensatz zum abgelehnten Entwurf eine wesentliche Verbesserung im Sinne des Green Deals dar.
Am 14. Juli 2021 präsentierte die EU-Kommission eine Reihe von Legislativvorschlägen, mit welchen die EU bis 2050 klimaneutral werden will. Dies beinhaltet auch das dafür notwendigen Zwischenziel der Treibhausgas-Reduktion um mindestens 55 % bis 2030. Zu den vorgestellten Vorschlägen gehörten unter anderem die Steigerung der Ambitionen des EU-Emissionshandelssystems (ETS) sowie die Einführung eines Klima-Sozialfonds und des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM).
Die drei Schlüsselelemente der EU-Klimagesetzgebung scheiterten am 8. Juni 2022 im EU-Parlament in einer dramatischen Abstimmung. Der ETS-Bericht wurde abgelehnt, nachdem die Abgeordneten eine Reihe von Änderungsanträgen verabschiedet hatten, welche die Klimaambitionen der EU abgeschwächt hätten. Nachdem sich in den Tagen danach die Verhandlungsführer:innen der drei größten Fraktionen des EU-Parlaments auf einen Kompromiss geeinigt und zentrale Streitpunkte bei der Überarbeitung des Emissionshandelssystems und der geplanten CO2-Grenzsteuer ausgeräumt hatten, wurden die beiden Dossiers sowie der Bericht zum Klima-Sozialfonds am 22. Juni 2022 im Plenum des EU-Parlaments schlussendlich mit einer breiten Mehrheit angenommen. Einer der größten Knackpunkte, der die Abstimmung im EU-Parlament Anfang Juni zum Scheitern brachte, war das Datum, an dem bestimmte Industrien keine kostenlosen Verschmutzungszertifikate mehr im Rahmen des ETS erhalten sollen. Gemäß der nun erzielten Einigung wird die kostenlose Vergabe von Zertifikaten für CO2-Emissionen ab 2027 nach und nach auslaufen und ab 2032 ganz verschwinden – also drei Jahre früher, als von der EU-Kommission vorgeschlagen.
Emissionshandelssystem soll auf Gebäude und Verkehr ausgeweitet werden
Mit 1. Januar 2025 soll ein separates neues Emissionshandelssystem (ETS-2) für die Kraftstoffverteilung im gewerblichen Straßenverkehr und in Gebäuden eingerichtet werden. Um zu verhindern, dass die Bürger:innen zusätzliche Energiekosten tragen müssen, fordert das EU-Parlament, dass private Gebäude und private Verkehrsmittel jedenfalls nicht vor 2029 in das ETS-2 einbezogen werden sollen. Ferner sollen Einnahmen aus der Versteigerung von 150 Millionen Zertifikaten im Rahmen des ETS-2 dem Klima-Sozialfonds zur Verfügung gestellt werden, um so einkommensschwache Familien zu unterstützen. Die AK lehnt die Einführung des ETS-2 grundsätzlich ab, da unkontrollierbare Preisausschläge für Heizen und Warmwasser die Folge sein können. Diese Grundbedürfnisse dürfen nicht den reinen Marktmechanismen überlassen werden.
Im Vergleich zum Kommissionsvorschlag möchten die Abgeordneten des EU-Parlaments auch bei ETS-2 deutlich mehr Ambition bei der Reduktion der Treibhausgasemissionen und schlagen vor, die Emissionszertifikate bis 2032 jährlich stärker zu reduzieren. Ferner soll gemäß Parlament ab 2025 ein Bonus-Malus-System eingeführt werden, um den effizientesten Anlagen eines Sektors zusätzliche Zertifikate zur Verfügung zu stellen.
Der Klima-Sozialfonds
Ebenso beschloss das EU-Parlament den Rechtsakt zur Einrichtung eines sozialen Klimafonds. Die Abgeordneten fordern, dass die sozialen Klimapläne der EU-Mitgliedstaaten erst nach Rücksprache mit lokalen und regionalen Behörden, Wirtschafts- und Sozialpartnern sowie der Zivilgesellschaft vorlegelegt werden können. Diese sollen kohärente Maßnahmen zur Bekämpfung von Energie- und Mobilitätsarmut enthalten. Einerseits könnten so vorübergehende direkte Einkommensstützungsmaßnahmen finanziert werden (zB eine Senkung der Energiesteuern und -gebühren), um dem Anstieg der Preise für Heizen und im Straßenverkehr entgegenzuwirken. Andererseits soll der Fonds Investitionen in die Renovierung von Gebäuden, erneuerbare Energien und eine Verlagerung vom privaten zum öffentlichen Verkehr, Fahrgemeinschaften und Carsharing sowie die Nutzung aktiver Fortbewegungsmittel wie Radfahren abdecken. Die AK unterstützt die Einrichtung eines Klima-Sozialfonds, lehnt jedoch die Finanzierung über die Schaffung des ETS-2 ab. Leider wurde die Forderung der AK nicht aufgegriffen, den Klima-Sozialfonds bis 2050 fortzuführen, handelt es sich bei der Transformation doch um einen länger anhaltenden Prozess.
CBAM – Das CO2-Grenzausgleichssystem der EU
Die Bemühungen der EU, bis 2050 klimaneutral zu werden, könnten durch weniger klimaambitionierte Länder untergraben werden. Daher schlug die EU-Kommission im Juli 2021 auch ein CO2-Grenzausgleichssystem (CBAM) vor, um Treibhausgasemissionen durch Einfuhren von CO2-intensiven Erzeugnissen aus Drittländern zu verringern, in denen die Klimaschutzmaßnahmen weniger ambitioniert sind als in der EU. Das EU-Parlament beschloss nun, CBAM auf weitere Produkte wie Aluminium, Wasserstoff und Chemikalien auszuweiten. Ferner forderten die Abgeordneten eine schnellere Umsetzung ab dem 1. Januar 2023 mit einer zweijährigen Übergangsfrist sowie eine Ausweitung auf alle Produktbereiche des EU-Emissionshandelssystems bis 2030. Dementsprechend sollen aus Sicht des EU-Parlaments nach 2026 keine kostenlosen Zertifikate im ETS mehr zur Verfügung gestellt werden. Für die AK geht der Kommissionvorschlag zu CBAM in die richtige Richtung. Wichtig ist jedoch, dass dieses neue Instrument auch regelmäßig hinsichtlich seiner Wirksamkeit überprüft wird.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Gerechter Weg zur Klimaneutralität!
AK EUROPA: Der gerechte Übergang zur Klimaneutralität – vor welchen Herausforderungen stehen wir?
AK EUROPA Positionspapier: „Fit for 55“ Paket I – Bepreisung von Treibhausgasemissionen
AK EUROPA Positionspapier: Energie- und Klimahilfsfonds