Nachrichten
ZurückOb Telearbeit, E-Learning oder 5G-Netzwerke: Die anhaltende Coronakrise dürfte die Digitalisierung in vielen Lebensbereichen schlagartig vorantreiben. Eines der selbsterklärten Kernthemen der Europäischen Kommission rückt damit noch stärker in den Fokus.
Für Millionen von ArbeitnehmerInnen gehören Homeoffice und Videokonferenzen plötzlich zum Arbeitsalltag, SchülerInnen und StudentInnen erhalten Lerninhalte und Arbeitsaufgaben nur noch digital und zur Eindämmung der Pandemie wird in vielen Ländern über die (Un-)Möglichkeiten von Handy-Apps diskutiert. UN-Generalsekretär Antonio Guterres prognostiziert nicht ohne Grund eine „massenhafte Digitalisierung der menschlichen Beziehungen“ und sieht eine Zukunft voraus, die „viel digitaler sein wird als die Vergangenheit“. Und auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sieht keinen Widerspruch zwischen einem nun erforderlichen Wiederaufbauprogramm und dem selbsterklärten Fokus der Kommission auf das Thema Digitalisierung. Von der Leyen glaubt an eine Europäische Union, die „belastbarer, grüner und digitaler“ aus der aktuellen Krise hervorgehen wird.
Geplante Schlussfolgerungen des Rates
Laut eines geleakten Entwurfes für Ratsschlussfolgerungen, welche am 5. Juni am zuständigen MinisterInnen-Rat beschlossen werden sollen, sollen die Erfahrungen aus der aktuellen Krise gründlich analysiert und daraus entsprechende Maßnahmen im Bereich Digitalisierung abgeleitet werden, vor allem hinsichtlich e-Health, digitaler Bildung, e-Government, Datenaustausch und Breitbandkonnektivität. Im Entwurf ist vorgesehen, dass die EU den „Austausch von Daten zwischen Unternehmen und Institutionen“ erleichtert und bis Ende des Jahres die flächendeckend Einführung 5G-Frequenzen gefordert wird. Außerdem soll der Rat seine Bedenken hinsichtlich der Arbeitsweise von Online-Plattformen äußern und die Notwendigkeit von „klaren und harmonisierten Regeln und Verantwortlichkeiten sowie einer Rechenschaftspflicht für digitale Dienste“ betonen.
Digitalsteuer
Für den EU-Wirtschaftskommissar Paolo Gentiloni zeigt die aktuelle Krise und die sich abzeichnenden Folgen für die Wirtschaft erneut die Notwendigkeit einer Digitalsteuer. „Aus Sicht der Europäischen Union ist klar, dass wir eine digitale Besteuerung brauchen“, hielt der Kommissar im Rahmen einer Veranstaltung am 6. April fest. Auf EU-Ebene wurde in dieser Hinsicht bereits seit Jahren eine Einigung gesucht. Eine gemeinsame Regelung hinsichtlich der Besteuerung und der Definition von „digitalen Betriebsstätten“ konnte hier – auf Grund des starken Widerstands einzelner Mitgliedstaaten – allerdings nicht erzielt werden. Stattdessen sollte eine Einigung auf OECD-Ebene erarbeitet werden. Einzelne Mitgliedsstaaten wollten sich allerdings nicht länger vertrösten lassen und setzten eine Digitalsteuer auf nationaler Ebene um. So etwa Frankreich, das sich allerdings bereit erklärt hat, auf ein Einheben der Steuer noch bis Ende 2020 zu verzichten. Auch in Österreich gilt seit Anfang des Jahres eine Art Digitalsteuer, wobei die vorhergehende Bundesregierung hier deutlich hinter ihren Möglichkeiten zurückblieb. Auf OECD-Ebene deutet nun vieles auf eine baldige Einigung hin, ein entsprechender Beschluss ist prinzipiell für Sommer 2020 geplant. Im Rahmen der Plenarsitzung der G20/OECD am 1. und 2. Juli 2020 in Berlin soll die Debatte fortgesetzt werden.
Digital Services Act
Die Konsultationen der Kommission zum mit Spannung erwarteten Gesetz über digitale Dienste (Digital Services Act), die eigentlich Ende März aufgenommen werden hätte sollen, wurden auf Grund der aktuellen Ereignisse verschoben. Laut Medienberichten ist momentan unklar, wie sich die aktuelle Situation auf die Pläne zur Regulierung von Online-Plattformen auswirken wird. Umso mehr begrüßt die Arbeiterkammer, dass sich das Europäische Parlament bereits mit der Frage auseinandersetzt, welche Aspekte das geplante Gesetz enthalten sollte.
In einem Brief an die Abgeordneten des EU-Parlaments betonen Renate Anderl, Präsidentin der Arbeiterkammer, und Christoph Klein, Direktor der Arbeiterkammer, die Wichtigkeit eines zeitgemäßen Rechtsaktes, der den beschäftigungspolitischen, sozialen, konsumentInnenschutzrechtlichen, steuerlichen und wettbewerbspolitischen Herausforderungen der digitalen Welt gerecht wird. Hier benötige es einen fairen Wettbewerb, die Gültigkeit des Bestimmungslandprinzips, den Kampf gegen die Prekarisierung der Beschäftigten und die Unterbindung der Umgehung von Steuer- und Abgabepflichten durch Internet-Konzerne. Zur Stärkung des VerbraucherInnenschutzes fordern Anderl und Klein unter anderem Transparenzvorschriften für Rankings, eine einheitliche Regulierung von Onlinewerbung und die Bekämpfung von Cyberkriminalität. Um einen fairen Wettbewerb zu gewährleisten, sind sektorspezifische ex-ante (im Vorhinein) Regelungen für marktdominante Internetplattformen dringend erforderlich. Hier müssen umgehend entsprechende Regulierungsbehörden auf europäischer und nationaler Ebene geschaffen werden, die eine ex-ante Aufsicht vornehmen. Ex-ante Regelungen braucht es zudem bei der Entwicklung Digitaler Innovationszentren und Künstlicher Intelligenz. Außerdem ist die Einrichtung von Streitbeilegungsmechanismen erforderlich.
Weiterführende Informationen:
AK EUROPA: Plattformarbeit: digital und prekär
AK EUROPA: Künstliche Intelligenz und andere Herausforderungen des digitalen Zeitalters
AK EUROPA: Digitalisierung: Vorhaben der neuen EU Kommission
AK EUROPA: Faire Mindestlöhne im Zeitalter der Plattformwirtschaft
A&W Blog: Protest oder Verhandeln? Gewerkschaftliches Handlungspotenzial im Plattformkapitalismus