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ZurückAm 1. sowie 15. und 16. September 2020 veranstaltete die deutsche Ratspräsidentschaft hochrangige Konferenzen zu ihren sozialpolitischen Schwerpunkten. Neben der Diskussion um EU-Mindestlöhne standen der Kampf gegen Armut, die prekäre Situation von SaisonarbeiterInnen und mobile ArbeiterInnen, Jugendbeschäftigung, PlattformarbeiterInnen und verbindliche Standards in der Lieferkette im Zentrum der Debatte.
EU-Mindestlohninitiative – Faire Löhne und Stärkung von Tarifverhandlungen
Mit Spannung erwartet wird der für 28. Oktober 2020 angekündigte Vorschlag der Europäischen Kommission zum Mindestlohn. Im Rahmen der Veranstaltungen brachte Sozialkommissar Schmit, noch einmal sein Vorhaben zum Ausdruck, eine verbindliche Richtlinie (und nicht nur eine Empfehlung) vorzulegen. Hierbei ginge es der Kommission nicht um die Einführungen eines einheitlichen Mindestlohnes oder Vereinheitlichung nationaler Systeme, sondern um gemeinsame europäische Standards, etwa im Hinblick auf die Angemessenheit, Reichweite oder Sozialpartner-Beteiligung. Auch die deutsche und folgende portugiesische EU-Präsidentschaft bestätigten im Rahmen der aktuellen Veranstaltungen ihr Bekenntnis zu einem solchen Rechtsakt. Auch der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) tritt für eine Rahmenrichtlinie ein, die allerdings bestimmte Mindestkriterien erfüllen muss, insbesondere einen doppelten Mindestschwellenwert in der Höhe von 60 % des Medianlohnes und 50 % des Durchschnittslohnes vorsehen sowie die Stärkung von Tarifverhandlungen unterstützen. Ein solcher Vorschlag könnte für viele ArbeitnehmerInnen in Europa positive Auswirkungen haben: In 21 Mitgliedsstaaten liegt der Mindestlohn derzeit unter 60 % des Medianlohns.
Kampf gegen Armut: Europäische Standards für die Mindestsicherung
Aktuell leben 22 % der europäischen Bevölkerung unter dem Risiko von Armut oder sozialer Ausgrenzung. In Anbetracht dieses hohen Anteils ist der Handlungsbedarf offensichtlich. Zusätzlich zur Europäischen Mindestlohn-Initiative hat die deutsche Ratspräsidentschaft auch das Thema der Mindesteinkommmen auf die Tagesordnung gesetzt und plant Ratsschlussfolgerungen zu dem Thema. Ziel ist durch eine Rahmenrichtlinie europaweite Grundsätze für die Mindestsicherung festzulegen. Der DGB hat bereits im vergangenen Jahr in einer gemeinsamen Veranstaltung mit AK EUROPA seine Vorstellungen für einen solchen Rechtsakt präsentiert. Zu begrüßen ist, dass auch der zuständige Sozial-Kommissar Nicolas Schmit den Vorschlag aufgreifen möchte und die Vorlage eines Kommissionsvorschlages angekündigt hat.
Verbesserungen für grenzüberschreitend tätige ArbeitnehmerInnen
Die Coronakrise hat die erhöhte Vulnerabilität von entsandten ArbeitnehmerInnen, GrenzgängerInnen und SaisonarbeiterInnen ins Scheinwerferlicht gerückt und damit bestehende Missstände sichtbarer gemacht. Dementsprechend fordern StakeholderInnen einen besseren Zugang zu Informationen für grenzüberschreitende und temporäre ArbeitnehmerInnen. Um dies zu gewährleisten, solle nach Stakeholder-Empfehlungen ein transnationales Beratungsgremium mit Sozialpartnern und migrantischen Organisationen errichtet werden. Die Mitgliedstaaten sollen darüber hinaus verpflichtet werden, Informationen in allen relevanten Sprachen zur Verfügung zu stellen, und diese sollen über eine App und eine Homepage in der Muttersprache zugänglich gemacht werden. Des Der deutsche Arbeits- und Sozialminister Hubertus Heil verweis auf die Wichtigkeit bestehende Regelungen gegen Lohn- und Sozialdumping (wie die Entsenderichtlinie) konsequenter umzusetzen und auch das Potential der Europäischen Arbeitsbehörde (ELA) auszuschöpfen. Die rumänische Arbeits- und Sozialministerin Violeta Alexandru betonte ebenfalls den großen Handlungsbedarf.
Keine verlorene Generation!
Für das Jahr 2020 wird im EU-Durchschnitt ein Anstieg der Jugendarbeitslosigkeit auf bis zu 30 % prognostiziert. Junge Menschen sind oftmals die ersten, die ihre Arbeit in der Krise verlieren, dies liegt auch an der großen Verbreitung von prekären Arbeitsverhältnissen. Im Rahmen der Konferenz „Soziales Europa“ wurde von Stakeholdern gefordert, dass die Beschäftigungsprogramme für Junge mit verpflichtenden Bedingungen für den Erhalt von Subventionen für ArbeitgeberInnen verbunden werden müssen. Der volle Zugang zu sozialer Absicherung soll garantiert und Praktika mit schlechter Qualität verboten werden. Kommissar Schmit verwies hierzu auf die erweiterte Jugendgarantie, zu welcher die Kommission im Juli ihren Vorschlag präsentiert hat.
Nächste Schritte
Am 13. Oktober 2020 stattfindenden SozialministerInnen-Rat werden wichtige Weichenstellungen im Bereich der Jugendgarantie, der Situation von grenzüberschreitenden und saisonalen ArbeiterInnen und zur Armutsbekämpfung erwartet. Der Kommissionsvorschlag zu EU-Mindestlohn wird am 28. Oktober 2020 erfolgen und beim SozialminsterInnen-Rat im Dezember diskutiert werden. Des Weiteren soll Anfang 2021 – und somit in der portugiesischen Ratspräsidentschaft – ein Aktionsplan zur Europäischen Säule Sozialer Rechte präsentiert werden.
Weiterführende Informationen:
BMAS: Konferenz „Gemeinsam für #MySocialEurope: Mehr als Krisenmanagement 1. September 2020“
AK EUROPA: Zukunft in Zeiten von Corona: Von der Leyens Rede zur Lage der Europäischen Union