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ZurückAm 11. April fand im Rahmen der Kampagne No to Tax Havens! die von der AK EUROPA gemeinsam mit dem ÖGB Europabüro organisierte Veranstaltung ‚The EU’s uphill struggle against tax dumping: 2 steps forward, 3 steps back?‘ in den Räumlichkeiten der Ständigen Vertretung Österreichs in Brüssel statt.
Einleitend merkte Thomas Neale, Abteilungsleiter der direkten Besteuerungspolitik und Koordination der Generaldirektion TAXUD der Europäischen Kommission, an, dass die Veranstaltung auch ‚drei Schritte nach vorn, zwei zurück' heißen könnte. Denn bereits 2016 sind mit den Änderungen der Anti-Geldwäsche-Richtlinie und der Anti-BEPS-Richtlinie wichtige Fortschritte bei der Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken auf EU-Ebene gemacht worden. Auch der aktuell diskutierte Vorschlag zur Länderspezifischen Berichterstattung (Country-by-Country-Reporting, CbCR) sei ein wichtiger Schritt in die richtige Richtung. Nicht die Kommission, sondern der Rat und damit einzelne Mitgliedsstaaten seien es, die den Prozess derzeit bremsen. [1]
Der Kommissionsvorschlag zu Country-by-Country-Reporting gehe aber nicht weit genug, da sind sich die übrigen Diskutantinnen des Panels unter der Moderation der Journalistin Élodie Lamer einig. EU-Parlamentsabgeordnete Evelyn Regner der S&D Fraktion, die gemeinsam mit Hugues Bayet auch die zuständige Berichterstatterin zu diesem Thema ist, betonte, wie wichtig Transparenz für eine faire Verteilung der Steuerlast sei. Die gerade im Parlament diskutierte länderspezifische Berichterstattung sieht eine öffentlich zugängliche Berichtlegung vor und stelle damit eine große Verbesserung zu den OECD-BEPS-Maßnahmen und dem darauf basierenden Kommissionsvorschlag dar, welcher nur eine Offenlegung für zuständige Behörden durchsetzen will. Zusätzlich sieht der von Regner und Bayet ausgearbeitete Parlamentsentwurf noch zwei weitere wesentliche Verbesserungsvorschläge vor: Erstens müsste der Schwellenwert, ab dem Unternehmen von der Richtlinie erfasst werden sollen, von einem Umsatz von mindestens 750€ Millionen analog zur Rechnungslegungsrichtlinie auf 40€ Millionen und mindestens 250 Beschäftigten gesenkt werden, um so mehr relevante Unternehmen zu erfassen. Zweitens dürften die Offenlegungspflichten nicht an europäischen Grenzen enden, und müssten sich auch auf Tätigkeiten außerhalb der EU und auf multinationale Unternehmen mit Tätigkeiten in der EU beziehen. Damit wären auch die USA als Sitz großer multinationaler Unternehmen davon betroffen. Durch die mit Country-by-Country-Reporting verbundenen Offenlegungspflichten sei aber kein Verlust der Wettbewerbsfähigkeit zu befürchten, so Regner. Ganz im Gegenteil: das Instrument stelle eine wichtige Grundlage für einen fairen Wettbewerb dar, von dem alle, auch kleinere europäische Unternehmen, die ihre Steuern zahlen, profitieren würden.
Aurore Chardonnet von Oxfam verdeutlichte die Relevanz des Country-by-Country-Reportings mit der Präsentation des Oxfam Berichts ‚Opening the vaults: The use of tax havens by Europe's biggest banks‘. Auf Basis der bereits 2015 eingeführten verpflichtenden öffentlichen länderspezifischen Berichtserstattung für europäische Banken zeigt dieser Bericht, welche Schieflagen mit Country-by-Country-Reporting ans Licht kommen können. So werden etwa 628€ Millionen an Gewinnen in Staaten generiert, in denen Banken keine einzige Person beschäftigen - Steueroasen! Genau deswegen unterstütze Chardonnet auch den Regner-Bayet-Entwurf, der eine Berichterstattung über europäische Grenzen hinaus vorsieht. Denn um Steuervermeidung effektiv bekämpfen zu können, muss der globale Kontext mitberücksichtigt werden, und alle Staaten, nicht nur OECD-Mitglieder, müssen an diesem Prozess beteiligt werden, um keine neuen Schlupflöcher zu schaffen.
