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ZurückAm 16.10.2019 luden AK EUROPA und das ÖGB Europabüro zu einer Veranstaltung zum Thema Antidiskriminierung ein. Anlass war eine von AK Wien in Auftrag gegebene Studie zu Diskriminierungserfahrungen in Österreich. Die Ernennung der designierten Kommissarin für Gleichstellung, Helena Dalli, bot ebenfalls Gelegenheit, politische und legislative Maßnahmen zum Diskriminierungsschutz auf EU-Ebene zu diskutieren.
Nachdem Ingrid Moritz (Abt. Frauen und Familie, AK Wien) und Simone Erne (Bundesfrauensekretärin, ÖGB) die TeilnehmerInnen und Gäste willkommen hießen, machte Daniel Schönherr betonte der Sozialwissenschaftler die unterschiedlichen Dimensionen von Diskriminierungserfahrungen und verwies auf die Korrelation zwischen Diskriminierungserfahrungen und sozialem Status: Zum einen sei niedriger sozialer Status ein Grund von Diskriminierung, zum anderen seien ebendiese dafür verantwortlich, dass Machtverhältnisse blieben, wie sie sind und verhinderten soziale Mobilität. Die politische Antwort auf Diskriminierung müsse Fürsorge, „care“ sei: Man müsse einander anerkennen und sich aufeinander einlassen. Aljoša Gadžijev stellte die Arbeit der slowenischen Antidiskriminierungsstelle vor, die seit 2016 existiert. Der ausgebildete Arzt und Forscher der MedUni Wien Igor Grabovac berichtete über die Diskriminierungserfahrungen von LSBTI Personen in Hinblick auf den Zugang und die Qualität von Gesundheitsleistungen. Er berichtete, dass Stressbelastungen, die Diskriminierungserfahrungen nach sich ziehen, häufig in chronischen Erkrankungen mündeten. Überdies entstünden durch Diskriminierung enorme Kosten für Volkswirtschaften. Abschließend verwies er auf die Tatsache, dass Datenmangel über diese Personengruppe Forschungen in den meisten Ländern massiv erschwerte.
In der anschließenden Podiumsdiskussion betonte MdEP Evelyn Regner, dass sie Helena Dalli für eine exzellente Besetzung für den Posten der Kommissarin für Gleichstellung hält. In ihrer Rolle als Vorsitzende des Ausschusses für Geschlechtergerechtigkeit des Europäischen Parlaments lobte sie die angekündigte Regelung für Lohntransparenz und die Task Force für Gleichstellung. Dabei gelte es auch, die Belange von LSBTI Personen nie aus dem Blick zu verlieren, auch diese gehöre zur Gleichstellung der Geschlechter. Sie versicherte, sich weiterhin für den Kampf gegen den gender pay gap, den gender pension gap und für die ökonomische Unabhängigkeit für Frauen einzutreten, auch wenn dies ein zäher Kampf sei. Bezüglich der Antidiskriminierungsrichtlinie, seit elf Jahren „kaltgestellt“, bräuchte es Druck von allen Seiten, insbesondere den Sozialpartnern und der Zivilgesellschaft, damit sich der Rat und damit die Mitgliedsstaaten endlich bewegten.
Esther Lynch wurde in ihren Statements sehr persönlich und erinnerte sich an ihre eigenen Erfahrungen als 21-Jährige Gewerkschafterin, die damals lautstark eine verpflichtende Karenz für Väter forderte – eine Idee „deren Zeit noch immer nicht gekommen sei“. Sie versicherte, dass die Gewerkschaftsbewegung seit langem bereit sei und Vorschläge zu legislativen Ansätzen schon lange ausgearbeitet wären. Ebenso verwies sie auf einen EGB-Beschluss zur „Passerelle“-Klausel, die das Einstimmigkeitsverfahren im Rat, das de facto Blockaden ermöglicht, in qualifizierte Mehrheitsentscheidungen überführen würde. Lynch kritisierte auch das One-in-One-Out-Prinzip bei künftiger Gesetzgebung, das sie „den ersten schweren Fehler Von der Leyens“ nannte. Als Frau der Arbeiterklasse appellierte sie, Menschen mit Diskriminierungserfahrungen nicht als Opfer zu sehen, sondern als aktive AkteurInnen des Wandels, die ihre Erfahrungen mit Wut und Nachdruck artikulieren müssten – und denen zugehört werden müsse.
Yrsa Nyman vom Finnischen Justizministerium präsentierte die Vorhaben der finnischen Ratspräsidentschaft zur Anti-Diskriminierung. Sie versicherte, dass das Thema sehr ernst genommen würde und verwies auf eine kürzlich organisierte Konferenz zur Gleichstellung von LSBTI Personen, organisiert von der finnischen Ratspräsidentschaft. Die Anti-Diskriminierungsrichtlinie werde am 24. Oktober im EPSCO-Rat im Rahmen einer politischen Debatte diskutiert. Auch hier seien die FinnInnen sehr engagiert, den Stillstand aufzubrechen. Wie auch die anderen PodiumsteilnehmerInnen verwies Nyman auf die Wichtigkeit von Daten und auf das Monitoring von bereits implementierten Maßnahmen, wie beispielsweise den finnischen Aktionsplan für Gleichstellung.
Adam Rogalewski komplettierte die Runde als EWSA-Mitglied und als Direktor des internationalen Büros der polnischen Gewerkschaften. Er bedauerte die nur schleppenden Fortschritte beim Thema Gleichstellung der Geschlechter, besonders beim gender pay gap. Er verwies auf die Diskriminierungserfahrungen von Geflüchteten und MigrantInnen und plädierte für eine generelle soziale Aufwärtskonvergenz, die sich positiv auf den Lebensstandard aller Menschen auswirken würde. Auch die Auswirkungen der Digitalisierung im Dienstleistungsbereich müssten beim Thema Anti-Diskriminierung mitgedacht werden. Letztlich betonte Rogalewski seine persönlichen Erfahrungen als LSBTI-Aktivist und schloss mit den Worten, dass eine „echte Europäische Union“ nur mit der Gleichstellung von allen Menschen erreicht werden könnte.
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