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ZurückDie Digitalisierung und der damit einhergehende grundlegende Technologie- und Strukturwandel sind für Wirtschaft, Beschäftigte und Politik zentrale Herausforderungen der Zukunft. Um den digitalen Wandel im Sinne der Beschäftigten zu gestalten, brauchen wir stärkere Mitbestimmung in den Betrieben und eine echte Weiterbildungskultur in den Unternehmen. Und es muss sichergestellt sein, dass in der digitalen Arbeitswelt ArbeitnehmerInnenrechte und soziale Absicherung für alle gewährleistet sind. Deshalb haben die Arbeitskammern Österreich, Luxemburg, Bremen und Saarland auf dem Internationalen Kammertag in Kirkel (Juni 2019) ein gemeinsames Thesenpapier beschlossen, in dem sie einen Rechtsanspruch auf einen anerkannten Berufsabschluss sowie ein Recht auf berufliche Weiterbildung mit Freistellungsmöglichkeit und Lohnersatzleistungen fordern.
Der Trend hin zu einer immer stärker werdenden Digitalisierung und Automatisierung der Arbeitswelt bedeutet Veränderung. Traditionelle Arbeitsplätze fallen weg, neue entstehen. Klar ist: Jeder Arbeitsplatz wird sich verändern, denn die Digitalisierung hält überall Einzug. Ein Schlüssel, damit Digitalisierung gelingt und alle diese Veränderungen gut gemeistert werden können, ist Bildung. Denn es gibt einen klaren Zusammenhang zwischen Ausbildung und Arbeitslosigkeit: Je höher die Qualifikation, desto geringer ist das Risiko, arbeitslos zu werden. Eine gute Ausbildung wirkt dabei wie eine Schutzimpfung. Deshalb muss die begleitende Aus- und Weiterbildung eine Selbstverständlichkeit in der Arbeitswelt der Zukunft sein, um die Veränderungen in der Arbeitswelt zu gestalten. Sie begleitet Umstrukturierungsprozesse in der Wirtschaft, schafft individuelle berufliche Aufstiegschancen, erleichtert die Anpassung an technologische Änderungen und ist ein wichtiges Element von beruflicher Entwicklung, sozialer Teilhabe und persönlicher Entfaltung.
Vor diesem Hintergrund fordern die Arbeitskammer des Saarlandes, die Arbeitnehmerkammer Bremen, die Chambre de salariés Luxembourg und die Arbeiterkammern Österreichs neben verstärkten Weiterbildungsanstrengungen auch verlässliche und belastbare Rahmenbedingungen für die berufliche Bildung sowie gesetzliche Regulierungen. Weiterbildung muss dabei in gemeinsamer Verantwortung von Staat, ArbeitgeberInnen und Gewerkschaften weiterentwickelt werden. Um die Herausforderungen zu bewältigen und eine zukunftsorientierte Weiterbildungskultur zu etablieren, schlagen die Kammern die folgenden fünf Bausteine vor:
1. Das Einführen des Rechts auf einen ersten Berufsabschluss und auf berufliche Weiterbildung, das durch konkrete Rechtsansprüche garantiert wird. Dazu gehören:
- Verbindliche Finanzierungssysteme, die die Wachstumsdividende zwischen den Sozialpartnern gerecht verteilen und zugleich für einen angemessenen Risikoausgleich sorgen. Umlageverfahren und Fondslösungen sind dafür richtige Wege.
- Gesetzliche Regelungen für die individuelle Weiterbildung, die eine Freistellung mit Rückkehrrecht ermöglichen und den Lebensunterhalt durch eine existenzsichernde Lohnersatzleistung absichern.
- Ein flächendeckendes Netz von unabhängigen Weiterbildungsberatungsstellen für ArbeitnehmerInnen.
2. Auf der Basis des bewährten Konsensverfahrens in der Berufsbildung zwischen dem Staat und den Sozialpartnern müssen die Aus- und Fortbildungsberufe beständig weiterentwickelt und mit möglichen Umstiegsberufen verzahnt werden. Ein solches System ist im strukturellen Wandel ein wesentliches Element für gesicherte Einstiege, Aufstiege und Umstiege für ArbeitnehmerInnen, für den Erhalt einer guten Fachkräftebasis für die Wirtschaft und schließlich die Stabilisierung des Arbeitsmarkts.
3. Die Unternehmen tragen die Verantwortung für die betriebliche Weiterbildung ihrer Beschäftigten. Qualifizierung und Weiterbildung müssen zu einem zentralen Handlungsfeld einer vorausschauenden Personalpolitik werden. Weil die Demokratie im Betrieb nicht aufhört, soll der Ausbau von betrieblichen und tarifvertraglichen Regelungen zur Qualifizierung und Weiterbildung vorangetrieben, in den Betrieben ein generelles Initiativ- und Mitbestimmungsrecht der Interessensvertretungen zu diesem Thema eingeführt und in den Betrieben Weiterbildungsberatung durch ArbeitnehmerInnenvertretungen implementiert werden.
4. In der aktiven Arbeitsmarktförderung muss die berufliche Weiterbildung wieder in das Zentrum der Förderpolitik rücken. Damit die Teilnahme an Weiterbildung für arbeitslose ArbeitnehmerInnen leistbar ist, soll ein Qualifizierungs- oder Weiterbildungsgeld als neue Lohnersatzleistung eingeführt werden.
5. Bei der individuellen, betrieblichen Weiterbildung und in der Arbeitsförderung sind die Weichen politisch so zu stellen, dass Ungelernte, Geringqualifizierte, in Teilzeit oder prekär Beschäftigte privilegierte Zugänge erhalten. Dann kann Weiterbildung einen Beitrag gegen die Polarisierung des Arbeitsmarkts und zur Reduzierung von sozialer Ungleichheit leisten.
Sowohl die Erstausbildung als auch Fort- und Weiterbildung sind wichtige Dreh- und Angelpunkte für die bevorstehenden Veränderungen in der Arbeitswelt. Die Umsetzung der hier angeführten Forderungen würde daher einen wichtigen Beitrag zu einer fair gestalteten Arbeitswelt für alle ArbeitnehmerInnen im digitalen Zeitalter liefern.
Weiterführende Informationen:
AK Newsletter: Digitalisierung der Arbeitswelt: Mehr Fragen als Antworten?
AK Europa Policy Brief: Effects of Digitalisation on the Labour Market
AK Newsletter: Prekäre Beschäftigungsverhältnisse: Junge Menschen und Frauen besonders betroffen
A&W Blog: Qualifizierung und Weiterbildung im Kontext der Digitalisierung