Diese Position konnte Tove Maria Ryding von Eurodad und Tax Justice Europe nur unterstreichen. OECD-BEPS wäre gegenüber dem derzeitigen Entwurf des CbCRs des Parlaments jedenfalls ein Rückschritt, sowohl was die öffentliche Zugänglichkeit der Informationen, als auch die Unternehmensgröße oder den AdressatInnenkreis betrifft. Globale Probleme erfordern globale Lösungen. Und auch die EU würde auf vielen Ebenen von mehr Steuergerechtigkeit profitieren. Abgesehen von den bedeutend höheren Steuereinnahmen kann das Vertrauen der Bevölkerung, von UnternehmerInnen wie auch anderen InvestorInnen wiederhergestellt werden. Öffentlich zugängliche Länderberichterstattungen würden zudem ermöglichen, dass AufdeckerInnen von Steuervermeidung, wie etwa die Whistleblower der Lux-Leaks, für ihre wichtige Arbeit nicht mehr strafrechtlich verfolgt werden.
Gertraud Lunzer, Steuerexpertin der AK Wien, betonte, wie ungleich die Gesamtsteuerlast derzeit zu Ungunsten der ArbeitnehmerInnen aufgeteilt ist und wie wichtig es wäre, dieser Schieflage entgegenzuwirken. Country-by-Country-Reporting und die damit verbundene Transparenz könnten hier jedenfalls zu Verbesserungen führen. Neben den von Regner angesprochenen Veränderungen der OECD-BEPS müssen aus Perspektive der AK außerdem die Eigentumsrechte und die tatsächlich Begünstigten der entsprechenden Unternehmen offengelegt werden, um größtmögliche Transparenz zu schaffen. Auch dürfen Sonderkonstruktionen zum Zwecke der Steuervermeidung nicht unberücksichtigt bleiben. Der Erfolg einzelner Maßnahmen, wie eben auch des Country-by-Country-Reportings, sei abhängig von den übrigen, derzeit im Parlament diskutierten, Vorschlägen. Beispielswese ist der Vorschlag zu einer gemeinsamen konsolidierten Körperschaftssteuer-Bemessungsgrundlage entscheidend, um Steuervermeidung innerhalb der EU wirksam begegnen zu können. Schon jetzt steht allerdings fest, dass CbCR zu weiteren Maßnahmen führen muss, denn die neue Transparenz wird neue Steuerschlupflöcher zu Tage fördern, die es zu stopfen gilt. Und damit bleiben die Kampagne No to tax havens! und der Kampf gegen Steuervermeidung weiter aktuell.
Weiterführende Informationen
AK EUROPA: EU-Richtlinien gegen Steuervermeidung haben Nachbesserungsbedarf
AK EUROPA: Schluss mit Steuervermeidung: Auch wir wollen wissen, wer seine Steuern nicht zahlt!
AK EUROPA: Kampf gegen Steuervermeidung
AK Europa: Legale Steuervermeidung wird etwas schwieriger
AK Europa: Unternehmensbesteuerung: Mehr Steuergerechtigkeit in der Europäischen Union?
AK EUROPA Positionspapier zum Country-by-Country-Reporting (CbCR)
OECD: BEPS-Actions (in Englisch)
Oxfam: Opening the vaults: The use of tax havens by Europe's biggest banks (in Englisch)
AK/ÖGB-Kampagne No to tax havens!
[1] Einige Mitgliedsstaaten fordern, dass die legislative Basis des Vorschlages hin zum Einstimmigkeitsprinzip verändert werden solle, wie das für Beschlüsse im Steuerbereich auf EU-Ebene notwendig ist. Thomas Neale stellt aber klar, dass die Länderberichterstattung keine Steuer-Richtlinie im engeren Sinne ist, da sie sich ja nicht direkt auf Steuersysteme, sondern eben nur auf Offenlegungspflichten von Unternehmen bezieht.