Nachrichten
ZurückAm 6. Mai stellte Wirtschaftskommissar Gentiloni die Frühjahrsprognose 2020 vor. Die EU steht vor einer Rezession in noch nie gekanntem Ausmaß. Es gibt aber auch Grund zur Hoffnung.
Konnte die Frühjahrsprognose letztes Jahr noch vorsichtiges Wachstum vermelden, zeichnen die aktuellen Prognosen für dieses Jahr ein düsteres Bild: Die Coronakrise hat die europäische Wirtschaft „über Nacht“ auf den Kopf gestellt. Wirtschaftskommissar Gentiloni sprach von einem „wirtschaftlichen Schock, wie wir ihn seit der Großen Depression nicht mehr erlebt haben.“ So ist für 2020 mit einem Rückgang der europäischen Wirtschaft um 7,4 % zu rechnen, in der Euro-Zone sind es sogar 7,7 %.
Nicht alle Mitgliedsstaaten sind gleich betroffen
Der wirtschaftliche Schock betrifft alle Mitgliedsstaaten, allerdings in unterschiedlichen Ausmaßen. Die am schlimmsten betroffenen Länder sind auch die, die von der Pandemie am stärksten erfasst wurden. Die italienische Wirtschaft wird voraussichtlich um 9,5 % schrumpfen, die spanische um 9,4 %. Griechenland liegt mit einem Minus von 9,7 % an der Spitze. Konnte Österreich in der Herbstprognose noch ein geschätztes Wirtschaftswachstum von 1,6 % verzeichnen, prognostiziert die Kommission nun für 2020 einen Rückgang von 5,5 %. Damit weist Österreich allerdings die drittgeringste Schrumpfung auf, nur Polen (4,3 %) und Luxemburg (5,4 %) stehen noch besser da.
Aussichten für den Arbeitsmarkt „vollkommen anders“ als prognostiziert
Die in vielen Mitgliedsstaaten zügig eingeführten Kurzarbeitsmodelle, als auch das am 1. Juni in Kraft tretende europäische Kurzarbeitsinstrument SURE und Soforthilfen für Selbstständige haben zweifelsohne Schlimmeres verhindert. Dennoch sind die zuvor europaweit wachsenden Beschäftigungszahlen vorerst Geschichte. Für 2020 wird ein Anstieg der Arbeitslosigkeit von geschätzten 2,3 % im Vergleich zum Vorjahr prognostiziert. Die Arbeitslosenquote in der EU läge demnach dieses Jahr bei 9 %. In Ländern mit stark ausgeprägtem Tourismussektor und/oder vielen ArbeitnehmerInnen mit befristeten Kurzzeitverträgen wird der Anstieg der Arbeitslosigkeit höher ausfallen. Ebenso sind junge Menschen auf der Suche nach einem Einstieg in den Arbeitsmarkt besonders betroffen. Gentiloni verwies ebenfalls auf den massiven Einbruch geleisteter Arbeitsstunden, der durch Kontakt- und Ausgangssperren bedingt ist. Obwohl die Arbeitslosigkeit auch in Österreich auf 5,8 % für das Jahr 2020 steigen wird, geht die Kommission hier bereits im zweiten Halbjahr 2020 von einer langsamen Erholung aus. Für 2021 wird eine Arbeitslosenquote von knapp 5 % (4,5 % in 2019) prognostiziert. Ein noch schlimmeres Ausmaß der Krise konnte laut Kommission durch das österreichische Kurzarbeitsmodell verhindert werden.
Staatsverschuldung steigt
Die eingeführten Maßnahmen zur Krisenabmilderung, ob Kurzarbeit, Soforthilfen oder Kredite, kosten Geld. Im Zuge der Coronakrise müssen sich Staaten verschulden, obwohl deren Einnahmen, u.a. generiert durch Körperschaftssteuern oder Einkommensteuern, sinken. In Österreich schlagen die budgetären Auswirkungen der Coronakrise mit 15 Milliarden € zu Buche, das sind 4 % des BIP. Die österreichische Staatsverschuldung steigt 2020 um circa 8 % auf fast 79 % des BIP.
Auf EU-Ebene wird damit gerechnet, dass das gesamtstaatliche Defizit des Euro-Währungsgebiets in diesem Jahr von 0,6 % des BIP im Jahr 2019 auf etwa 8,5 % im Jahr 2020 ansteigen wird. Für 2021 wird ein Rückgang der derzeit notwendigen Verschuldungen auf 3.5 % erhofft.
Vorsichtige Hoffnung auf Erholung
Die Kommission rechnet für 2021 mit einem Wirtschaftswachstum in der EU von ca. 6 %. Analog zu den unterschiedlichen Ausmaßen der Krise in den Mitgliedstaaten lassen sich nach aktuellem Stand ebenso unterschiedliche Erholungspotentiale ablesen. Ein Schlüssel zum Erfolg sei dabei der Umfang und die Wirksamkeit politischer Unterstützungsmaßnahmen. Laut Prognosen könnten lediglich Österreich, Deutschland, Polen, Kroatien und die Slowakei das Jahr 2021 mit dem gleichen Wirtschaftsniveau wie im letzten Quartal 2019 abschließen. Im Gegensatz dazu würden etwa Italien, die Niederlande und Spanien dieses Ziel um 2 % verfehlen. Bereits bestehende wirtschaftliche Ungleichgewichte zwischen den Mitgliedsstaaten würden so noch weiter verschärft.
Auf Nachfrage räumte Gentiloni ein, dass die vorgestellten Zahlen eine eher optimistische Version seien und es sich hierbei um ein sogenanntes Baseline-Szenario handle. Dieses Szenario geht von schrittweisen Lockerungen der gesetzten lockdown-Maßnahmen im Mai aus. Inwiefern dieses Szenario zutrifft, hängt vor allem von der erfolgreichen Bekämpfung und Eindämmung des Coronavirus ab. Zudem sei eine „zeitnahe gemeinsame Strategie zur Konjunkturbelebung“ das Gebot der Stunde, um noch drastischere wirtschaftliche Auswirkungen zu verhindern.
Weiterführende Informationen:
Europäische Kommission: Frühjahrprognose 2020 (Bericht)
AK EUROPA: Länderbericht Österreich im Lichte der Corona-Krise
AK EUROPA: Eurogruppe einigt sich auf Notfallpaket für die Coronakrise
AK EUROPA: Kommission stellt europäisches Instrument für Kurzarbeit vor